fit und munter - Onkologische Praxis in Bonn-Beuel bietet Krebskranken psychosoziale Unterstützun

fit und munter

Onkologische Praxis in Bonn-Beuel bietet Krebskranken psychosoziale Unterstützun

400.000 Menschen erkranken jährlich in Deutschland an Krebs.
Die Diagnose Krebs verändert das Leben der Menschen von
einer Minute zur anderen. Gefühle der Ungewissheit, Angst,
Verzweiflung, Hoffnung verunsichern PatientInnen und
Angehörige. Alle diese Gefühle beeinflussen die Gesundheit
und zeigen, wie wichtig die gleichzeitige Behandlung von
Körper und Seele ist.
Aber nur wenige Praxen bieten psychoonkologische Betreuung
an.

Frau Dr. Reifenstein-Herzig kooperiert seit Herbst 2009 mit
dem Praxisnetzwerk Hämatologie und internistische
Onkologie am Praxisstandort in Bonn-Beuel. Sie unterstützt
Patienten und Ihre Angehörigen beim Umgang mit der
seelischen Belastung. Über ihre Arbeit mit Krebspatienten
sprach mit ihr Martina Ihrig, geschäftsführende Inhaberin der
Kommunikationsberatung für Ärzte und Kliniken aus Bad
Honnef:

Martina Ihrig: Wie kamen Sie zur Psychoonkologie?

Dr. med. Uta Reifenstein-Herzig:Als Internistin kam ich über
mein Interesse an Palliativmedizin zur Psychotherapie. Nach
entsprechenden Weiterbildungen arbeite ich inzwischen seit
einigen Jahren ausschließlich als Psychotherapeutin. In der
psychoonkologischen Arbeit kann ich auf besondere Weise
mein Wissen um körperliche Krankheiten und
Behandlungsabläufe in die psychotherapeutische Tätigkeit
einfließen lassen und den PatientInnen ein umfassendes
Verständnis ihres Erlebens entgegenbringen. Darüber
hinaus bietet eine Kooperation wie mit dem Praxisnetzwerk
um die Kollegen Dr. Forstbauer, Dr. Ziske, Frau Dr. Reihs
und Dr. Schöttker ideale Voraussetzungen, den
Bedürfnissen von Krebspatienten auf besonders vielfältige
Weise entgegen zu kommen.

Martina Ihrig: Was wollen Sie mit der psychoonkologischen
Therapie erreichen?

Dr. med. Uta Reifenstein-Herzig: Die Psychoonkologie, auch
als Psychosoziale Onkologie bezeichnet, befasst sich mit
den seelischen und sozialen Bedingungen, Folgen und
Begleiterscheinungen im Zusammenhang mit Krebs. Dies
bezieht sich auf die Betroffenen selbst, im weiteren Sinne
auch auf ihre Angehörigen und auf alle, die beruflich mit
Krebskranken zu tun haben. In meiner
psychotherapeutischen Praxis arbeite ich überwiegend mit
von Krebs betroffenen Menschen. Es geht darum, den
Menschen in seiner Erkrankung zu verstehen und ihn -
orientiert an seinem subjektiven Erleben - bei der
Krankheitsverarbeitung , der Bewältigung der begleitenden
Belastungen und der Wiederherstellung von Lebensqualität
zu unterstützen.

Martina Ihrig: Wenn Ängste überhand nehmen, wenn sich
Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit ausbreiten, kann dann
nicht auch Psychotherapie helfen?

Dr. med. Uta Reifenstein-Herzig: Bei meiner Arbeit handelt
es sich um nichts anderes als um Psychotherapie mit von
Krebs betroffenen Menschen. Allerdings geht es primär nicht
um eine konfliktzentriert-aufdeckende Beleuchtung der
Vergangenheit, sondern der Schwerpunkt liegt zunächst
und überwiegend auf einer lösungs- und
ressourcenorientierten Herangehensweise an die Probleme
der Gegenwart und der Zukunft.

Martina Ihrig: Welche Faktoren werden von Ihnen in der
Therapie besonders beleuchtet?

Dr. med. Uta Reifenstein-Herzig: Die Themen orientieren sich
an den Bedürfnissen der einzelnen PatientInnen, die ja aus
sehr unterschiedlichen Lebens- und Gefühlswelten zu mir
kommen. Häufig aber geht es dabei um emotionale
Entlastung, Umgang mit Stress, (Re-)Aktivierung von
Bewältigungsstrategien und Kraftquellen, Gestaltung von
Kommunikation und sozialen Beziehungen, Erhalt von
Autonomie und Kontrolle über das eigene Leben, das
Finden von Lebensperspektiven und um existentielle
Themen wie Sterben und Tod, Einsamkeit, Sinn.

Martina Ihrig: Was ist in den verschiedenen Phasen einer
Krebserkrankung wichtig und wie können Sie die
Betroffenen unterstützen?

Dr. med. Uta Reifenstein-Herzig: In allen Phasen geht es um
Bewältigung von Krisen und um Anpassung an die jeweils
neue Realität:
Durch die Diagnoseerfahrung erscheint von einem
Augenblick zum anderen nichts mehr so wie zuvor. Durch
diesen „Sturz aus der normalen Wirklichkeit“ sind die
PatientInnen schockiert und überfordert, vielleicht wie
gelähmt oder auch sehr übererregt. Dann geht es um Da-
Sein, Zuhören, Zulassen von Gefühlen. PatientInnen tut die
Versicherung gut, dass sie nun nicht „verrückt“ sind, sondern
ganz angemessen auf eine „verrückte“ Lebenssituation
reagieren. Das innere und äußere Chaos bedarf des
„Sortierens“, Informationen müssen wiederholt, evtl. erklärt
werden. Es geht darum, einen Umgang mit dem Stress und
der Angst zu finden und schließlich die Diagnose zu
akzeptieren, um innerlich und faktisch der notwendigen
Therapie zustimmen zu können. Die Zusicherung einer
Begleitung im weiteren Verlauf wirkt entlastend.
In der Phase der medizinischen Therapie (OP,
Chemotherapie, Bestrahlung) können Gefühle der Angst
oder Depression, der Hilflosigkeit und des Kontrollverlusts,
auch Wut oder Schuldgefühle aufkommen in Konfrontation
mit der chronischen Erkrankung, den eingreifenden
Therapien und ihren Nebenwirkungen, körperlichen
Veränderungen, anstehenden Entscheidungen und vielem
mehr. Hilfreiche Angebote sind in dieser Zeit neben dem
supportiven, zum Ausdruck von Gefühlen ermutigenden
Gespräch z.B. Erarbeitung von Strategien im Umgang mit
Stress, Symptomen, Bedürfnissen, Ressourcen; Korrektur
dysfunktionaler Gedanken und Glaubenssätze;
Entspannungstechniken; geleitete Imaginationen; Nutzung
nonverbaler Ausdrucksmöglichkeiten (kunst-, bewegungs-,
bibliotherapeutisch).
In der Phase der Remission scheint alles überstanden und
doch beginnt nun erst das Leben in Ungewissheit - über
den weiteren Verlauf, über die verbleibende Lebenszeit. Die
PatientInnen kehren einerseits zurück in ihre „Normalität“,
andererseits sind sie sich dessen bewusst, dass es nie
wieder ganz so sein wird wie vorher, nie wieder „normal“. In
dieser Phase beginnt oft erst die eigentliche
Krankheitsverarbeitung. Die Erkrankung wird im
biographischen Bezug, auch im sozialen Kontext gesehen,
und es wird wichtig, sich in Familie, Beruf, sozialem Netz neu
zu definieren und integrieren sowie sich über Ziele und
Perspektiven klar zu werden. Genutzt werden können nun
einerseits kurzfristigere (Krisen-) Gesprächs-Interventionen.
Andererseits mag zu diesem Zeitpunkt doch auch eine
längere Psychotherapie über 25-50 Stunden sinnvoll sein,
z.B. um überdauernde Konflikte oder dysfunktionale
Verhaltensweisen in ihrer Entstehung, ihrer Sinnhaftigkeit
über die Lebensspanne und ihrer heutigen Dysfunktionalität
zu erkennen und gesundheitsfördernd zu verändern.
Die Phasen des Rezidiverlebens und des Fortschreitens der
Erkrankung sind häufig geprägt von Hoffnungslosigkeit und
Depression, Angst oder Schuldgefühlen. Nun geht es
darum, den PatientInnen in ihrer Konfrontation mit dem
Sterben zur Seite zu stehen, sie zum Gespräch darüber zu
ermutigen. Ich will sie unterstützen herauszufinden, was nun
für sie wichtig ist und wie sie sich ihre ganz eigene
Lebensqualität auch in dieser Phase erhalten können.
Immer, besonders aber wenn das Sterben naht, bin ich
offen für die Themen Leben und Tod: für die Frage nach
der Gestaltung der verbleibenden Lebenszeit, für das
Betrachten gelebten Lebens wie auch ungelebter
Sehnsüchte, für Versöhnung und was es dafür braucht, für
Trauer, für Sterben und Tod, für Spiritualität, für die Frage
nach dem Sinn. In Einzelfällen sind in diesen Phasen auch
Telefon-Termine oder Hausbesuche sinnvoll.

Martina Ihrig: Wem hilft psychoonkologische Betreuung?

Dr. med. Uta Reifenstein-Herzig: Eine psychoonkologische
Begleitung kann im günstigsten Fall die PatientInnen
stabilisieren, die Angehörigen entlasten, das übrige
Behandlungsteam unterstützen. Nicht zuletzt ist für mich
persönlich diese Arbeit sehr bereichernd und Sinn-voll.

Martina Ihrig: Wo können sich Patienten hinwenden, wenn
Sie Hilfe bei der Krankheitsverarbeitung benötigen?

Dr. med. Uta Reifenstein-Herzig: Adressen von
PsychoonkologInnen sind zu finden über die Deutsche
Arbeitsgemeinschaft für psychosoziale Onkologie e.V.
(www.dapo-ev.de) oder die Arbeitsgemeinschaft für
Psychoonkologie in der Deutschen Krebsgesellschaft e.V.
(PSO) (www.pso-ag.de).
















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