Die Gefahr, die von Metall im Mund ausgehen kann, haben Kinogänger
noch vor Augen: In den James Bond-Filmen "Der Spion, der mich liebte"
und "Moonraker" verbreitete der von Richard Kiel gespielte Bösewicht
"Der Beißer" mit einem Gebiss aus Stahl Angst und Schrecken. Wie groß
aber ist die Gefahr, die Metalle im Mund auslösen können, wenn sie
als Füllungsmaterial oder Zahnprothesen zum Einsatz kommen? Und
braucht die moderne Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde sie überhaupt
noch angesichts neuer Keramiken und Kunststoffe, die bei Behandlungen
heute angewendet werden? "Aus wissenschaftlicher Sicht sind die
Risiken, die von Metallen im Mund ausgehen, grundsätzlich eher gering
einzuschätzen. Hier widersprechen unsere Erkenntnisse eindeutig einer
weit verbreiteten Wahrnehmung. Wir möchten daher ein Zeichen in
Richtung eines faktenbasierten Umgangs mit diesem Thema setzen",
stellt Prof. Dr. Michael Walter, Präsident der DGZMK (Deutsche
Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde) und als solcher
oberster Repräsentant der wissenschaftlichen Zahnmedizin hierzulande,
eindeutig klar. "Keramiken und Kunststoffe können Metalle heute bei
vielen Therapien schon ersetzen, ganz verdrängen können sie diese
aber noch nicht." Im Rahmen einer Pressekonferenz der DGZMK, die sich
mit den beiden genannten Fragen beschäftigte, wurde die Verwendung
von Metallen, Keramiken und Kunststoffen bei zahnärztlichen Therapien
aus unterschiedlichen Blickwinkeln beleuchtet.
Wahrgenommenes Allergie-Risiko im Widerspruch zur Wissenschaft
Was die Verträglichkeit von Dentalmetallen angeht, erläutert
Priv.-Doz. Dr. Anne Wolowski (WWU Münster) vom Arbeitskreis
Psychologie und Psychosomatik in der DGZMK: "Man liest immer wieder
Einzelfallberichte über teils dramatisch erlebte lokale wie
allgemeine, sehr unspezifische Beschwerden durch Dentalmetalle (z. B.
allgemeine Schwäche, Ermüdung, Energielosigkeit, Mundtrockenheit,
erhöhter Speichelfluss). Die intuitiv gesteuerte Wahrnehmung eines
solchen Allergie-Risikos durch die Bevölkerung steht dabei aber im
Widerspruch zu wissenschaftlichen Erkenntnissen."
"Grundsätzlich gilt, dass an der Mundschleimhaut
kontaktallergische Reaktionen seltener als an der Haut auftreten und
im Falle einer Reaktion auch ein eher geringeres Ausmaß annehmen. Der
Grund dafür ist die verdünnende Wirkung des Speichels
(''rinse-off''-Effekt), welche die Kontaktzeit des Allergens
verringert. Ein weiterer Grund ist die geringere Dichte jener Zellen
im Bereich der Mundschleimhaut, die für die Abwehrreaktion
verantwortlich sind", so Wolowski. Ein positives Testergebnis sei
zunächst nur der Nachweis einer Sensibilisierung. In jedem Fall
müsse die klinische Relevanz interdisziplinär beurteilt werden. Erst
bei eindeutigen Hinweisen aufgrund der Vorgeschichte und belastender
Symptome könne man von einer nachgewiesenen Allergie ausgehen und
sollte die fraglichen Materialien gegebenenfalls austauschen.
Nozeboeffekt belastet in hohem Maße
Wolowski empfiehlt bei unklaren Beschwerden und/oder bei dem
Verdacht auf eine Materialunverträglichkeit die Zusammenarbeit von
Zahnmedizin und Allgemeinmedizin. Dabei hänge es von der Art der
Beschwerden, der Vorgeschichte und gegebenenfalls vorliegender
körperlicher Befunde ab, in welche Richtung eine spezifische
Fachdiagnostik und gegebenenfalls Therapie geleitet werden müsse.
Dabei steht für die spezialisierte Zahnmedizinerin fest: "Die
höchste Belastung, die Patienten erleben, ergeben sich oft aus einer
vorschnellen und von Polemik gesteuerten Diagnostik. Unsicherheiten
durch unbegründete Spekulationen haben eine Überschätzung eines
objektiven Risikos im Sinne eines Nozeboeffektes (als schädigend
wahrgenommener Effekt) zur Folge und belasten Betroffene unnötig in
hohem Maße."
Immer wieder in die Schlagzeilen und entsprechend in Verruf ist
Amalgam geraten. Bei diesem seit 1820 eingesetzten Füllungsmaterial
steht der rund 50prozentige Quecksilberanteil in negativem Ruf.
Inzwischen, so Prof. Dr. Roland Frankenberger (Uni Marburg) von der
DGZ (Deutsche Gesellschaft für Zahnerhaltung), habe diese Tatsache
und der Wunsch nach "unsichtbaren" zahnfarbenen Füllungen für einen
Siegeszug der dentalen Füllungskunststoffe (Komposite) gesorgt.
"Diese bieten neben der Ästhetik im Vergleich zum Amalgam vor allem
den Vorteil, dass sie viel minimal-invasiver, d.h. unter Opferung
wesentlich geringerer Mengen gesunder Zahnhartsubstanz verarbeitet
werden können. Daher haben die Komposite das Amalgam heute de facto
als Massenfüllungsmaterial abgelöst", erklärt Frankenberger.
Verwendung von Amalgam normalerweise unbedenklich
Allerdings sei die toxikologische Bewertung beider
Füllungsmaterialien nicht trivial. Auch einzelne Bestandteile
dentaler Komposite würden zum Teil kritisch gesehen, da im Zuge der
Polymerisation mit Licht in der Regel eine 100%-ige Polymerisation
nicht zu erzielen sei. Und trotzdem sei bei 50 Mio. Füllungen pro
Jahr in Deutschland die Komplikationsrate bezüglich biologischer
Begleiterscheinungen nachgewiesenermaßen sehr gering. Frankenbergers
Fazit: "Ein perfekt biokompatibles Füllungsmaterial gibt es nicht. Es
gilt daher, eine stringente Risikoabschätzung durchzuführen. Nach
dieser ist die Verwendung von Amalgam und Amalgamersatzmaterialien in
der Regel unbedenklich - d.h. das Risiko ist akzeptabel."
Keramik verdrängt Metalle beim Zahnersatz
Zahnersatz ist in herausnehmbaren und festsitzenden sowie in
zahngetragenen und implantatgetragenen Zahnersatz unterteilbar. Bei
der Herstellung von Zahnersatz kommen neben unterschiedlichen
Kunststoffen und Kunststoffzähnen vor allem Metalle und Keramiken zur
Anwendung. "Generell zeigt sich bei diesen Zahnersatzversorgungen,
dass Verträglichkeitsprobleme eher selten auftauchen", fasst Prof.
Dr. Stefan Wolfart (RWTH Aachen) von der Deutschen Gesellschaft für
Prothetische Zahnmedizin und Biomaterialien (DGPro) zusammen. "Im
Bereich des festsitzenden Zahnersatzes (Kronen und Brücken) wird die
Metallkeramik immer noch als Goldstandard bezeichnet. Hierbei wird
ein Edelmetall- oder Nichtedelmetallgerüst mit einer Verblendkeramik
verblendet. Zahnersatz aus Vollkeramik stellt dazu in vielen
Bereichen eine sinnvolle Alternative dar." Bei den herausnehmbaren
Restaurationen sei eine Versorgung ohne Metalle dagegen nicht
realisierbar. Jeder herausnehmbare Zahnersatz - von der Totalprothese
abgesehen - weise ein Metallgerüst auf. Insgesamt lasse sich
festhalten, dass der Einsatz von Metallen bei Zahnersatz stark
zurückgegangen sei. Ganz ohne Metalle gehe es aber vor allem bei
großen Brücken, in der Implantatprothetik und bei herausnehmbaren
Prothesen noch nicht. Die hochgoldhaltigen Legierungen würden heute
aus Kostengründen - wo immer möglich - immer mehr durch
Nichtedelmetalllegierungen ersetzt.
Titanimplantate weiter Goldstandard
Zahnärztliche Implantate stellen heutzutage eine wissenschaftlich
anerkannte Therapiealternative zum Ersatz fehlender Zähne dar. Die
Prognose (sog. Überlebensrate) für zahnärztliche Implantate ist nach
adäquater Planung, Einbringung und Versorgung als sehr gut zu
beziffern und beträgt nach fünf bis zehn Jahren, je nach
Einsatzbereich, zwischen 95 und 100 Prozent. Grundlegend gilt es
jedoch zu beachten, dass zahnärztliche Implantate einer intensiven
Mundhygiene bedürfen. Neben der häuslichen "Implantatreinigung" muss
eine regelmäßige Kontrolle und professionelle Reinigung durch den
Zahnarzt erfolgen. Somit lassen sich Implantatentzündungen (z.B.
Periimplantitis) in aller Regel vermeiden. "Zahnärztliche Implantate
werden heutzutage überwiegend aus Titan, einem leichten aber sehr
festen Metall, gefertigt. Insbesondere Reintitan wird vom Körper sehr
gut akzeptiert und bildet an der Luft eine beständige Schutzschicht
aus. Die Korrosionsbeständigkeit des Reintitans und von
Titanlegierungen gilt allgemein als ausgezeichnet", führt Prof. Dr.
Frank Schwarz (Uni Düsseldorf), Präsident der Deutschen Gesellschaft
für Implantologie (DGI) aus. Neue Materialentwicklungen wie z.B.
Keramikimplantate (Zirkondioxid) können derzeit noch nicht für alle
Einsatzbereiche empfohlen werden. Die weitgehend problemlose
Verwendung von Titanimplantaten ist wissenschaftlich bestens belegt.
Titanimplantate bilden im Moment nach wie vor den Goldstandard und
bleiben vorerst noch unverzichtbar. Keramikimplantate können bei
bestimmten Indikationen eingesetzt werden.
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