Angesichts der Funde von multiresistenten Erregern
in niedersächsischen Flüssen, Bächen und Seen fordert das
Umweltbundesamt bessere Kontrollen der Gewässer sowie eine
Nachrüstung der Kläranlagen in Deutschland. Auch das
Bundesumweltministerium sieht hier Handlungsbedarf. Insbesondere
dort, wo das gereinigte Abwasser in sensible Gewässer wie Badeseen
oder Trinkwasserressourcen eingeleitet werde, sei eine weitergehende
Abwasserreinigung erforderlich, teilte das Ministerium dem NDR auf
Anfrage mit.
Die Untersuchung und Bewertung der Gewässerqualität sei allerdings
grundsätzlich Aufgabe der Bundesländer. Eine Untersuchung auf
multiresistente Erreger sei bislang noch nicht Gegenstand üblicher
Messmethoden, sagte Bundesumweltministerin Barbara Hendricks im
Interview mit dem NDR. "Wir würden es aber begrüßen, wenn das in
Zukunft in die Badegewässerverordnung aufgenommen würde", so
Hendricks. Das zuständige Gesundheitsministerium in Niedersachsen
sieht auf Anfrage des NDR derzeit aber hier keinen Handlungsbedarf.
Der NDR hatte exemplarisch an mehreren Orten in Niedersachsen
Wasser- und Sedimentproben genommen. Überall fanden sich
multiresistente Bakterien, gegen die viele Antibiotika nicht mehr
wirken. Wie stark Gewässer belastet sind, ist weitgehend unbekannt,
da es bislang keine systematischen Kontrollen auf solche Erreger
gibt. Nach Ansicht von Ärzten und Wissenschaftlern besteht die
Gefahr, dass sie sich dort anreichern und weiter verbreiten.
"Wir sehen da große Risiken", sagte die Präsidentin des
Umweltbundesamts Maria Krautzberger dem NDR. Insbesondere Abwässer
von Kliniken und Altenheimen sollten deshalb stärker überwacht
werden. Auch sei es dringend erforderlich, Klärschlamm und Gülle auf
das Vorkommen von Antibiotika und resistenten Keimen zu untersuchen.
Kläranlagen sollten nach Auffassung des Umweltbundesamts mit einer
zusätzlichen Reinigungsstufe ausgestattet werden. Die Techniken dafür
seien vorhanden, so Maria Krautzberger. Es fehle aber an den
gesetzlichen Grundlagen, um sie einzuführen. Das Umweltbundesamt
schätzt, dass dafür jährlich etwa 1,3 Milliarden Euro aufgebracht
werden müssten.
Krautzberger: "Wir haben das berechnet für alle großen
Kläranlagen, mit denen wir dann immerhin 90 Prozent aller Abwasser
erfassen würden." Für jeden Einwohner wären das ungefähr 16 Euro pro
Jahr. "Wenn ich den Gewinn an Umweltvorsorge und an Risikominimierung
dagegen stelle, sind das Mittel, die man durchaus in Erwägung ziehen
sollte, auch zum Schutz des Einzelnen", so Krautzberger.
Die mehr als 10.000 Klärwerke in Deutschland sind derzeit nicht
dafür ausgerüstet, Bakterien komplett herauszufiltern. Nur einzelne
Anlagen wurden versuchsweise mit einer zusätzlichen Reinigungsstufe
ausgestattet. Studien haben gezeigt, dass im Ablauf von Klärwerken
teils große Mengen an multiresistenten Keimen zu finden sind.
Eine weitere mögliche Quelle für resistente Erreger in der Umwelt
ist die Landwirtschaft - etwa über Gülle oder Mist können sie auf
Felder und somit ins Wasser gelangen. Die Wissenschaftler des
Universitätsklinikums Gießen haben bei einigen Bakterien eine
Genom-Anaylse durchgeführt. Einige der gefundenen Erreger seien laut
Dr. Can Imirzalioglu vom Universitätsklinikum Gießen klar dem
veterinärmedizinischen Bereich zuzuordnen.
Besonders besorgniserregend ist nach Ansicht von Wissenschaftlern
der Fund von bestimmten Resistenz-Genen, den sogenannten mcr-1-Genen,
an fünf der zwölf Probenorte. Bakterien mit diesem Gen sind gegen das
wichtige Reserve-Antibiotikum Colistin resistent. Dass es so häufig
in der Umwelt vorkomme, sei überraschend und ein alarmierendes
Ergebnis, so Dr. Tim Eckmanns vom Robert-Koch-Institut. Colistin wird
von Ärzten bislang nur selten, in lebensbedrohlichen Situationen,
eingesetzt. In der Tierhaltung wird es allerdings in großen Mengen
verwendet. Deshalb vermuten Wissenschaftler, dass die Resistenzen
gegen das Mittel aus Ställen in die Umwelt gelangen.
Mehr zum Thema in der Sendung "Panorama - die Reporter" am
Dienstag, 6. Februar, um 21.15 Uhr im NDR Fernsehen.
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