[pd-f] E-Bikes und die sogenannten "Fixies" gelten als die Fahrradtrends 2010. Doch längst nicht für jeden Radler sind diese Trends eine sinnvolle Richtschnur beim Fahrradkauf, mahnt Georg Stingel von der"Aktion Gesunder Rücken" (www.agr-ev.de) gegenüber dem pressedienst-fahrrad. "Für die meisten Fahrradfahrer ist es viel wichtiger, ein technisch einwandfreies Rad zu fahren, das den individuellen Bedürfnissen angepasst ist", erklärt AGR-Direktoriums-Mitglied Stingel. Denn nicht Leistung und Tempo stünden beim Radeln im Vordergrund, sondern Mobilität, Fitness und Genuss. "Das Gegenteil von Rad-Genuss ist Rückenschmerz", so Stingel weiter und schlägt den Bogen zur "Rückenschmerz Republik Deutschland", in der nicht mehr nur die "Alten" eine geschundene Wirbelsäule haben, sondern bereits der Nachwuchs unter Haltungsstörungen leidet. So klagen laut aktueller Studien bereits 48 Prozent aller elf- bis 14-jährigen über wiederholt auftretende Rückenschmerzen.
Sich unter diesen Umständen auf ein hippes Fixie zu schwingen, ist nicht sinnvoll, denn die Kombination aus Rennlenker und schmalen Hochdruckreifen, wie sie beim Fixie verbaut werden, ist wenig rückenfreundlich. "Auch E-Bikes sind nicht notwendigerweise immer komfortabel", meint Stingel und verweist auf die Bedeutung einer soliden Vollfederung für Fahrkomfort und -sicherheit. Er fordert, dass diese Komfortaspekte wieder mehr in das Blickfeld der Käufer gerückt werden und sieht den Fahrradhandel im Rahmen seiner Verkaufsberatung in der Pflicht. "Es lohnt in jedem Fall, vor dem Radkauf auch einmal ein voll gefedertes Rad ausprobiert zu haben. Dessen Fahrqualitäten sprechen für sich", sagt Heiko Müller von riese und müller, Hersteller voll gefederter Fahrräder (www.r-m.de). Diesem Urteil hat sich übrigens auch die AGR angeschlossen und als bisher einzige Fahrräder vier Modelle von riese und müller mit dem AGR-Gütesiegel ausgezeichnet. Das Gütesiegel wurde in Zusammenarbeit mit den beiden größten deutschen Rückenschulverbänden entwickelt und erhielt von ÖKO-TEST das Gesamturteil "sehr gut".
Komfort auch für die Kleinsten
Keiner käme auf die Idee, einen Kinderwagen ohne Federung zu kaufen und so achten immer mehr Eltern auch beim Kinderanhänger fürs Fahrrad auf Komfort. Neben gefederten Modellen, wie sie der Marktführer Chariot (www.chariot.de) im Programm hat, bietet sich auch ein als Zubehör erhältlicher so genannter "Babysitz" an. Der federt einer Hängematte ähnlich Stöße ab und schont damit den Rücken von Babies und Kleinkindern. "Mit dem Babysitz können Kinder bereits mit wenigen Wochen sicher und bequem im Kinderanhänger mitfahren", erklärt Reiner Kolberg vom Kindertransporterspezialisten Zwei plus zwei (www.zweipluszwei.com). Für Kinder, die bereits alleine sitzen können, gibt es eine mitwachsende "Sitzstütze", die auch schlafenden Kindern einen guten Seitenhalt bietet.
Mit Federung siegen
Dass sich selbst im Hochleistungssport, bei dem alle Aspekte aufs Gewinnen ausgerichtet sind, zunehmend voll gefederte Mountainbikes (Fullys genannt) durchsetzen, überrascht nicht. Schließlich sind selbst Formel 1-Rennwagen gefedert. Nicht vorrangig damit der Fahrer es bequemer hat, sondern weil die Federung den Bodenkontakt verbessert und so höhere (Kurven-) Geschwindigkeiten erlaubt. Im Mountainbikesport hilft der Werkstoff Carbon, das Fully auch für Wettkämpfe attraktiv zu machen. "Dank Carbon können wir extrem leichte und effektive Vollfederungen realisieren, die Gelegenheitsbiker und Wettkampffahrer gleichermaßen schnell und komfortabel durch den Wald sausen lassen", erläutert Christian Malik, Produktmanager beim Hersteller Haibike (www.haibike.de). Dessen neustes MTB-Fully "Sleek" hat mit der Mischung aus geringem Gewicht, hoher Steifigkeit und wirkungsvoller Federungskinematik für Furore gesorgt. Im vergangen Herbst erhielt es einen der begehrten "Eurobike Awards" und den angesehenen "IF Design Award". Auch renommierte Fachzeitschriften bescheinigten dem Neuling beste Fahr- und Laborwerte.
Komfort kann man auch nachrüsten
Doch nicht nur im Wald ist Vollfederung sinnvoll. Die Belastungen, die der Rücken auf Pflasterstraßen und den Buckelpisten, denen viele Radwege mangels öffentlicher Gelder mittlerweile ähneln, ertragen muss, sind immens, so Stingel. Eine Vollfederung verschaffe hier nicht nur Sicherheit beim Fahren, sondern schütze die Wirbelsäule vor den gefährlichen Belastungsspitzen.
Wer nicht gleich ein neues (voll gefedertes) Rad kaufen möchte, der kann einen gewissen Fahrkomfort auch nachrüsten. Die Bereifung spielt dabei eine Schlüsselrolle: "Mit dem richtigen Reifen und individuell angepasstem Luftdruck kann man sowohl Komfort, als auch Fahrsicherheit verbessern", erklärt Carsten Zahn vom Reifenhersteller Schwalbe (www.schwalbe.de). Er empfiehlt großvolumige Ballonreifen, wie z. B. das Modell "Big Apple". Für den Reifendruck gebe es eine einfache Faustformel. "Bei einem voll gefederten Rad sollte der maximale Reifendruck Ausgangspunkt der individuellen Anpassung sein, so bleibt der Rollwiderstand gering, für den Fahrkomfort sorgt ja die Federung. Je weniger Federung das Rad mitbringt, desto weiter sollte man den Reifendruck absenken, jedoch den auf der Reifenflanke vermerkten Minimaldruck nie unterschreiten."
"Werden solche Ballonreifen am Rad zusätzlich mit einer gefederten Sattelstütze kombiniert, so hat man das Maximale aus seinem herkömmlichen Fahrrad heraus geholt", gibt Rolf Häcker vom Ergonomie-Experten Humpert (www.humpert.com) einen weiteren Tipp für die Nachrüstung. Zudem weist er darauf hin, dass die "Formschlüssigkeit zwischen Rad und Mensch" sehr wichtig ist: Passende Lenker, Vorbauten, Griffe und Sättel sollte man in jedem Fall montieren, ungeachtet welches Rad man fährt.