Ja, es gibt sie wirklich! Die Mitmenschen, die ein Stück Torte nur anschauen müssen und schon landet es auf der Hüfte. Die, denen es schwerfällt, ihr Gewicht zu halten, obwohl sie immer wieder behaupten, sie würden doch gar nicht mehr essen als andere. Bisher wurden sie belächelt. Doch nun bekommen sie Rückendeckung aus der Mikrobiomforschung. Denn offensichtlich gibt es tatsächlich deutliche Unterschiede in der Zusammensetzung der Darmflora zwischen guten und schlechten „Futterverwertern“.
Darauf stieß ein Forscherteam um den Biologen Jeffrey Gordon in den Laboren der Washington Universität in St. Louis. Vergleiche der Darmflora von fettleibigen Mäusen und ihren mageren Geschwistern sowie von adipösen und schlanken menschlichen Probanden belegen, dass bei Adipositas das Verhältnis der beiden dominierenden Bakterienstämme Bacteroidetes und Firmicutes in Schieflage gerät. „Die Zusammensetzung unserer Darmflora ist dafür verantwortlich, wie gut oder schlecht wir unser Essen ausnutzen und wie viele Kalorien aus der Nahrung gezogen werden,“ erklärt Prof. Dr. Michaela Axt-Gadermann, Autorin des Ratgebers „Schlank mit Darm“ (Südwest Verlag). „Nimmt die Zahl der „Moppelbakterien“ nur um 20 % zu, dann werden Tag für Tag 10 % mehr Kalorien in den Körper geschleust.“ Das hört sich zunächst nicht viel an, summiert sich aber im Laufe eines Jahres auf rund acht zusätzliche Kilos. Gleichzeitig geht mit steigenden Pfunden die bakterielle Vielfalt im Verdauungstrakt verloren und das ist schlecht für unsere Gesundheit.
Übergewicht durch Darmflora übertragbar
Nun stellt sich die Frage nach der Henne und dem Ei. Haben Übergewichtige eine andere Darmflora, weil sie sich anders ernähren, häufiger zu Fastfood und Süßigkeiten greifen? Oder tragen die Mikroorganismen im Darm tatsächlich die Schuld, wenn man die Pfunde nicht mehr los wird und das Abnehmen schwer fällt? Antworten darauf gab die Übertragung von Kotpellets übergewichtiger Mäuse auf ihre schlanken Artgenossen. Innerhalb kürzester Zeit legten diese – bei gleichem Futter – deutlich an Gewicht zu. Um genetische Faktoren auszuschließen, suchte man nun menschliche Zwillingspaare, von denen einer schlank war und der andere zu Übergewicht neigte und transferierte deren Darmkeime auf zwei Gruppen schlanker Mäuse. Wie erwartet wurden die Tiere mit dem „dicken“ Mikrobiom rasch adipös, die anderen futterten die gleiche Menge Körner und blieben dennoch rank und schlank. Beobachtungen beim Menschen lassen inzwischen die gleichen Schlüsse zu.
Ernährungsfehler locken Moppelbakterien
Doch was stört die natürliche Balance im Darm? Der Verdacht fällt schnell auf unseren modernen westlichen Lebensstil mit einer ballaststoffarmen und fettreichen Ernährung. „Die schlankmachenden Keime im Darm benötigen spezielle Pflanzenfasern, so genannte Präbiotika, um zu wachsen und zu gedeihen“, erklärt die Medizinerin Axt-Gadermann, die an der Hochschule Coburg unterrichtet. Enthalten sind diese unter anderem in Hülsenfrüchten, Pastinaken, Schwarzwurzeln, Endiviensalat und Lauchgemüse, Nahrungsmittel also, die man in der modernen Fastfoodküche meist vergeblich sucht.
Antibiotika fördern Übergewicht
Aber auch Antibiotika haben die Mikrobiomforscher ins Visier genommen, denn nichts stört den Darmfrieden so nachhaltig wie die Keimkiller. Aus der Viehzucht weiß man seit den 1940er Jahren, dass niedrig dosierte Antibiotika zu schnelleren Masterfolgen führen. Auch beim Menschen lassen sich die Folgen an der Waage ablesen: Babys, die in den ersten 6 Lebensmonaten Antibiotika erhielten, waren im Alter von drei Jahren sowie zur Einschulung häufiger übergewichtig. Erwachsenen geht es – trotz ihrer deutlich stabileren Darmflora – ähnlich. Von 48 Männern, die sich nach einer Operation einer sechswöchigen Antibiotikabehandlung unterziehen mussten, wiesen ein Jahr später 17 Personen einen Anstieg des BMI (Body Mass Index) um mehr als zehn Prozent auf, 5 waren sogar adipös geworden. Bei den 48 Männern der Vergleichsgruppe, die keine Medikamente erhielten, ließ sich nur bei einer Person eine Gewichtszunahme feststellen.
„Kümmert man sich nach einer Antibiotikabehandlung nicht um die Regeneration der Darmflora, dauert es mindestens sechs Monate, bis der ursprüngliche Zustand weitgehend wiederhergestellt ist. Bei zwei oder mehr Therapien innerhalb eines Jahres weist die Reihe der Mikroorganismen auch zwei Jahre später noch deutliche Lücken auf, die dann nicht selten von Stämmen besetzt werden, die Entzündungen und Stoffwechselstörungen fördern. Der Aufbau der Darmflora durch ein synbiotisches Präparat (Kombination aus präbiotischen Ballaststoffen und probiotischen Bakterien) ist deshalb nach jeder Antibiotikaeinnahme sinnvoll.
Darmflora reagiert schnell auf gesunde Ernährung
Was liegt also näher, als Ordnung in den Darm zu bringen, wenn man abnehmen möchte? Wird die Ernährung umgestellt, lassen sich bereits nach wenigen Tagen messbare Veränderungen feststellen. Die Diversität der Darmflora nimmt zu, das Verhältnis zwischen schlankmachenden Bacteroidetes und Übergewicht fördernden Firmicutes entwickelt sich günstig und Entzündungen gehen zurück, sobald mehr präbiotische Ballaststoffe und weniger Fett, Süßstoffe und Emulgatoren auf den Teller kommen. Unterstützt werden kann diese günstige Entwicklung auch durch Synbiotika, also Nahrungsergänzungspräparate, die sowohl darmfreundliche Keime als auch Präbiotika als „Bakterienfutter“ enthielten. „In eigenen Studien konnten wir nachweisen, dass sich mit Hilfe des Synbiotikums „Madena Darmkur“ das gestörte Verhältnis zwischen den Moppelbakterien und den schlank machenden Keimen innerhalb von vier Wochen günstig verändern ließ und die Studienteilnehmer ab der sechsten Woche sehr viel mehr Gewicht verloren, als die Personen, die ein wirkungsloses Plazebo bekamen,“ berichtet Professor Axt-Gadermann. „Etwas weniger Hygiene, etwas mehr Schmutz, etwas weniger Stress, etwas mehr Bewegung und häufiger mal wieder selber kochen – das alles kann dazu beitragen, aus einer öden Darmflora wieder blühenden Bakterien-Landschaften zu machen.“ Durchhaltevermögen ist aber notwendig, denn bis sich das Mikrobiom dauerhaft stabilisiert hat, kann es Monate dauern.