Deutsche Gesundheitsbehörden versagen beim Schutz
von Patienten vor gefährlicher Pseudo-Medizin. Eine gemeinsame
Recherche des ARD-Politikmagazins Kontraste und des Magazins stern
deckt jetzt auf, wie die Überwachung und Strafverfolgung bei einem
gesundheitsschädlichen "Wundermittel" über Jahre vernachlässigt wird.
Es handelt sich um "Miracle Mineral Supplement" (MMS) - dahinter
verbirgt sich Chlordioxid, ein ätzendes Bleich- und
Desinfektionsmittel. Obwohl die Risiken einer Einnahme dieser
Chemikalie längst bekannt sind und sogar behördliche Warnungen
vorliegen, können es MMS-Verfechter ungeniert weiter bewerben.
Patienten wird es als Allheilmittel gegen Krankheiten wie Malaria,
Schlaganfall und Krebs präsentiert. Besonders Kinder sind einer
Gesundheitsgefahr ausgesetzt. Eltern wird eingeredet, Chlordioxid
könne den Autismus ihrer Kinder heilen. Dazu sollen sie regelmäßig
Darmeinläufe mit der ätzenden Substanz bei den Kleinen durchführen.
Nach Einschätzung von Experten ist dies eine Kindeswohlgefährdung.
Die investigative Recherche konnte belegen, dass sich sogar ein
approbierter Arzt am Verkauf des Chlordioxid-Wundermittels beteiligt.
Das Versagen der Aufsichtsbehörden zeigte sich Anfang März bei
einem MMS-Kongress in Berlin-Mitte. Referenten verbreiteten
Heilversprechen offen auf der Bühne. Im Rahmen der Veranstaltung
wurden auch Chlordioxid-Proben verteilt. Die zuständige
Arzneimittel-Aufsichtsbehörde des Landes Berlin schickte zwar
Kontrolleure dorthin, griff aber nicht durch. Auch in anderen
Bundesländern ist die Verfolgung der MMS-Szene bisher kaum
erfolgreich. Zahlreiche Staatsanwaltschaften stellten ihre
Ermittlungsverfahren gegen Geldauflagen ein.
Während das Bundesgesundheitsministerium keinen Handlungsbedarf
sieht, fordern Mediziner und mehrere Politiker nachdrücklich
Gesetzesänderungen. Die auf zahlreiche Behörden aller
Verwaltungsebenen verteilte Überwachung derart gefährlicher Mittel
müsse endlich auf Bundesebene zentralisiert werden, verlangt etwa der
FDP-Gesundheitspolitiker Andrew Ullmann, selbst Medizin-Professor.
"Eine Zersplitterung auf Länderebene führt zu einer Schwächung der
Expertise und so zur Schwächung der Schlagkraft", mahnt Ullmann.
Sendung Kontraste: Donnerstag, 05.04.2018 um 21:45 Uhr im Ersten.
Der neue stern ist ebenfalls ab Donnerstag im Handel.
Diese Vorabmeldung ist nur unter Nennnung der Quellen stern und
Kontraste zur Veröffentlichung frei.
Pressekontakt:
Sabine Grüngreiff, Gruner + Jahr Unternehmenskommunikation, Telefon
040 - 3703 2468, gruengreiff.sabine@guj.de
Original-Content von: Gruner+Jahr, STERN, übermittelt durch news aktuell