Mit dem diesjährigen Motto
"Schmerzmedizin 4.0 - Digitalisierung / Vernetzung / Kommunikation"
greift die Deutsche Gesellschaft für Schmerzmedizin e.V. (DGS) beim
29. Schmerz- und Palliativtag Themen auf, die alle Beteiligten in
naher Zukunft noch viel beschäftigen werden: Wo sind die Grenzen des
aktuell technisch Machbaren? Wo bewegen wir uns in ethischen
Grenzbereichen der Medizin? Durch eine enge Verknüpfung von
Kommunikation, im Sinne einer stärkeren direkten Interaktion von
Betroffenen und Ärzten und dem Ziel, die Versorgung von Menschen mit
akuten oder chronischen Schmerzen flächendeckend zu verbessern und zu
individualisieren, ist Digitalisierung wirklich sinnvoll, so das
Fazit der Deutschen Gesellschaft für Schmerz- und Palliativmedizin
(DGS) e.V. bei der Auftakt-Pressekonferenz in Frankfurt.
"Schmerzmedizin 4.0 beschreibt aus meiner Sicht eine Entwicklung,
die uns aus der Beschaulichkeit etablierter medizinischer
Versorgungslandschaft reißt", erklärte der DGS- und Kongresspräsident
Dr. med. Gerhard H. H. Müller-Schwefe zu Beginn der
Auftakt-Pressekonferenz. Insbesondere die Situation, in der sich
Patienten mit chronischen Schmerzen mangels eines umfassend
weitergebildeten "Facharztes für Schmerzmedizin" befinden, erfordert
sowohl bei der Diagnostik als auch in der Therapie, über aktuelles
Wissen und Fähigkeiten hinaus, intensive Kooperation, Kommunikation
und Vernetzung. "Dem steht ein völlig überlastetes, zähes
arztzentriertes Versorgungssystem mit hohen Verzögerungen entgegen",
so Müller-Schwefe. Nach wie vor stehen der hohen Zahl an betroffenen
Menschen nur etwas über tausend spezielle Schmerztherapeuten
gegenüber, von denen weniger als die Hälfte überwiegend
Schmerzpatienten behandeln. Nach Einschätzung der Experten wird sich
"diese grotesk unzureichende Versorgungslage" in einer rapide
alternden Gesellschaft noch weiter verschlechtern. Im Jahr 2050
erwarten Experten eine Verdreifachung der Menschen, die über 90 Jahre
alt sind und in der überwiegenden Mehrzahl pflegebedürftig sind und
Schmerzen haben. Wie soll eine Lösung dieses gigantischen Problems
aussehen, wenn die Versorgung schon jetzt defizitär ist und kein
ausreichender Nachwuchs in Sicht ist? "Die gegenwärtigen Arbeits- und
Vergütungsstrukturen in der Schmerzmedizin müssen dringend
attraktiver gestaltet werden", erklärte dazu Dr. med. Oliver Emrich,
DGS-Vizepräsident. Nur so gibt es eine Chance, die jungen Mediziner
dafür zu begeistern, sich den Patienten anzunehmen, die bereits beim
Orthopäden, Neurologen, Internisten, Onkologen, Geriater oder
Allgemeinmediziner waren und als "austherapiert" gelten. "Nach
aktuellen Zahlen sind das über drei Prozent der in Deutschland
lebenden Menschen." Eine finanzielle Unterstützung der
Weiterbildungsassistenten entsprechend der Förderung für
Allgemeinmediziner könnte hier einen entscheidenden Beitrag leisten.
"Bisher ruhen die finanziellen Lasten der Weiterbildung zur
speziellen Schmerztherapie im ambulanten Bereich ausschließlich auf
den weiterbildenden Kollegen", erklärte Emrich.
Mehr Interaktion durch digitale Dokumentationsplattformen
Die Zukunft der Schmerzmedizin liegt aber nicht nur in der
Verbesserung der Ausbildung von Ärzten und der Sicherstellung der
Versorgung in der Breite, sondern vor allem in der intelligenten
Nutzung von Innovationen im Versorgungsalltag. Ärzte und Patienten
ziehen optimierten Nutzen aus digitalen Anwendungen. Wichtige Themen
sind dabei auch das Einbinden von Social Media und Smartphones sowie
ein zukunftsgerichtetes multimodales Versorgungs- und
Schmerzmanagement. Um die Versorgungslage der Patienten realistisch
abbilden zu können, vernetzt die DGS als führende
Versorgergesellschaft mit dem digitalen "DGS-PraxisRegister Schmerz"
bisher als einzige Fachgesellschaft anonymisiert Patientendaten und
fachliche Expertise. Bis heute wurden insgesamt von den Nutzern des
PraxisRegisters circa 190.000 Behandlungsfälle über das
iDocLive®-System dokumentiert und rund 850.000 Patientenbefragungen
durchgeführt. Im Dezember 2017 nutzten rund 3.500 Betroffene das
Dokumentationstool zur Evaluation ihrer Schmerzen. "Damit haben wir
eine ausreichende Grundlage geschaffen, um effiziente
Versorgungsforschung zu betreiben", berichtete PD Dr. med. Michael A.
Überall, DGS-Vizepräsident und Präsident der Patientenorganisation
Deutsche Schmerzliga e.V. (DSL). Universell nutzbare elektronische
Dokumentationsplattformen bauen Kommunikationsbarrieren und
Wissenslücken ab und versetzen damit alle an der Versorgung
Beteiligten (auch Patienten) auf den gleichen Kenntnisstand,
erklärten die Experten. Nur so besteht eine Chance, alte
Versorgungsstrukturen aufzubrechen und etablierte Berufsbilder zu
revolutionieren.
Orientierungshilfe für eine patientenorientierte
schmerzmedizinische Versorgung
Seit über 30 Jahren vertritt die DGS die Belange der überwiegend
ambulant tätigen Schmerzmediziner sowie des beteiligten
Fachpersonals. Das Angebot der DGS als Fachgesellschaft für
schmerzmedizinische Versorgung besteht aus qualifizierten
Fortbildungen, der Dokumentation sowie der Unterstützung im Umgang
mit den Krankenkassen. Wie wichtig es ist, Ärzten, Patienten und
Krankenkassen eine Orientierungshilfe an die Hand zu geben, erklärte
DGS-Vizepräsident Dr. med. Johannes Horlemann anhand des Einsatzes
von Cannabis in der Schmerzmedizin: "Seit der Gesetzesänderung Anfang
2017, durch die Cannabinoide zulasten der Krankenkassen verordnet
werden dürfen, tauchen immer wieder neue Fragen auf - sei es bei der
Auswahl der Darreichungsform, der Dosierung, den Indikationen oder
auch beim Verordnungsprozedere", so seine Erfahrung aus der Praxis.
Auch in der Prävention gibt es aus Sicht der Experten noch großen
Aufklärungsbedarf: "Es könnte weitaus häufiger bereits frühzeitig
eine Schmerzbehandlung auch bei Erkrankungen in Betracht gezogen
werden, die zunächst gar nicht mit Schmerzproblemen assoziiert
werden. Dazu gehören Parkinson, Apoplexie, Demenz und auch Diabetes.
Hier gibt es eine hohe Prävalenz von Schmerzen, die vermeidbar
wären", erklärte Emrich. Selbst in der Onkologie, in der
tumorbedingte Schmerzen sehr häufig auftreten, kommt der präventiven
Schmerzbehandlung eine viel zu geringe Bedeutung zu. "Unsere Aufgabe
ist es daher, Ärzten, Patienten und Krankenkassen wirksame
Hilfestellungen anzubieten", erklärte Horlemann.
Die DGS arbeitet mit Hochdruck an neuen Praxisleitlinien, die
nicht nur auf einer umfassenden Recherche und Analyse der verfügbaren
wissenschaftlichen Daten, sondern auch auf den umfangreichen
Erfahrungen schmerz- und palliativmedizinisch tätiger Ärzte basieren.
Somit erhalten die Behandelnden einen fundierten Überblick über den
gegenwärtigen Stand der medizinisch-wissenschaftlichen Forschung auf
allen Gebieten der Schmerzmedizin. Aktuell erstellte PraxisLeitlinien
- unter anderem zu Cannabis - sind zur Kommentierung bzw.
Konsentierung freigegeben und auf der Internetseite der DGS
einsehbar.
Das Ziel: Gemeinsam mobilisieren, koordinieren und kooperieren
Zusammen mit der Patientenorganisation Deutsche Schmerzliga e.V.
(DSL) hat die DGS bereits wichtige Schritte getan, um der Politik,
den Krankenkassen, den KVen und Ärztekammern die besonderen Probleme
chronisch erkrankter Schmerzpatienten sowie die Notwendigkeit ihrer
flächendeckenden und qualitativ hochwertigen Versorgung bewusster zu
machen. Daran anknüpfend hat die DGS mit der sogenannten "Agenda
2020plus" ein konkretes Programm mit fest definierten Zielen
aufgesetzt:
- das bestehende Netzwerk durch Hinzugewinnen
schmerzinteressierter Versorgungspartner (Netzwerkapotheke
Schmerz, Schmerzkompetenz Physiotherapie, etc.) vergrößern
- das qualifizierte und zertifizierte Weiterbildungsangebot für
algesiologische Fachassistenten, Pain Care Assistants und Pain
Nurses erweitern
- das Interesse des medizinischen und pflegerischen Nachwuchses
für die schmerzmedizinische Arbeit in Klinik und Praxis wecken
Auch gesundheitspolitisch wird die DGS sowohl auf Bundes- als auch
Landesebene noch stärker in Erscheinung treten, um die Interessen von
Schmerzpatienten und Schmerzmedizinern nachhaltiger vertreten zu
können. Ein erster wichtiger Schritt ist die Gründung einer
gemeinsamen Initiative mit allen relevanten Fachgesellschaften. Den
Auftakt bildet der Deutsche Schmerz- und Palliativtag, erstmalig
werden sich hier Vertreter der DGS/DSL, der Deutschen
Schmerzgesellschaft (DGSS) und des Berufsverbandes der Ärzte und
Psychologischen Psychotherapeuten in der Schmerz- und
Palliativmedizin in Deutschland (BVSD) treffen, um
fachverbandsübergreifend gemeinsame Versorgungsziele zu formulieren -
analog der Palliativmedizin, die sich aus der Schmerztherapie heraus
entwickelt hat und eine nationale Aufgabe geworden ist.
Der Deutsche Schmerz- und Palliativtag ist mit seinen fast 2.000
Teilnehmern der größte deutsche Versorgungskongress für den Bereich
Schmerz. Hier können Ärzte, Apotheker, Physiotherapeuten und andere
medizinische Berufsgruppen die zahlreichen Veranstaltungen nutzen, um
über neue Erkenntnisse aus der Schmerzmedizin zu diskutieren und sich
fortzubilden. Darüber hinaus bieten Exzellenz-Vorträge die
Möglichkeit zum übergreifenden Austausch. Mit seiner praxisrelevanten
Ausrichtung gibt der Schmerz- und Palliativtag alltagstaugliches
schmerzmedizinisches Wissen und Fähigkeiten an die Hand - direkt aus
der Forschung in die tägliche Arbeit. Veranstalter sind die Deutsche
Gesellschaft für Schmerzmedizin e.V., die Deutsche Gesellschaft für
Interdisziplinäre Palliativversorgung e.V. und die Deutsche
Schmerzliga e.V.
Weitere Informationen
www.schmerz-und-palliativtag.de
www.dgschmerzmedizin.de
www.schmerzliga.de
Pressekontakt:
Selinka/Schmitz Public Relations GmbH
Nicole Zeuner
Weinsbergstr. 118a · 50823 Köln
Tel. 0221-94999-80 · Fax 0221-94999-79
nicole.zeuner@selinka-schmitz-pr.de
Geschäftsstelle
Deutsche Gesellschaft für Schmerzmedizin e.V.
Lennéstraße 9 · 10785 Berlin
Tel. 030-8562188-0 · Fax 030-22185342
info@dgschmerzmedizin.de
www.dgschmerzmedizin.de
Original-Content von: Deutsche Gesellschaft für Schmerzmedizin e.V., übermittelt durch news aktuell