Der Mechanismus unseres Hungersystems wird im Kampf gegen Übergewicht zu wenig berücksichtigt.
Übergewicht entwickelt sich weltweit zum größten gesundheitlichen Problemfaktor. (Prädiabetes, Diabetes II, Degeneration des Bewegungsapparates, Bluthochdruck, Herzkreislauferkrankungen, Depressionen, u.v.a.m.) Im Laufe der jahrzehntelangen Forschung gegen Übergewicht ist man einer wirklichen Lösung kaum nähergekommen. Diäten und Empfehlungen zur „richtigen Ernährung“ funktionieren nicht dauerhaft. Ständig neue Erkenntnisse widersprechen den vorangegangenen Empfehlungen und verunsichern die Bevölkerung.
Die negativen Auswirkungen, die auf die Gesellschaft zukommen, sind enorm: 52 % der Menschen in der BRD sind übergewichtig, Tendenz steigend!
Experten sind sich einig darüber, dass eine grundlegende Ernährungsumstellung dringend notwendig ist. Dabei hat sich in den letzten fünf Jahren herauskristallisiert, dass zu viele Kohlenhydrate die Hauptursache für Adipositas ist, und dass eine proteinreichere Ernährung dem menschlichen Organismus bei dem heutigen viel bewegungsärmeren Lebensstil wesentlich nähersteht.
Obwohl jedoch mittlerweile beinahe jeder weiß, was er nicht bzw. weniger essen sollte (Schokolade, Kuchen, Chips, Nudeln, Pommes, Wießbrot, etc.) gelingt es den meisten nicht, ihre Ernährungsvorlieben zu verändern. Auch erfolgsversprechende, proteinstarke Diäten scheitern oft am „Heißhunger“ auf bestimmte kohlehydrathaltige Lebensmittel. Selbst bei dem allergrößten Wunsch nach Veränderung manipuliert ein starkes Verzichtsgefühl die „guten Vorsätze“. Die Folge ist ein innerer Konflikt, der die gesamte Problematik verstärkt.
Der Hunger ist im Kampf gegen Übergewicht ein bisher kaum beachteter Faktor und ein wesentlicher Schlüssel zum Erfolg. Ernährungspläne und die Empfehlung bestimmter Nahrungsmittel sind erst ein zweiter Schritt. Das Hungersystem ist hochkomplex und bislang noch wenig erforscht. Daher sollte einem „Wundermedikament“, das verspricht den Hunger zu dämpfen, grundsätzlich kritisch begegnet werden. Das stärkste körperliche Symptom des Hungers ist (abgesehen von einem knurrenden Magen) das Gefühl von innerer Leere und Unruhe. Je stärker unser Hunger wird, umso mehr Kontrolle übernimmt er über unsere Denkmuster und Gefühle. Das Problem ist, dass viele Menschen das Gefühl innerer Leere des echten Hungers verwechseln mit jenem Gefühl innerer Leere, das z.B. bei dem „Hunger“ nach Liebe oder nach Anerkennung entsteht. Bei stark übergewichtigen Personen, die zunehmend das Gefühl der Ablehnung aufgrund ihres Äußeren erfahren, wird dieser falsch interpretierte Hunger immer größer. Das Beleuchten des Hungersystems und das Verständnis dafür, auf welche Weise es uns am Leben erhält, uns steuert, uns aber andererseits auch täuschen kann, verändert die Perspektive auf das Gefühl des zwanghaften Verlangens.
Gängige Empfehlungen bei Diäten, wie bspw. die Energiedichteberechnung, Kalorienkontrolle und Nahrungsreduktion, sind ohne den Einsatz von Disziplin und Willenskraft nicht möglich. Dies führt in den allermeisten Fällen über kurz oder lang nicht nur zu einem starken Gefühl von Verzicht, sondern auch zu einem unnatürlichen Essverhalten und zu einem gestörten Hungersystem.
Veränderung geschieht nur durch bewusstes Handeln. Dies wird möglich durch einen Perspektivwechsel und durch eine echte Aussicht auf Erfolg, d.h. ohne den permanenten Einsatz von Willenskraft, ohne das Gefühl des Verzichts und ohne die Angst zu scheitern.
Das Ziel muss sein, durch Verständnis der zugrundeliegenden Mechanismen die Kontrolle über den Hunger zurück zu gewinnen und zu verstehen, dass Willenskraft und Verzicht nicht zum erwünschten Ergebnis führen: der Freiheit von den ständigen Gedanken ans Essen, die einem Übergewichtigen das Leben so „schwer“ machen.