Häufig vergehen Jahre bis die wahren Ursachen aufgedeckt und den Patienten geholfen werden kann. Für die Betroffenen eine Tortur, die Tage werden zunehmend zur Qual“, sagt Dr. Michael Lichtenberg, Chefarzt der Klinik für Angiologie im Klinikum Arnsberg und Leiter des neuen „Zentrums für Beckenvenenobstruktionen“.
Engstelle in den Beckenvenen wird häufig nicht erkannt
Eine Krankengeschichte wie es viele gibt: Wegen Schmerzen und Schwellungen in den Beinen suchen die Betroffenen Hilfe. Doch trotz konservativer Behandlung mit Tabletten und Kompressionsstrümpfen bessern sich die Beschwerden nicht.
Dr. Lichtenberg verweist auf eine mögliche Ursache: „Krampfadern und Venengeschwüre sind nicht selten Folge einer angeborenen Engstelle in den Beckenvenen, auch May-Thurner-Syndrom genannt. Die betroffene Beckenvene liegt dabei in einem ungünstigen Winkel zum Beckenknochen und der Beckenschlagader. Dadurch wird sie eingeengt. Dies wiederum führt dazu, dass sich das Blut in den Venen staut.“ Auf Dauer führt der Rückstau des Blutes dann dazu, dass sich die Venenwand in den Beinen erweitert, wodurch die Venenklappen dauerhaft geschädigt werden. Schmerzen und Schwellungen in den Beinen sind die Folge.
Dr. Lichtenberg hat das „Zentrum für Beckenvenenobstruktionen“ gegründet, damit solche Leidensgeschichten in Zukunft möglichst verhindert werden. Außerdem möchte er auf Beckenvenenerkrankungen stärker aufmerksam machen, denn in „spezialisierten Zentren können die Patienten optimal versorgt und behandelt werden“, betont der Chefarzt.
Nur eine Behandlung der Ursachen bringt Besserung
„Weder eine oft praktizierte oberflächliche Krampfaderbehandlung mittels Kompressions-verbänden oder -strümpfen noch eine Entfernung der Krampfadern verspricht bei einem Verschluss oder einer Einengung der tiefen Beckenvenen dauerhafte Linderung“, sagt Dr. Lichtenberg. „Die Krampfadern und Schmerzen kommen immer wieder. Nur wenn die ursächliche Einengung der Beckenvene beseitigt wird, ist eine nachhaltige Besserung der Beschwerden möglich.“
Gefäßultraschall hilft Ursachen aufzudecken
Zu den wichtigsten Basisuntersuchungen, um eine solche Engstelle zu erkennen, zählt der Gefäßultraschall. Mit diesem kann der Blutfluss in den Gefäßen durch Farbbilder sichtbar gemacht werden. Gefäßverläufe im Gewebe, Verengungen und Verkalkungen können so mit hoher Treffsicherheit aufgedeckt und vermessen werden. Wenn eine Ultraschalluntersuchung nicht ausreicht, beispielsweise weil bestimmte Gefäßbereiche so nicht darstellbar sind oder die Schallqualität und somit Beurteilbarkeit durch andere Ursachen eingeschränkt ist, kann auch eine Computertomografie oder Magnetresonanztomografie sinnvoll sein.
Spezielle Venenstents werden eingesetzt
Wurde eine verschlossene oder stark verengte Beckenvene als Ursache festgestellt, kann diese mit einem besonderen Verfahren wieder geöffnet werden: Dafür werden spezielle Venenstents eingesetzt, die die Beckenvene dauerhaft offenhalten. Diese Stents - kleine Röhrchen aus Metallgeflecht – sind deutlich größer als man sie von Herzeingriffen kennt. Dr. Lichtenberg erklärt das moderne Verfahren: „Über eine kleine Punktion in der Leiste wird ein Katheter mit einem Venenstent eingeführt und im Blutgefäß unter Röntgenkontrolle vorsichtig bis zur Engstelle vorgeschoben. Dort wird er genau platziert, aufgedehnt und freigesetzt.“ Die Einengung der Beckenvene wird so dauerhaft beseitigt. Das Blut aus den Beinen kann wieder ungehindert zum Herzen zurückfließen. Schwellungen und Schmerzen gehen zurück.
Haben sich bereits Blutgerinnsel (Thromben) in der Vene gebildet, können diese beim selben Eingriff abgesaugt werden. Bei ausgedehnteren Venenverschlüssen können längere Stents implantiert werden, gegebenenfalls auch mehrere hintereinander. Die Stents sind aus einem speziellen Metall (Nitinol), gut verträglich und können lebenslang im Körper verbleiben.
Komplexer Eingriff erfordert viel Erfahrung
Der Eingriff wird von den gesetzlichen Krankenkassen bezahlt, ist aber technisch sehr komplex. „Wir haben bei Studien festgestellt, dass mindestens 50 Beckenveneneingriffe pro Jahr vorgenommen werden sollten, um diese Eingriffe sicher durchzuführen zu können“, erläutert Dr. Lichtenberg und rät den Patienten zur Behandlung in einem spezialisierten Zentrum.
Arnsberger Zentrum ist bundesweit größte Spezialabteilung
Dr. Lichtenberg bilanziert: „Wir stellen für die Behandlung von Beckenvenenerkrankungen in Deutschland inzwischen die größte Spezialabteilung dar und führen inzwischen jährlich über 250 dieser minimal-invasiven Stenteingriffe durch, wodurch in über 90 Prozent der Fälle den betroffenen Patienten geholfen werden kann. Für die spezielle und aufwandreiche Therapie haben wir zudem vor einiger Zeit ein eigenes Studienbüro mit mehreren wissenschaftlichen Mitarbeitern gegründet, um unsere Erfahrungen auch wissenschaftlich einzubringen.“