Sie jagen von einem Termin zum nächsten und haben kaum Zeit, ein Glas Wasser zu trinken. Ein wichtiger Geschäftspartner liefert für den Jahresabschluss nötige Informationen nicht und verdirbt den Rest der guten Stimmung. Sie sind am Limit und das seit Wochen. Es scheint, als hingen überall Menschen und Dinge von Ih-ren guten Entscheidungen, Ihrem Funktionieren, ab. Die Lust an Verantwortung und am Advent kehrt sich gerade in eine Last.
Da werden Sie -im Auto sitzend - von Ihrer Schwester angerufen, die natürlich sofort hört, wie angespannt Sie sind. Sie fragt, gut gelaunt wie immer, ob Sie heute schon gelächelt hätten. Sie ärgern sich und fühlen sich und Ihre Situation nicht ernst genommen. Hat die Schwester es gut gemeint und schlecht gemacht oder gut gemeint und gut gemacht? Uns interessiert, ob und was dran ist an der Erinnerung an gute Gedanken und Gefühle in einem Monat, in dem sie das Motto überhaupt sind.
Wie uns die Lebensfreude abhandenkommt
Das, was wir mit dem Begriff negativer Stress beschreiben, ist eine automatische Anpassungsreaktion des Körpers auf unsere Lebensumstände. Wenn die Belas-tung groß genug ist, schaltet unser Gehirn in einem stufenweisen Prozess von den jüngsten Regionen immer mehr ab und landet schließlich in dem älteren "Überlebensmodus". Kampf oder Flucht bleiben nur noch als Alternativen. In einer Führungsposition oder mit Familie können Sie sich Flucht kaum leisten, deshalb bleibt der Kampf.
Woran Sie erkennen, dass Sie im "Überlebensmodus" unterwegs sind:
Sie machen sich und anderen immer mehr Druck.
Sie treffen keine langfristigen Entscheidungen, sondern löschen nur Feuer.
Sie fühlen sich schnell angegriffen.
Fröhlichkeit und Lebensfreude werden für Sie anstrengend. Bei sich und anderen.
Sie funktionieren nur noch, statt sich daran zu freuen, was Sie tun.
Sie schlafen schlecht und vernachlässigen Ihren Körper.
In diesen Zustand kommen wir z.B. weil
a) wir überlastet sind
Müdigkeit, Energielosigkeit und verlorene Lebensfreude werden durch monatelange, wenn nicht sogar jahrelange, Überforderung verursacht.
b) wir nicht ausgleichen
Wir könnten so viel leisten - wenn wir uns erholen würden. Da wir es nicht tun, sind wir umso stressanfälliger. Die Mandelkerne, die Stressverarbeitungsstellen im Gehirn, vergrößern sich und wir regen uns immer schneller auf.
c) wir ein Gehirn haben, was Probleme liebt
Menschheitsgeschichtlich diente es dem Überleben, dass wir uns auf Gefahr konzentrieren. Das hat sich heute verselbstständigt. Wir relativieren nicht mehr, wie viel Angenehmes, Sinnvolles, Schönes es gleichzeitig gibt.
d) wir Arbeit zur Droge gemacht haben
Abhängigkeit ist unter anderem dadurch gekennzeichnet, dass wir glauben, es ginge nicht anders, wir müssten alles perfekt machen und nur wir könnten dies. Wir haben scheinbar keine Alternative.
e) wir uns bei Überlastung zurückziehen
Ein wichtiges Signal, dass negativer Stress die Regie übernommen hat, ist der soziale Rückzug. Das Familienabendessen wird mental abwesend überstanden, Freunde vernachlässigt. Das ist ganz schlecht, weil das Verbundensein mit anderen ein wichtiger Gesundheits- und Erholungsfaktor ist.
Negative Emotionen haben auf unseren Körper einen viel schädlicheren Einfluss als gute ausgleichen können. Deshalb geht die positive Psychologie davon aus, dass es ein Verhältnis von mindestens 3 zu 1 von positiven zu negativen Momenten geben sollte, damit Menschen langfristig gesund und Teams erfolgreich sind. Genau dort liegt auch die Lösung. Selbst im größten Stress müssen wir uns zwingen, gut für uns zu sorgen, die Probleme relativieren und dann das immer auch vorhandene Gute, Unterstützende, Erfolgreiche sehen. Nur so können wir unser Gehirn langsam wieder auf Normalbetrieb mit besseren geistigen Ressourcen um-stellen und die Lebensqualität zurückholen.
Sie können mental umschalten und sich gute Gedanken machen
Beginnen Sie mit dem offensichtlich vorhandenen Guten und Schönen. Wenn Sie das Glück erwarten sehen Sie es auch. Wagen Sie sich dann an das Vorhandene, aber nicht Wahrgenommene und schließlich an eine neue Perspektive für scheinbar Ungünstiges oder Unangenehmes. Was hilft Ihnen dabei?
Dankbarkeit als Geisteshaltung
Dankbarkeit ist eine Orientierung auf das Gute im Leben. Dankbarkeit verhindert und heilt negative Gefühle, denn sie werden ausgeglichen, ersetzt oder finden erst gar nicht statt. Sie können nicht im gleichen Moment dankbar und bitter sein. Das heißt: Sehen Sie, was für ein gutes Leben Sie haben, und schätzen Sie, was Sie erreicht haben. Vor allem, wenn es in einem Lebensbereich nicht so gut läuft, ist es hilfreich, sich anderen Lebensbereichen mit Dankbarkeit zuzuwenden. In extremen Stresssituationen ist der Blick auf das Gute im Leben manchmal völlig verstellt. Dann hilft nur noch die bewusste Entscheidung, sich darauf zu konzentrieren.
Resilienz (Widerstandsfähigkeit) als Kraftspender
Wir alle haben schon viel in unserem Leben bewältigt, sind durch schwierige Situationen gekommen. Die Widerstandskraft gegen Schwierigkeiten entsteht auch durch den Blick auf das Gelungene. Welche eigenen Stärken, Gewohnheiten, Talente halfen bei der Krisenbewältigung? Unterstützung fördert Resilienz. Welche Kontakte sind in guten und schlechten Zeiten vorhanden? Befassen Sie sich mit Problemen, wenn sie da sind - nicht früher und auch nicht, wenn sie vorbei sind. Grübeln und sich sorgen gehören zu den größten Stressoren.
Selbstfürsorge als Energiequelle
Kümmern Sie sich gut um sich selbst. Und haben Sie dabei ein gutes Gewissen. Denn nur wenn es Ihnen gut geht haben Sie überhaupt etwas zum Abgeben. Und nur Sie wissen, was Ihnen gut tut. In einem guten Zustand haben Sie in jedem Fall mehr Widerstandskraft und sehen mehr Positives. Das Gehirn arbeitet konzentrierter und lösungsorientierter. Positives Denken kann man dabei trainieren wie einen Muskel. Da Sie im Advent wenig Zeit haben benötigen Sie nur 10 Minuten: http://www.ilonabuergel.de/positives-denken-lernen-damit-leistung-auch-gluecklich-macht/
Was wäre nun unserem Geschwisterpaar vom Anfang zu raten? Dem Gestressten: die gute Absicht zu sehen und zu fühlen und ein beziehungsfreundliches Feed-back zu geben, dass der liebevoll gemeinte Hinweis gerade gar nicht passt. Die Schwester würde optimalerweise genau das hören, was gesagt wird, und sich nicht zurückgewiesen fühlen. Dann könnten die beiden gemeinsam vielleicht sogar darüber lachen, wie schnell so eine unangenehme Situation entstehen kann. Ein kur-zer Moment der Vorfreude auf ein gemeinsames weihnachtliches Erlebnis würde das Gehirn erfrischen und fit für den nächsten Termin machen.