Rummelsberg. Es hat Tradition, dass der Ärztliche Direktor aus dem Kranken-haus zu Jahresbeginn zum Orthopädentag einlädt. In der Regel folgen dem Ruf zahlreiche Orthopäden aus Bayern und der Region - so auch in diesem Jahr. Das klare Ziel von Prof. Dr. Richard Stangl: "Zusammen mit niedergelassenen Ärzten das bestmögliche Behandlungsergebnis für die Patienten erreichen."
Dass der Bewegungsapparat an sich bereits komplex ist, davon zeugen am Rummelsberger Krankenhaus allein die sechs unterschiedlichen orthopädischen Abteilungen, die es dort gibt. "In vielen Fällen ist orthopädische Chirurgie ein gelerntes Handwerk, Patienten zu helfen. In vielen Fällen ist es aber auch Kunsthandwerk, so dass Operateure nicht nach Schema F arbeiten können", betonte Prof. Dr. Richard Stangl, Ärztlicher Direktor am Krankenhaus Rummelsberg und Initiator des Orthopädentages. "Damit meine ich, dass zum großen Teil künstlerisches Geschick notwendig ist, um im Sinne des Patienten erfolgreich agieren zu können." Genau um dieses Geschick und das Versorgen von komplexen Fällen drehten sich alle Vorträge bei der diesjährigen Auflage des Orthopädentages, der unter dem Motto "Komplexität in Orthopädie und Unfallchirurgie" stand.
Was Fallzahlen und behandelte Krankheitsbilder betrifft, sticht Rummelsberg internationale Häuser aus
Der erste Teil der Fortbildungsveranstaltung stand unter dem Vorsitz von Dr. Karl-Heinz Conrad, dem stellvertretendem Landesvorsitzenden des bayerischen Berufsverbandes für Orthopädie und Unfallchirurgie, und von Prof. Dr. Bernd Kladny, dem Generalsekretär der deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie. Conrad lobte die traditionsreiche Veranstaltung und betonte, dass das Rummelsberger Haus bestens aufgestellt sei und die Fachgesellschaften genau so ein Engagement benötigen. Den Auftakt gab Chefarzt PD Dr. Heinrich Dorner, der sich dem komplexen geriatrischen Patienten widmete. Dabei ging der Mediziner darauf ein, dass alle im Alter ein stückweit autoimmun werden und es oftmals vielleicht eine Ursache für etwas gibt, aber viele mögliche Ansatzpunkte. Beispielsweise bei einem Sturz sei die Ursache die defizitäre Gleichgewichtskontrolle, aber die vielen Auslöser seien eine verminderte motorische Reaktivität und eine verminderte sensorische Wahrnehmung. Aus diesem Grund vertrat Dorner die Ansicht bei der komplexen Behandlung den interdisziplinären Ansatz zu vertiefen. Sein Chefarztkollege Prof. Dr. Martinus Richter stellte die komplexen Eingriffe an Fuß und Sprunggelenk in den Mittelpunkt seines Vortrages und verdeutlichte, dass sich mehr als ein Viertel aller Knochen und Gelenke am Fuß befinden. Der Mediziner konnte eindrucksvoll belegen, dass seine Abteilung im Vergleich zu internationalen Krankenhäusern gerade bei Krankheitsbildern wie der vollständig operativen Entfernung des Sprungbeins die Gehfähigkeit deutlich erhöhen konnte. Und auch was die Fallzahl bestimmter Krankheitsbilder betrifft, könne das vermeintlich "kleine Haus" Größen wie das Hospital für Special Surgery in New York deutlich ausstechen.
Knieprothese ist kein Gang zum Friseur
Prof. Dr. Dr. Wolf Drescher widmete sich dem Thema der "Differentialtherapie der Gonarthrose" und stellte klar, dass es sich dabei um einen anspruchsvollen Eingriff handelte, der in den Medien oftmals fälschlicherweise als "Gang zum Friseur" verharmlost werde. "Das vermittelt beim Patienten einen völlig falschen Eindruck, dass hier keine Komplikationen oder ähnliches entstehen können. Der Aufklärungsaspekt ist hier sehr wichtig, so dass der Patient im Vorfeld weiß, was auf ihn zukommen kann", so Drescher. Prof. Dr. Walter Strobl, Chefarzt der Klinik für Kinder-, Jugend- und Neuroorthopädie belegte die erfolgreiche Prävention durch minimalinvasive Früstbehandlung bei Hüftdysplasien und Hüftluxationen und die Tatsache, dass von 420 Patienten mit Hüftrekonstruktionen im Kindesalter knapp 360 Patienten auch nach sieben, zehn und 15 Jahren eine deutliche Verbesserung der Lebensqualität attestieren. Zum Abschluss des ersten Teils stellte Dr. Jörg Albrecht, Chefarzt der Klinik für Anästhesie und Intensivmedizin, den Skalenus-Katheter vor unter dem Titel "Ein weit verbreitetes Verfahren mit komplexem Risikoprofil". Dabei handelt es sich um ein Regionalanästhesieverfahren, das operative Eingriffe an Arm und Schulter ermöglicht. Albrecht betonte, dass es der Methode geschuldete Begleiterscheinungen gäbe, wie das Horner-Syndrom, das sich durch eine Pupillenverengung, dem Herabhängen des Oberlids und einen gering eingesunkenen Augapfel ausdrücken kann. Der Hinweis im Vorfeld eines Eingriffs auf solche möglichen Begleiterscheinungen sei zwingend erforderlich.
Thema Schulter: Richtiger OP-Ansatz muss abgewägt werden
Im zweiten Teil der Veranstaltung unter dem Vorsitz von Dr. Christian Birnmeyer, Chefarzt der Klinik für Unfallchirurgie an der Sana Klinik Pegnitz und Prof. Dr. Kolja Gelse, Leitender Oberarzt der unfallchirurgischen Abteilung am Uniklinikum Erlangen, referierte Prof. Dr. Stangl über die komplexe Ruptur der Rotatorenmanschette, welche Möglichkeiten es gibt und wie man hinsichtlich des Alters des Patienten und dessen Ansprüche die Wahl des richtigen OP-Ansatzes trifft. PD Dr. Vieweg ging auf das Iliosakralgelenk ein und darauf, dass ein Viertel der Patienten, die an Rückenschmerzen leiden, Probleme mit dem Iliosakralgelenk haben, was oftmals falsch diagnostiziert wird. Der Mediziner appellierte an die Fachkollegen, den Patienten aus einem ganzheitlichen Blickwinkel zu betrachten und auch die "restlichen Baustellen" anzugehen. Dr. Matthias Ponfick, Leitender Arzt am Querschnittzentrum, stellte die Versorgung von Patienten mit Rückenmarkverletzungen vor und betonte die Wichtigkeit, dass Betroffene in dafür vorgesehenen Zentren behandelt werden, um so die Selbstständigkeit zu erhöhen.
Industrie muss in Sachen Implantate nachbessern
PD Dr. Martin Winterholler stellte die Zusammenhänge von Parkinson und Orthopädie her und gab Hilfestellungen, wie Orthopäden Anzeichen für Parkinson feststellen können, bevor Chefarzt Dr. Lenz den Finger in die Wunde legte und eindrucksvoll Fälle vorstellte, wo Implantatversagen oder -Brüche thematisiert wurden. Lenz stellte die These auf, dass sich Implantatversagen überproportional zur gestiegenen Fall an Revisionen häufen und belegte dies eindrucksvoll mit eigenen Zahlen. Lenz richtete einen deutlichen Appell an die Industrie: "Diese Fehler werden künftig häufiger auftreten - sehr zum Leidwesen der Patienten. Aus diesem Grund ist es an der Zeit, es besser zu machen und in konstruktiven Gesprächen zu erörtern, wie das der Falls ein kann." In seinen Augen könne es nicht sein, dass sich Implantathersteller auf bestimmte Körpergewichte von Patienten beschränken. Schließlich müsse diesen ebenfalls bestmöglich geholfen werden.
Am Ende freute sich Prof. Dr. Stangl über die zahlreiche Teilnahme, die fundierten Vorträge und die anregende Diskussion und lud alle Anwesenden zum gemeinsamen Neujahresbuffet ein. "Die wissenschaftlichen Vorträge sind das eine, der ebenso wichtige Teil ist das Netzwerken. Ich wünsche Ihnen gute Gespräche", schloss Stangl die Veranstaltung.