Düsseldorf im April 2017. Wenn beim Anblick des eigenen Gesichts in einem Löffel die Proportionen aufgrund der gewölbten Oberfläche vollkommen verzerrt zu sehen sind, bringt das den Betrachter in der Regel zum Schmunzeln. Ganz anders ergeht es Personen, die in einen normalen Spiegel schauen und den eigenen Körper trotzdem als unförmig erachten, denn diese Vorstellung ist fest in der Psyche verankert und verfolgt Betroffene jeden Tag. Dr. med. Mehmet Atila, Facharzt für Plastische und Ästhetische Chirurgie und Direktor des Medical Inn Zentrums in Düsseldorf, weiß: „Menschen, die unter der verzerrten Wahrnehmung ihres Körpers, fachsprachlich Dysmorphophobie, leiden, zeigen dies oft in einem kontroversen Verhalten. Übermäßiges Stylen, Schminken oder auch eine Vorliebe für Schönheitsoperationen gehören dazu.“
Verurteilung statt Verständnis
Da das Gefühl, hässlich zu sein, für Außenstehende nicht nachvollziehbar ist, werden Menschen mit einer Körperbildstörung oft fälschlicherweise als arrogant und oberflächlich verurteilt. Diese Annahme wird durch Verhaltensweisen wie ein häufiges Überprüfen des Aussehens im Spiegel oder Vergleiche des eigenen Aussehens mit dem anderer Mitmenschen noch unterstrichen. Hier kann eine Abwärtsspirale für Betroffene entstehen. Sie fühlen sich hässlich, zeigen dies anhand kontroverser Zwangshandlungen, die Mitmenschen verständnislos mit Ablehnung und genervten Reaktionen beantworten. Dies wiederum führt zum weiteren Rückzug und zu noch mehr Unsicherheit, sogar schwere Depressionen sind möglich. Als Ausweg sehen Betroffene mitunter Schönheitsoperationen. Doch nach einer erfolgten fällt die nächste Problemstelle am Körper auf und so kann sich aus dem Gang zum Arzt ein weiterer Zwang entwickeln. „Fachärzte müssen die Indikatoren eines Patienten oder einer Patientin mit Dysmorphophobie erkennen, wenn er oder sie zur Beratung kommt“, mahnt Dr. Atila und ergänzt: „Ich muss den optischen Makel eines Patienten oder einer Patientin nachvollziehen können, um mich für einen Eingriff oder eine Behandlung auszusprechen. Ist dies nicht der Fall und bemerke ich zudem, dass eher eine psychische Ursache zugrunde liegen könnte, rate ich diesen Patienten auch von einer Operation ab.“
Patientenanteil im Vergleich sehr gering
Auch wenn Körperdysmorphe Störungen weiter verbreitet sind als viele annehmen, kann Dr. Atila sagen, dass der Anteil an Patienten im Medical Inn relativ gering ist. „Die meisten meiner Patienten kommen zu mir, um gezielt eine Stelle am Körper verändern zu lassen, die in manchen Fällen sogar stark ins Auge fällt und unter der sie extrem leiden. Da beeindruckt mich dann oft die innere Stärke dieser Menschen, wenn zum Beispiel bei einem Mann lange Hautlappen am Bauch hängen, weil er stark abgenommen hat, oder sich bei einer Frau die Brüste extrem unterschiedlich entwickelt haben und beide trotzdem schon lange Zeit damit leben“, bemerkt der Facharzt. Oft geht hier ein intensiver Entscheidungsprozess voraus und die Betroffenen beschäftigen sich sehr bewusst längere Zeit mit dem Thema. „Das ist auch genau richtig, zumal jeder Mensch anders ist. Bei meinen Beratungen gehe ich immer sehr individuell vor und versetze mich in meine Patienten, um für sie den Behandlungsweg zu finden, der zu ihnen passt. Haben Ärzte bei der ersten Beratung quasi schon das Skalpell in der Hand und wollen von Patienten eine schnelle Entscheidung, steht der Profit und nicht der Patient im Vordergrund“, betont Dr. Atila und ergänzt: „Insbesondere Patienten mit einer Körperbildstörung fallen diesen schwarzen Schafen zum Opfer, da sie sich schnelle Hilfe erhoffen. Doch bei Betroffenen hilft eine körperliche Veränderung nur temporär und behebt nicht die Ursache.“