Auch wenn die Zahl arbeitsloser Menschen in Deutschland stetig sinkt: Es sind noch immer mehr als zwei Millionen Menschen, die keiner Arbeit nachgehen beziehungsweise nachgehen können. Welche Vermittlungshemmnisse im Einzelfall vorliegen, hat unterschiedliche Gründe; manchmal sind es unerkannte, auch psychische Probleme. Um eine Klarheit herbeizuführen, bieten Agenturen für Arbeit und Jobcenter den Arbeitslosen Fördermaßnahmen an. Die Ergotherapeutin Stefanie Esser, DVE (Deutscher Verband der Ergotherapeuten e.V.), zeigt auf, welchen Nutzen ein solches Projekt für alle Beteiligten hat.
Arbeitslose Menschen passen in kein Schema: Das Spektrum Betroffener ist groß. Auch junge Leute mit oder ohne Abschluss und Ausbildung, teils sogar mit einem Studium, machen inzwischen einen nicht unerheblichen Teil der Menschen ohne Arbeit aus. „Es lohnt sich, den Ursachen auf den Grund zu gehen, wenn ‚immer wieder bewerben‘ nicht zum Erfolg führt.“, weiß die Ergotherapeutin Stefanie Esser. In solchen Fällen können arbeitslose Menschen an Maßnahmen teilnehmen, die ihre Agentur für Arbeit oder das Jobcenter finanzieren. Das Team der Betreuer in solchen Fördermaßnahmen für Arbeitslose setzt sich typischerweise aus mehreren Disziplinen zusammen; in diesem Fall sind es Psychologen und Ergotherapeuten. Diese bieten drei Bereiche an, unter anderem das Arbeiten mit Holz. Die Ergotherapeutin Esser betreut eine solche Holzwerkstatt. Ihre Gruppe umfasst maximal neun Personen und findet an drei Tagen der Woche statt. Das ermöglicht ihr, sich auf den Einzelnen zu fokussieren und seine Arbeitsfähigkeiten einzuschätzen, Befähigungen ebenso zu erkennen wie Probleme. Denn das Arbeiten in der Holzwerkstatt ist nicht etwa eine „Beschäftigungsmaßnahme“. Es ist viel mehr.
Befähigungen erkennen…
Menschen ohne Arbeit sollen hier wieder eine Tagesstruktur erhalten, ihre Zuverlässigkeit, ihre Belastbarkeit und ihren Teamgeist steigern. Oder sich für Alternativen, vielleicht sogar für etwas Neues öffnen, das ihren Ressourcen und Befähigungen entspricht. Wer in seinem eigentlichen Beruf oder seiner früheren Tätigkeit nicht weiterkommt, hat so die Chance, etwas anderes zu probieren und sich neu zu orientieren. Außer unterschiedlichen handwerklichen Möglichkeiten gibt es Bürotätigkeiten, Handel und Lager und andere Richtungen. Vor allem geht es bei dieser Fördermaßnahme darum, Verhaltensweisen zu erkennen, die die Teilnehmer beim täglichen Arbeiten an den Tag legen. Das lässt sich oft übertragen. Denn die Summe und genaue Analyse aller Beobachtungen zeigen, was in den Teilnehmern steckt. Das ist oft weit mehr als das, was aus ihrer Akte oder Gesprächen hervorgeht. Die Ergotherapeutin erklärt: „Das Schöne am Handwerklichen ist, dass sich im Laufe des Entstehungsprozesses der immer schwieriger werdenden Werkstücke die emotionalen, elementaren, sozialen und speziellen Fähigkeiten desjenigen zeigen. Ich sehe also: Wie steht es um Motivation, Selbstvertrauen, Belastbarkeit, Anpassungsfähigkeit, Entscheidungsfähigkeit und so weiter.“. Nachvollziehbar, denn im Alltag, beim unbefangenen Arbeiten erweist sich bekanntermaßen: Wie ist die Auffassungsgabe, wie kommen Erklärungen und Arbeitsanweisungen an? Wie steht es um das Selbstvertrauen, wagt sich jemand trotz fehlender Vorkenntnisse nach der Einweisung an eine Maschine? Und wie ist der Umgang mit Fehlern oder Rückschlägen, treibt jemand seine Arbeit voran, will beziehungsweise kann er überhaupt etwas leisten?
…und Hintergründe analysieren
Denn manche Schwierigkeiten sind auf gesundheitliche, oft psychische Gründe zurückzuführen. Mithilfe spezieller ergotherapeutischer Beobachtungsverfahren gelingt es der Ergotherapeutin, die Probleme zu entlarven. Sie berichtet aus der täglichen Erfahrung von sozialen Ängsten: „Nicht jeder kommt damit zurecht, mit anderen zusammen in einem Raum zu arbeiten.“, Durch ihr Studium der Ergotherapie verfügt Esser unter anderem über Kenntnisse aus den Bereichen Sozialwissenschaften, Psychologie und Medizin. Mit diesem Wissen und dem für die ergotherapeutische Arbeit so wertvollen Fingerspitzengefühl unterstützt sie auch diejenigen, die es aufgrund ihrer sozialen Phobie schwer haben, sich in die Gruppe zu integrieren. Längere Arbeitslosigkeit hat viele Folgen. So können sich beispielsweise Depressionen entwickeln, wenn sie nicht schon vorher da waren oder – meist unerkannt – sogar daran schuld waren, dass jemand seine Tätigkeit nicht mehr bewältigen konnte. Die Ergotherapeutin geht darauf ein: „Meldet sich jemand nicht, wenn er nicht weiterkommt, kann das andere Ursachen als Bequemlichkeit oder Lustlosigkeit haben. Dahinter kann eine Depression stecken.“ Depressive Menschen fühlen sich schnell überfordert. Daher führt die Ergotherapeutin sie kleinschrittig an ihre Arbeit heran. So, dass sie ebenso wie alle anderen Teilnehmer auch Erfolge erleben, ein positives Selbstbild entwickeln, ermutigt sind und weitermachen möchten. Auf diese Weise gelingt es den meisten Teilnehmern, einfach anzufangen. Und etwas zu tun.
Informationsmaterial gibt es bei den Ergotherapeuten des DVE (Deutscher Verband der Ergotherapeuten e.V.); Ergotherapeuten in Wohnortnähe auf der Homepage des Verbandes im Navigationspunkt Service und Ergotherapeutische Praxen, Suche.