Der Deutsche Evangelische Krankenhausverband (DEKV) hat am Abend
des 11. September 2017 in der Marktkirche Hannover die Rolle
evangelischer Krankenhäuser in der heutigen Gesundheitsversorgung
diskutiert. Unter dem Motto "Reformation verpflichtet!" fragte der
Verband, warum evangelische Kliniken, insbesondere im Hinblick auf
Patienten- und Gemeinwohl, in unserem Gesundheitssystem besonders
gebraucht werden. Prominente Gäste und Experten aus Politik, Kirche
und Gesundheitsbranche gaben individuelle Statements und widmeten
sich einer lebhaften Diskussion, die von der Journalistin Christiane
Poertgen moderiert wurde.
Der DEKV-Vorsitzende Christoph Radbruch wies eingangs auf zentrale
Stärken und Herausforderungen evangelischer Krankenhäuser hin. Genau
wie Martin Luther versucht habe, die Kirche an geänderte
Rahmenbedingungen anzupassen, sei es auch die Aufgabe der
evangelischen Kliniken, ihre Patienten unter sich immer wieder
ändernden Rahmenbedingungen gut zu versorgen. "Was uns dabei
auszeichnet, ist unser Qualitätsverständnis: Evangelische
Krankenhäuser sehen nicht nur Zahlen, sondern nehmen den Patienten
als Menschen wahr und betrachten auch seine Lebensqualität vor und
nach der Behandlung", sagte Radbruch. Insbesondere bei älteren und
multimorbiden Patienten sei diese Herangehensweise wichtig. Radbruch
kritisierte die Ungleichbehandlung verschiedener Krankenhausträger:
"Im Gegensatz zu kommunalen Kliniken werden konfessionelle Häuser,
die in finanzielle Schwierigkeiten geraten, nicht mit öffentlichen
Mitteln aufgefangen. Damit haben kommunale Häuser einen nicht
leistungsbezogenen Wettbewerbsvorteil, der die Kräfteverhältnisse in
der Krankenhauslandschaft verzerrt."
Warum evangelische Krankenhäuser in der heutigen
Gesundheitsversorgung unverzichtbar sind, ließ sich für Ralf Meister,
Landesbischof der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Hannovers,
eindeutig aus der christlichen Wertehaltung ableiten: "Martin Luther
bezeichnete die Nächstenliebe, den Dienst am Nächsten, als
Gottesdienst. Noch heute strahlt das diakonische Engagement, auch das
der evangelischen Krankenhäuser, in die Gesellschaft aus", sagte
Meister. Diakonie verändere zwar nicht die Gesetzmäßigkeiten der
Welt, aber durch das Handeln diakonischer Einrichtungen werde die
Liebe Gottes in der Welt erfahrbar. Auch in der Krankenhauslandschaft
bestehe ein Konkurrenzkampf um Werte. Die Stärke evangelischer
Krankenhäuser liege hier in ihrer Authentizität. "Konfessionelle
Kliniken haben die Kraft der Überzeugung, dass ihr Auftrag nicht
erfunden ist", betonte Meister.
"Durch die deutliche Zunahme der älteren Patientinnen und
Patienten in Krankenhäusern wird auch der Bedarf an einer stärker
zuwendungs- und pflegeorientierten Medizin weiter steigen - wir alle
wissen, dass diese Form der Medizin nicht immer vereinbar ist mit der
zunehmenden Ökonomisierung der Versorgung", erläuterte die
niedersächsische Ministerin für Soziales, Gesundheit und
Gleichstellung, Cornelia Rundt. Den großen Vorteil kirchlicher
Krankenhäuser sah sie in der Tatsache, dass dort keine
Renditeerwartungen privater Konzerne erfüllt werden müssten. "Auch
kirchliche Krankenhäuser müssen im Kostenwettbewerb bestehen, aber
die zuwendungsorientierte Medizin hat hier einen ganz anderen
Stellenwert und ist fest im Leitbild verankert. Kirchliche
Krankenhäuser mit ihrer christlichen Werteorientierung stellen den
Menschen ins Zentrum ihrer Arbeit. Davon profitieren sowohl die
Patientinnen und Patienten als auch die Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter", unterstrich Rundt.
"Im Gesundheitswesen der Zukunft wird es den Kirchen nicht an
Aufgaben und Herausforderungen mangeln", prognostizierte Dr.
Sebastian Schmidt-Kähler, Geschäftsführender Gesellschafter der
Patientenprojekte GmbH. Insbesondere konfessionelle Kliniken sollten
ihre Stärke nutzen, durch ihre Einbettung in die kirchlichen
Wohlfahrtsorganisationen auch die Zeit vor und nach den
Krankenhausaufenthalten mitzubedenken und die Patienten in geeigneter
Weise aufzufangen. Zudem sei die aktive Einbindung des Patienten in
medizinische Entscheidungen ein "zutiefst protestantisches Ansinnen",
das dem reformatorischen Gedanken entspreche. "Der Patient hat ein
Recht auf eine partizipative Entscheidungsfindung", unterstrich
Schmidt-Kähler.
Dr. med. Holger Stiller, Mitglied des am 11. September 2017 neu
gewählten Vorstands des DEKV sowie neuer Schatzmeister des Verbandes,
stellte auch die volkswirtschaftliche Bedeutung konfessioneller
Krankenhäuser heraus: "In Deutschland gibt es rund 600 christliche
Krankenhäuser, die 6 Millionen Patienten pro Jahr versorgen und mehr
als 260 000 Mitarbeitende beschäftigen - darunter auch viele Häuser,
die Spitzenmedizin anbieten und in Qualitäts-Rankings immer wieder
hoch platziert sind. Gewinne, die in den Häusern erwirtschaftet
werden, werden zu 100 Prozent reinvestiert und kommen damit den
Patienten und den Mitarbeitenden zugute. Wenn es unsere
konfessionellen Krankenhäuser nicht gäbe, hätte Deutschland ein
gravierendes volkswirtschaftliches Problem", sagte Stiller. Umso
wichtiger sei es, die Vielfalt in der Krankenhauslandschaft auch
finanziell zu gewährleisten. Bund und Länder müssten hier stärker
zusammenarbeiten, um insbesondere für den schwerwiegenden
Investitionsstau eine gemeinsame und langfristige Lösung zu finden.
"Die Investitionsfinanzierung muss endlich auf ein sicheres Fundament
gestellt werden, damit die Kliniken in der Lage sind, ihre Patienten
bestmöglich zu versorgen", forderte Stiller.
Der DEKV setzt seine Jahrestagung am 12. September 2017 in
Hannover fort. An diesem Tag widmet sich der Verband unter dem Motto
"Reformation verpflichtet! - Krankenhaus neu denken" insbesondere den
Themen Digitalisierung und sektorenübergreifende Versorgung. Im
DEKV-Forum "YoungProfessionals" entwickeln Nachwuchskräfte aus
verschiedenen Bereichen der Krankenhäuser eigene Ideen, um im
Klinikalltag konstruktive Anreize zu setzen.
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Anja Södler
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