Überfordert, machtlos, allein gelassen. So fühlen sich viele Angehörige von Suchtkranken. Sie sind Umständen ausgeliefert, die sie weder verstehen noch verursacht haben und finden weder angemessene Unterstützung noch klare Verhaltensvorgaben. Die Kompetenz der verfügbaren Informationsquellen wie Zeitungen oder das Internet kann nicht überprüft werden, vor allem können Hilfsangebote für Angehörige nicht pauschalisiert werden. Da ihre Rolle im Suchtkontext darüber hinaus sehr undifferenziert bewertet wird, fehlt es vor allem an individueller Betreuung von Angehörigen. Die Therapeuten der My Way Betty Ford Klinik haben es sich zur Aufgabe gemacht, über Abhängigkeit und den Umgang mit der Sucht aufzuklären und die Öffentlichkeit für diese Krankheit zu sensibilisieren.
Es ist bekannt, dass die Angehörigen Suchtkranker durch die Suchterkrankung häufig stark beeinträchtigt sind und überdurchschnittlich häufig an stressbedingten Erkrankungen wie Depressionen, Ängsten und psychosomatischen Störungen leiden. Gerade deshalb muss man auf ihre Situation ebenso individuell eingehen wie auf die der Suchtkranken selbst. Wo Suchtkranke unterschiedliche Hilfsangebote in Anspruch nehmen können, suchen ihre Partner, Eltern, Kinder bisher oft vergeblich Hilfe.
Praktische Lebenshilfe für Betroffene ist aus den genannten Gründen schwierig. Das meist irrationale Verhalten der Suchtkranken ist für Angehörige nicht oder nur schwer nachvollziehbar. In vielen Fällen haben die Suchtkranken in ihrem Leben bereits viel erreicht - und scheitern dann an ihrer Sucht. Sie verlieren die Kontrolle über ihr Leben und reißen die Angehörigen mit in diesen Strudel.
In der My Way Betty Ford Klinik nutzt nur ein Teil der Patienten die Möglichkeit eines Angehörigengesprächs. Dies überrascht angesichts des großen Informations- und Beratungsbedarfs, den auch Angehörige haben. Häufig sind es allerdings die Patienten selbst, die das Einbeziehen ihrer Partner oder ihrer Familie abblocken. Die Verhaltenstipps der Therapeuten der Betty Ford Klinik beziehen sich sowohl auf den Umgang mit den Abhängigen vor und nach einer Suchttherapie als auch auf Empfehlungen für die Angehörigen selbst. Grundsätzlich gilt, dass ein Abhängiger nicht zum Entzug gezwungen werden kann. Viele Suchtkranke haben kein Krankheitsverständnis, unterschätzen also ihren Zustand beziehungsweise überschätzen ihre eigene Fähigkeit zur Abstinenz. Die Erkenntnis der Abhängigkeit sowie die Entscheidung zu einer Therapie müssen von den Betroffenen selbst ausgehen. Angehörige haben kaum eine Chance, hier Druck aufzubauen. Selbstverständlich sollten sie bei akuter Gefahr - zum Beispiel im Fall der drohenden Überdosis oder eines zu befürchtenden Suizids - Polizei und Notarzt verständigen. Davon abgesehen bleibt ihnen jedoch höchstens der Gang zum Hausarzt oder zu einer Suchthilfeeinrichtung vor Ort, um sich beraten zu lassen.
Während eines Klinikaufenthalts entwickeln die Patienten mit ihrem Therapeuten bereits Szenarien für die Rückkehr in den Alltag. Angehörige werden hier einbezogen und können bei diesen Vorbereitungen helfen, indem sie das häusliche Umfeld von jeglichen suchtauslösenden Substanzen befreien. Gerade Alkoholikern kann es auch helfen, wenn ihre Partner nach dem Entzug ebenfalls aufhören, Alkohol zu trinken. Doch auch dies ist, wie so vieles, von Fall zu Fall unterschiedlich.
Kommunikation ist ein wichtiges Instrument in der Aufarbeitung der Sucht. Kein Alkoholiker ist einfach so Alkoholiker, kein Suchtkranker ist einfach nur süchtig. Die Droge ist ein Symptom, dahinter steckt immer eine weitere, tiefer sitzende Ursache. Häufig dreht es sich dabei um alte, fest sitzende Überzeugungen, um Muster in der Familie, um Stress aus dem gelernten Verhaltensrepertoire heraus. Doch die Wurzel des Übels kann auch im täglichen Miteinander verborgen liegen. Eine wichtige Regel, die alle Angehörigen von Suchtkranken befolgen sollten, ist daher, miteinander zu reden. Angehörige sind in jedem Fall gut beraten, Fragen zum Suchtverhalten und zu den Auslösern zu stellen, immer wieder aufmerksam zuzuhören und auch unangenehme Antworten auszuhalten. Die Erfahrung zeigt, dass Angehörige sich oft zu schnell mit bequemen Antworten zufrieden geben. Wenn der Vater bereits Alkoholiker war oder der Suchtkranke als Kind geschlagen wurde, scheint die Erklärung für die Sucht offensichtlich zu sein. Mit den aktuellen Gründen, die aus den Erklärungen der Abhängigen herauszuhören sind, wollen Angehörige oft nicht konfrontiert werden. Statt Fragen zu stellen und andere Kanäle für den suchtauslösenden Stress zu finden, konfrontieren gerade Ehe- und Lebenspartner die Suchtkranken deshalb häufig mit ihren Forderungen. Das treibt die Spirale des Scheiterns und der Sucht immer weiter.
Im häuslichen Miteinander sind es vor allem die unbewussten Muster, die das Suchtverhalten triggern. In ihrer Überforderung und Sorge um den Suchtkranken handeln Angehörige daher meist intuitiv. Von der Vollversorgung bei der Drogenbeschaffung bis hin zur kompletten Ablehnung sind quasi alle Verhaltensnuancen zu finden. Deshalb sollten auch Angehörige sehr ernsthaft über eine eigene Psychotherapie nachdenken. Ratsam ist es auch, wo möglich an den Veranstaltungen von Selbsthilfegruppen teilzunehmen, die ihre suchtgefährdeten Angehörigen besuchen. Der Besuch von Al-Anon-Gruppen, den Selbsthilfegruppen von Angehörigen Alkoholkranker, hilft einigen Betroffenen und kann durch das sich Mitteilen auch vorübergehend entlasten. Das sollten alle Betroffenen für sich selbst ausprobieren und entscheiden. Die Suchttherapie auf den Suchtkranken zu beschränken, greift jedoch zu kurz.