Masern, Mumps, Grippe und sogar Krebs - Viren
verursachen zahlreiche Krankheiten und stellen ein enormes
Gesundheitsrisiko dar. In den winzigen Partikeln schlummert jedoch
ein gewaltiges Potenzial: Können sie auch für die Krebsmedizin
nutzbar gemacht werden? Wissenschaftler des Universitätsklinikums
Münster gehen dieser Frage nach. Ihr Ansatz: Influenzaviren gegen
Lungentumore einsetzen. Diese sogenannten "onkolytischen" Viren
befallen die Tumorzellen und zerstören diese. Zusätzlich stimulieren
sie das Immunsystem. Die Deutsche Krebshilfe unterstützt das
Forschungsprojekt mit rund 259.000 Euro.
Viren sind winzig - nur unter dem Elektronenmikroskop werden die
kleinen Partikel sichtbar. In "freier Wildbahn" überleben sie in den
meisten Fällen nicht sehr lange. Um ihr Fortbestehen zu sichern,
benötigen Viren immer eine sogenannte Wirtszelle. Dort nisten sie
sich ein und vermehren sich - bis sie die Zelle dadurch zerstört
haben. Die freigewordenen Viren infizieren dann neue Zellen. Diese
Eigenschaft versuchen die Wissenschaftler für die Krebsmedizin
nutzbar zu machen.
Virotherapie: Mit Viren den Krebs bekämpfen
"Mit Hilfe gentechnischer Methoden verändern wir Grippeviren so,
dass sie in der Lage sind, Tumorzellen bei Patienten mit einem
nicht-kleinzelligen Lungenkarzinom (NKLK) anzugreifen und zu
zerstören", erklärt Professor Dr. Stephan Ludwig vom Institut für
Molekulare Virologie des Universitätsklinikums Münster den Kern
seiner Forschung. "NKLK-Patienten haben bisher nur sehr geringe
Heilungschancen, denn diese Krebsart metastasiert sehr häufig und die
gängigen Therapieoptionen wie Chemotherapie und Bestrahlung sind oft
wirkungslos."
Auch das körpereigene Abwehrsystem hat dem Tumor kaum etwas
entgegenzusetzen. Denn dieser hat eine perfide Überlebensstrategie
entwickelt: die herbeieilenden Abwehrzellen werden einer Art
"Gehirnwäsche" unterzogen, so dass sie den Tumor nicht mehr angreifen
können. Vielmehr zwingt er sie dazu, ihn beim Wachstum und bei der
Ausbreitung im Körper zu unterstützen. Sind die Tumorzellen
allerdings mit Grippeviren infiziert, löst das eine starke
Immunantwort gegen die befallenen Zellen aus.
Die zugrundeliegenden molekularen Mechanismen untersuchen die
Wissenschaftler aus Münster nun im Detail. "Gelingt es uns, mit Hilfe
der Viren das vom Tumor unterdrückte Immunsystem zu reaktivieren,
hätten wir eine wirksame Waffe gegen eine Krebsart, die sich nicht
mit konventionellen Mitteln besiegen lässt" so Ludwig weiter.
"Immer mehr Menschen erkranken bedauerlicherweise an Lungenkrebs.
Wir brauchen daher innovative Ansätze und wissenschaftliche
Strategien, um die Therapie und Versorgung der Patienten zu
verbessern. Forschungsprojekte in diesem Sinne zu fördern, ist ein
Kernanliegen unserer Organisation", betont Gerd Nettekoven,
Vorstandsvorsitzender der Deutschen Krebshilfe.
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