Die Medien berichten zunehmend kritisch darüber, dass Ärzte in steigendem Ausmaß ADHS diagnostizieren und zur Behandlung das Amphetaminderivat Methylphenidat verschreiben. Gleichzeitig ist an Universitäten und Hochschulen ein bisher eher unbeachteter Absatzmarkt für diesen Arzneistoff entstanden. Die Rede ist von sogenanntem „Neuro Enhancing“, die künstliche Steigerung kognitiver Fähigkeiten durch pharmakologische Hilfsmittel.
Skeptiker argumentieren, dass durch Methylphenidat das AD(H)-Syndrom nur symptomatisch behandelt wird. Da Methylphenidat, ähnlich wie Kokain, in den Dopamin- und Noradrenalinhaushalt eingreift, führt es, in der Ansicht der Kritiker, zwangsläufig zu Sucht, Abhängigkeit, Geisteskrankheiten und Depressionen. Auf lange Sicht beeinträchtige es die Leistung des Gehirns. Unruhe, Aggressivität und Übererregbarkeit werden ihrer Meinung nach durch das Arzneimittel nicht wirksam therapiert, sondern in vielen Fällen erst ausgelöst. Einzige Nutznießer seien die Produzenten.
Außerhalb des fachlichen Diskurses, etwa in Online-Foren und Chatrooms, geht die Ablehnung bisweilen so weit, dass den verantwortlichen Psychiatern, Kinderpsychologen, Neurologen und Ärzten jegliche Kompetenz abgesprochen wird. Befürworter räumen ein, dass die Verschreibungshäufigkeit wohl um Größenordnungen über dem medizinisch vertretbaren Bedarf liegt. Für manche Kinderärzte scheint ADHS eine bequeme Verlegenheitsdiagnose darzustellen, wenn sie mit ihrem Fachwissen am Ende sind. Leider steht für eindeutig diagnostizierte ADHS-Fälle bisher kein besseres Arzneimittel zur Verfügung. Die Diskussion in der Fachwelt ist weiterhin kontrovers.
Abseits der therapeutischen Domäne hat Methylphenidat noch ein anderes Einsatzgebiet gefunden. Schüler und Studenten, die ansonsten kerngesund sind, verwenden es, weil sie auf eine Erhöhung ihrer kognitiven Leistungsfähigkeit hoffen. In den USA sind 25 % der Hochschüler und 20 % der Professoren regelmäßige Methylphenidatkonsumenten, in Deutschland sind es schätzungsweise zwischen 6 und 12 % der Studierenden. Hierzulande unterliegt der Wirkstoff dem Betäubungsmittelgesetz. Um das zu umgehen, bestellen immer mehr Interessenten bei freien Online-Apotheken. Manche Anbieter haben sich darauf spezialisiert, verschreibungspflichtige Präparate in geringen Mengen (Eigenbedarf) ohne Rezept zu versenden.
Das Verlangen nach leistungssteigernden Medikamenten ist durch Versagensängste und Prüfungsdruck psychologisch erklärbar. Methylphenidat hilft beim Lernen, weil es das Hintergrundrauschen im Kopf unterdrückt, die Konzentration steigert und das Schlafbedürfnis vermindert. Allerdings scheint das nur auf kurze Zeit zu funktionieren. Bei dauerhaftem Konsum besteht die Gefahr, dass die erwünschten Effekte ins genaue Gegenteil umschlagen. Die Folgen: Konzentrationsschwierigkeiten, Nervosität, Müdigkeit, Depressionen. Dies bestätigen zahlreiche Erfahrungsberichte von Studentinnen und Studenten: Auf den kurzzeitigen Turbo-Modus folgt ein langes Leiden. Früher oder später fordert jede Droge ihren Tribut. Die Anwender verlieren den inneren Antrieb. Ihre Emotionalität und Affektivität sind gestört. Sie empfinden kaum noch Neugier, kein Bedürfnis nach menschlichen Bindungen und büßen ihre Kreativität ein. Kurzfristig mag Methylphenidat geeignet sein, die Leistungsfähigkeit zu erhöhen, doch auf Dauer sind Körper und Geist nicht zu überlisten.