Deutsche Umwelthilfe veröffentlicht Ergebnisse der
ersten eigenen bundesweiten Messaktion "Decke auf, wo Atmen krank
macht" - Höchste Belastung der Luft im Februar in Berlin, Alsfeld,
Stuttgart, Köln und Düsseldorf - 89 Prozent der 559 DUH-Messstellen
zeigen gesundheitlich bedenkliche Belastungen der Atemluft mit dem
Luftschadstoff Stickstoffdioxid (NO2) von über 20 µg/m³ - DUH führt
amtliche NO2-Werte und Citizen Science Messergebnisse zur
NO2-Belastung in einer ersten Gesamtdarstellung zusammen - Aufgrund
mehrerer neutraler Studien über die Gesundheitsgefahren durch NO2 bei
niedrigen Konzentrationen, fordert die DUH die Absenkung des
NO2-Luftqualitätswertes der EU auf 20 µg/m³
Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) hat vom 1. Februar bis 1. März 2018
an 559 Messorten die Belastung der Atemluft mit dem Dieselabgasgift
Stickstoffdioxid (NO2) mithilfe von Passivsammlern gemessen. Die
Umwelt- und Verbraucherschutzorganisation hat damit mehr als doppelt
so viele verkehrsnahe neue Messorte untersucht, wie das behördliche
Messnetz insgesamt aufweist. Die Ergebnisse zeigen eine erschreckend
hohe NO2-Belastung der Atemluft. An 89 Prozent der Messorte wurden
gesundheitlich bedenkliche NO2-Werte mit über 20 µg/m³ nachgewiesen.
Die betroffenen Städte werden von der DUH aufgefordert, umgehend
wirksame Minderungsmaßnahmen einzuleiten. Dabei müssen sie eine
Unterstützung durch die Bundesregierung erhalten, die bislang ihre
finanzielle Hilfe auf wenige Dutzend Städte mit amtlich
festgestellten NO2-Grenzwertüberschreitungen begrenzt. Angesichts der
aktuellen Studienlage ist zudem eine Absenkung des Jahresmittelwertes
auf 20 Mikrogramm (µg) NO2 pro Kubikmeter (m³) erforderlich.
Insgesamt wurden bei der DUH-Messaktion 67 neue Hot Spots mit
Überschreitungen des derzeitigen EU-Grenzwerts für NO2 von 40 µg /m³
identifiziert. An 181 Standorten wurden 30 bis 40 µg/m³gemessen und
251 Standorte mit 20 bis 30 µg/m³. Nur an 60 Standorten lagen die
NO2-Werte unter 20 µg/m³.
Tatsächlich sind die Belastungen sogar noch höher als im Februar
2018 von der DUH gemessen. Aufgrund des starken Kälteeinbruchs
während ca. der Hälfte des Messzeitraums liegt der von den
Passivsammlern ermittelte Wert ca. zehn Prozent unter dem
tatsächlichen Wert. Das haben Referenzmessungen an den offiziellen
Messstationen, der Vergleich mit den Februar-Messungen des
Umweltbundesamtes (UBA) sowie die mit der Analyse betrauten
Wissenschaftler des schweizerischen Analyselabors Passam AG
bestätigt. Die DUH veröffentlicht die gemessenen Zahlen unverändert,
da auch so die gesundheitlich problematische Belastung deutlich wird.
Nur für 58 Messstellen, die NO2-Werte zwischen 35 und 40 µg/m³
ergeben haben, wird die DUH zeitnah Nachmessungen durchführen.
Auslöser der DUH-Messaktion "Decke auf, wo Atmen krank macht" ist
der ausbleibende Schutz der Bevölkerung in diesen Orten vor dem
Luftschadstoff NO2. Außerdem hat Bundeskanzlerin Angela Merkel
verkündet, die finanzielle Hilfe der Bundesregierung für die "Saubere
Luft" auf die Städte mit amtlich festgestellten
Grenzwertüberschreitungen zu beschränken. Dabei umfasst das Netz der
behördlichen verkehrsnahen Messstationen mit 147 überwachten Städten
nur etwa ein Prozent der insgesamt 11.092 Städte und Gemeinden in
Deutschland.
Um über das Ausmaß des Problems der Belastung unserer Atemluft mit
dem Dieselabgasgift NO2 zu informieren, hat die DUH neben ihren
eigenen Ergebnissen auch alle bereits öffentlich über das
Umweltbundesamt zugänglichen amtlichen Messungen sowie Untersuchungen
des Verkehrsclub Deutschland (VCD), der Rundfunkanstalten rbb und SWR
sowie des Vereins Green City aus München in einer interaktiven Karte
zusammengetragen. Das Ergebnis der Gesamtbetrachtung: 1.111
Messstellen in 426 Städten und Gemeinden zeigen gesundheitlich
bedenkliche NO2-Belastungen der Atemluft mit Werten von über 20
µg/m³. An 350 Messstellen in 121 Städten und Gemeinden zeigen die
Ergebnisse sogar Überschreitungen des NO2-Luftqualitätswerts von 40
µg/m³.
"Wir haben in Deutschland ganz offensichtlich ein flächendeckendes
Problem mit giftigem Stickstoffdioxid in unserer Atemluft. Ursache
dafür sind vor allem die ungefilterten Abgase aus Dieselmotoren. Die
neue Bundesregierung muss ihre Hilfe auf alle Städte und Gemeinden
ausdehnen, die unter gesundheitlich bedenklichen NO2-Werten leiden,
und nicht nur die wenigen Dutzend Städte mit amtlichen Messpunkten
finanziell unterstützen", fordert Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer
der DUH.
"Die Ergebnisse unserer Citizen Science Untersuchung zeigen selbst
in vielen kleinen und mittelgroßen Gemeinden gesundheitlich
bedenkliche Werte und Grenzwertüberschreitungen, die vergleichbar und
im Einzelfall gar höher ausfallen als an bekannten Hot Spots der
schmutzigen Metropolen Deutschlands. Kleinkinder, Asthmatiker,
Lungenvorgeschädigte, Alte und Kranke werden hier buchstäblich im
Dieseldunst alleingelassen. Die Kleinstadt Alsfeld in Hessen kämpft
zum Beispiel mit einer Luftbelastung von 53.5µg/m³. Auch in Marburg,
Esslingen und Aschaffenburg haben wir Werte von über 46µg/m³
gemessen. In allen Städten mit gesundheitlich bedenklichen
NO2-Belastungen müssen die Behörden handeln und notfalls mit
Diesel-Fahrverboten die ''Saubere Luft'' für ihre Bürger durchsetzen",
so Resch weiter.
Aktuelle Studien verschiedener Behörden und von der Industrie
unabhängiger Institute zeigen, dass bedenkliche Gesundheitsschäden
bereits ab einer Belastung von 20µg NO2/m³ auftreten. Besonders für
Kinder, Schwangere sowie ältere Menschen ist diese Belastung
gesundheitsgefährdend. "Daher fordern wir nicht nur dringend die
Einhaltung der seit 2010 verbindlich geltenden Grenzwerte von
40µg/m³, sondern auch eine schnellstmögliche Absenkung des Grenzwerts
auf 20µg/m³. Selbst die Schweiz hat mit 30 µg/m³ bereits seit 1986
einen strengeren Luftqualitätswert als die EU", so Resch weiter.
In ihrem jährlichen Bericht über die Luftqualität in Europa und
die daraus resultierenden Gesundheitsschäden hatte die Europäische
Umweltagentur EEA im Herbst 2017 die gesundheitlichen Folgen der
NO2-Verschmutzung mit jährlich 12.860 vorzeitigen Todesfälle allein
in Deutschland beziffert. Auch das Umweltbundesamt hat mit seiner am
8. März 2018 veröffentlichten Studie zu den Gesundheitsfolgen der
NO2-Belastung unserer Atemluft davor gewarnt, dass schon bei
Konzentrationen deutlich unterhalb des Grenzwertes jährlich über
800.000 Atemwegs-, Herz-Kreislauferkrankungen und Diabetes sowie
6.000 vorzeitige Todesfälle zu verzeichnen sind.
Um die bundesweite Datenlage weiter zu verbessern, plant die DUH
eine zweite Messaktion für ungefähr 500 Orte in Deutschland im Juni
2018. Wie schon bei der ersten Mitmachaktion können Bürger
Straßenabschnitte in ihrer Gemeinde mit einer besonders hohen
Luftverschmutzung über die Internetadresse
http://www.duh.de/abgasalarm melden.
Hintergrund:
Nach der Grundsatzentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts
(BVerwG) in Leipzig vom 27. Februar 2018 zur Rechtmäßigkeit von
Diesel-Fahrverboten bereiten erste Städte wie Hamburg Fahrverbote ab
April 2018 vor. In den laufenden Gerichtsverfahren der DUH in derzeit
insgesamt 19 Städten mit deutlichen Grenzwertüberschreitungen rechnet
der Umwelt- und Verbraucherschutzverband mit vielen weiteren
Diesel-Fahrverboten ab Herbst dieses Jahres für Diesel schlechter als
Abgasstufe Euro 5. 40 weitere stark belastete Städte bzw. die für die
Luftreinhaltung zuständigen Länder wurden zwischenzeitlich von der
DUH aufgefordert, die Grundsatzentscheidung des BVerwG Leipzig nun
umzusetzen. Zuletzt hatte die EU-Kommission im Laufe des
Vertragsverletzungsverfahrens von der Bundesregierung wirksame
Maßnahmen eingefordert und eine kurzfristige Entscheidung über die
Klageerhebung der EU gegen Deutschland vor dem Europäischen
Gerichtshofs angekündigt.
Die DUH wird noch diese Woche die zuständigen Landesbehörden über
die Ergebnisse der NO2-Hot Spot-Messungen informieren und umgehend
Maßnahmen zur Absenkung der gesundheitlich bedenklichen NO2-Belastung
sowie die Einführung amtlicher Messungen fordern. Von der
Bundesregierung fordert die DUH die Ausdehnung des "Sofortprogramms
für Saubere Luft" auf alle Städte und Gemeinden mit gesundheitlich
bedenklichen Werten, d.h. oberhalb von 20 µg/m³. Aus Sicht der DUH
kann es nicht sein, dass die Bundesregierung nur den Städten und
Gemeinden hilft, die eine amtliche verkehrsnahe Messstation haben. Um
die notwendigen Diesel-Fahrverbote auf möglichst wenige Fahrzeuge zu
beschränken, muss die Bundesregierung sicherstellen, dass schnell
eine wirksame technische Nachrüstung aller Diesel der Abgasnorm Euro
5+6 auf Kosten der jeweiligen Hersteller im Rahmen eines amtlichen
Rückrufs erfolgt.
Links:
Interaktive Karte mit allen bislang bekannten Orten
gesundheitsbelastender NO2-Werte in der Atemluft:
https://www.duh.de/abgasalarm
Gesamtliste NO2-Werte bundesweit: http://l.duh.de/p180322
Liste neu identifizierter Städte: http://l.duh.de/p180322
Informationen zur Mitmach-Aktion: http://www.duh.de/abgasalarm
Hintergrundpapier DUH-Messungen: http://l.duh.de/p180322
Pressekontakt:
Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer
0171 3649170, resch@duh.de
DUH-Pressestelle:
Andrea Kuper, Ann-Kathrin Marggraf
030 2400867-20, presse@duh.de
www.duh.de, www.twitter.com/umwelthilfe, www.facebook.com/umwelthilfe
Original-Content von: Deutsche Umwelthilfe e.V., übermittelt durch news aktuell