Der Deutsche Bundestag schließt eine Schutzlücke
im Betreuungsrecht und lässt zwangsweise ärztliche Behandlungen
künftig auch außerhalb geschlossener Einrichtungen zu. Gleichzeitig
wird das Selbstbestimmungsrecht der Patienten gestärkt. "Dadurch
steigt die Bedeutung von Patientenverfügungen", berichtet Dr. Carsten
Walter, Geschäftsführer der Notarkammer Baden-Württemberg.
Die am 22. Juli 2017 in Kraft getretene Neuregelung war notwendig
geworden, nachdem das Bundesverfassungsgericht im Sommer letzten
Jahres die alte Rechtslage für verfassungswidrig erklärt hatte. Nach
alter Rechtslage durften unter rechtlicher Betreuung stehende
Menschen, die auf Grund einer psychischen Krankheit oder einer
geistigen oder seelischen Behinderung die Notwendigkeit einer
ärztlichen Zwangsmaßnahme nicht erkennen oder nicht nach dieser
Einsicht handeln konnten, nur dann zwangsweise ärztlich behandelt
werden, wenn sie in einer geschlossenen Einrichtung untergebracht
waren.
Es sind jedoch auch Fälle denkbar, in denen eine geschlossene
Unterbringung nicht notwendig und deshalb aus rechtlichen Gründen
nicht zulässig ist. Dies kann beispielsweise bei bewegungsunfähigen
Patienten der Fall sein. In derartigen Fällen waren Ärzte in der
Vergangenheit selbst dann an einer zwangsweisen Behandlung gehindert,
wenn die Gefahr einer schweren gesundheitlichen Schädigung bestand.
Darin sah das Bundesverfassungsgericht einen Verstoß gegen das Gebot
des staatlichen Schutzes von Leben und Gesundheit.
Um den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zu entsprechen, hat
der Gesetzgeber das Erfordernis einer Unterbringung in einer
geschlossenen Einrichtung als Voraussetzung für eine zwangsweise
ärztliche Behandlung aufgegeben. Künftig sind ärztliche
Zwangsmaßnahmen auch im Rahmen eines stationären Aufenthalts in einem
Krankenhaus möglich, in dem die gebotene medizinische Versorgung des
Betreuten einschließlich einer erforderlichen Nachbehandlung
sichergestellt ist.
Die zwangsweise ärztliche Behandlung ist jedoch nur dann zulässig,
wenn sie dem in einer Patientenverfügung niedergelegten bzw. aufgrund
anderer Äußerungen oder Umstände ermittelten Patientenwillen
entspricht. Ergibt sich aus einer Patientenverfügung, dass der
Betroffene ärztliche Zwangsmaßnahmen ablehnt, ist dieser Wunsch auch
weiterhin zu respektieren. "Dadurch wird das Selbstbestimmungsrecht
der Patienten weiter gestärkt", sagt Dr. Walter.
Die genannten Neuregelungen sind künftig auch bei der Erteilung
einer Vorsorgevollmacht zu beachten: Die Einwilligung eines
Bevollmächtigten in eine ärztliche Zwangsmaßnahme setzt voraus, dass
diese Befugnis in der schriftlich erteilten Vollmacht ausdrücklich
angeordnet ist.
Pressekontakt:
Herr Dr. Carsten Walter
Geschäftsführer Notarkammer Baden-Württemberg
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