Bei der Krankenhausplanung in Deutschland ist es
schon heute möglich, die Klinikstrukturen qualitätsorientiert zu
zentralisieren und zu spezialisieren. Darauf weisen der
AOK-Bundesverband und das Wissenschaftliche Institut der AOK (WIdO)
bei der Vorstellung des Krankenhaus-Reports 2018 zum Thema "Bedarf
und Bedarfsgerechtigkeit" hin. Das Krankenhaus-Strukturgesetz hat den
Bundesländern dafür schon vor zwei Jahren umfangreiche Möglichkeiten
eingeräumt. Doch die Länder machen nur zögerlich davon Gebrauch.
Deshalb schlägt der AOK-Bundesverband ein gemeinsames Zielbild von
Bund und Ländern für das Jahr 2025 vor. "Das Zielbild 2025 sollte
festhalten, wo wir mit der stationären Versorgung am Ende der
nächsten Legislaturperiode stehen möchten", so Martin Litsch,
Vorstandsvorsitzender des AOK-Bundesverbandes. "Dabei geht es nicht
vorrangig um die Frage, wie viele Kliniken es am Ende deutschlandweit
gibt. Ein deutlicher Schritt wäre es bereits, wenn zukünftig Kliniken
mit mehr als 500 Betten nicht mehr die Ausnahme, sondern die Regel in
der Krankenhauslandschaft bilden."
In Nordrhein-Westfalen wird der Wandel in der Krankenhausplanung
bereits umgesetzt. Der Gesundheitsminister von Nordrhein-Westfalen,
Karl-Josef Laumann, sagt dazu: "Bei den Planungen standen bisher
oftmals die Bettenzahlen im Fokus. In Zukunft muss mehr die Qualität
im Fokus stehen. Für die Patientinnen und Patienten kommt es
maßgeblich auf die Ergebnis-Qualität der Leistungen an.
Nordrhein-Westfalen will auch hier seinen Beitrag leisten, um diesen
Prozess für eine gute Krankenhausversorgung gewinnbringend zu
begleiten."
Aktuelle Analysen des WIdO zeigen unter anderem am Beispiel von
Darmkrebsoperationen, dass die Versorgung der Patienten durch eine
Zentralisierung deutlich verbessert werden könnte. 2015 sind in
Deutschland rund 44.000 Darmkrebsoperationen in mehr als 1.000
Krankenhäusern vorgenommen worden. Doch von allen Kliniken, die diese
Operation angeboten haben, führte ein Viertel den Eingriff maximal 17
Mal im Jahr durch, ein weiteres Viertel hatte zwischen 18 und 33
Eingriffe. Unter der Annahme, dass nur noch zertifizierte Zentren
bzw. Krankenhäuser, die mindestens 50 Darmkrebsoperationen
durchführen, diese Leistung erbringen dürften, blieben bundesweit 385
Kliniken für die operative Versorgung übrig. Auf dieser Grundlage
würde sich der mittlere Anfahrtsweg für Patienten bundesweit von acht
auf gerade einmal 16 Kilometer verlängern. Im dicht mit
Krankenhäusern versorgten Nordrhein-Westfalen (NRW) würde der
mittlere Anfahrtsweg von sechs auf lediglich zehn Kilometer steigen.
Die höchsten mittleren Fahrwege ergeben sich mit 33 Kilometern in
Mecklenburg-Vorpommern. Letztlich wären es nur wenige Regionen in
Deutschland, für die bei diesem Szenario etwas längere Wege anfallen.
Heute haben 0,03 Prozent der Bevölkerung einen Anfahrtsweg, der
länger als 50 Kilometer ist. Dieser Anteil würde sich auf 2,5 Prozent
erhöhen.
"Nicht nur bei Krebsoperationen, auch bei anderen planbaren
Eingriffen wie Hüftprothesenoperationen und sogar in der
Notfallversorgung ist eine stärkere Zentralisierung nötig und
möglich, wie die Analysen des WIdO zeigen", sagt Jürgen Klauber,
Mitherausgeber des Krankenhaus-Reports und WIdO-Geschäftsführer.
"Wenn sich die Therapiequalität erhöht und Überlebenschancen besser
werden, sollten etwas längere Fahrstrecken kein Thema sein. Wir
wissen aus Befragungen, dass die Menschen schon jetzt längere Wege in
Kauf nehmen, um in guten Krankenhäusern versorgt zu werden."
Auf die Notwendigkeit einer zentralisierten Krankenhausversorgung
weist auch Prof. Dr. Reinhard Busse von der Technischen Universität
Berlin hin: "Die Diagnose, dass die mangelnde Konzentration von
stationären Fällen zu unnötigen Todesfällen führt, wird von der
Politik mittlerweile akzeptiert, auch wenn es mit der Therapie noch
hapert." So wäre es notwendig, Patienten mit Verdacht auf einen
Herzinfarkt nur in Krankenhäuser mit einer Herzkathetereinheit
einzuliefern und dort zu behandeln. Von den fast 1.400
Krankenhäusern, die Patienten mit Herzinfarkten behandeln, weisen
weniger als 600 eine solche Einheit auf. Das gleiche gilt für die
Behandlung von Schlaganfällen. Nur gut 500 der 1.300 Kliniken, die
Schlaganfälle derzeit behandeln, weisen entsprechende
Schlaganfalleinheiten (Stroke Units) auf. Gleichzeitig müsste in
beiden Fällen garantiert sein, dass das Krankenhaus rund um die Uhr
über entsprechende Fachärzte verfügt. Würden die Neurologen und
Kardiologen so auf die Krankenhäuser verteilt werden, dass immer
genau ein Facharzt verfügbar ist, würde es für jeweils nur rund 600
Krankenhäuser reichen. Busse: "Die Therapie kann also nicht lauten,
jetzt noch die jeweils anderen rund 800 Krankenhäuser mit
Schlaganfall- und Herzkathetereinheiten auszustatten."
Diese Situation betrifft auch die Pflegekräfte, wie der
AOK-Bundesverband betont. "Wir haben nicht genügend Personal, um alle
heute existierenden Klinikstandorte so auszustatten, dass sinnvolle
Personalanhaltszahlen oder Personaluntergrenzen gut umgesetzt werden
können. Dieses Personal wird auch nicht kurzfristig auf dem
Arbeitsmarkt verfügbar sein, egal ob es 8.000 oder 80.000 sind", so
Martin Litsch. Auch deshalb ist die Zentralisierung der
Krankenhausstrukturen sinnvoll. In der Diskussion um eine bessere
Bezahlung der Pflegekräfte drängt die AOK auf mehr Transparenz
darüber, welche Gelder der Krankenhausfinanzierung für das
Pflegepersonal gedacht sind und ob diese Gelder auch an den richtigen
Stellen ankommen. Um dieses Mehr an Transparenz zu erhalten, dürfe
das bewährte System der Fallpauschalen jedoch nicht als Ganzes in
Frage gestellt werden.
Auf die große Relevanz des medizinischen Personals weist auch
Gesundheitsminister Laumann hin: "Wir brauchen sowohl für die
stationäre als auch für die ambulante Versorgung ausreichend gut
ausgebildetes Personal im Gesundheitswesen, und zwar im ärztlichen
genauso wie im pflegerischen Bereich. Gerade im pflegerischen Bereich
muss sich hier noch einiges tun."
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