In einer der bislang umfassendsten Studien auf ihrem Gebiet
untersuchen Forscher des Kompetenznetzes Angeborene Herzfehler die
medizinische Versorgung von Patienten mit angeborenen Herzfehlern in
Deutschland. Ziel der aus dem Innovationsfonds des Gemeinsamen
Bundesausschusses G-BA geförderten OptAHF-Studie ist die Verbesserung
der Betreuung der stetig wachsenden Patientengruppe.
2,8 Millionen Behandlungsfälle pro Jahr, neun Millionen
Krankenversicherte und 50.000 im Nationalen Register für angeborene
Herzfehler registrierte Patienten bilden die Grundlage für eine der
größten Studien zur Versorgung, die es weltweit je zum Thema
angeborene Herzfehler gegeben hat. "Analysen aus Kanada und den USA
haben gezeigt, dass Patienten mit angeborenen Herzfehlern, die nicht
spezialisiert versorgt werden, eine höhere Sterblichkeit haben. Auch
wenn sich unsere Gesundheitssysteme nicht miteinander vergleichen
lassen, müssen wir annehmen, dass es auch bei uns noch beträchtlichen
Nachholbedarf gibt. Dafür benötigen wir dringend eigene Daten",
begründet Gerhard-Paul Diller, Studienleiter und Oberarzt an der
Klinik für Kardiologie III - angeborene Herzfehler (EMAH) und
Klappenerkrankungen des Universitätsklinikums Münster (UKM), das
Vorhaben mit dem Projekttitel OptAHF.
Nationales Register sorgt für Datentiefe
Für die Langzeit- und Querschnittstudie kann das Forschungsteam um
den Spezialisten für Erwachsene mit angeborenen Herzfehlern (EMAH)
auf eine außergewöhnlich breite Datenbasis zugreifen. "Die Barmer GEK
stellt uns anonymisierte Daten zur Verfügung, die einen Zeitraum von
zehn Jahren abdecken. Für die Datentiefe haben wir das Nationale
Register an Bord, das über spezifische Krankheits- und
Behandlungsdaten verfügt. Das ist sehr interessant, weil wir hier
unterschiedliche Patientengruppen mit besonderen Charakteristika für
den Datenabgleich auswählen können", erläutert Gerhard-Paul Diller.
Dabei kommt dem Projekt die langjährige Expertise im Umgang mit
umfangreichen Sekundärdatenanalysen der ebenfalls beteiligten Klinik
für Kardiologie I am Universitätsklinikum Münster zugute.
"Forschungsergebnisse der Arbeitsgruppe um Oberärztin Eva Freisinger
beispielsweise fanden Eingang in entsprechende Leitlinien und haben
so mitgeholfen, die Versorgung der Patienten maßgeblich zu
verbessern. Diese konkreten Konsequenzen und Handlungsanleitungen
sind auch unser Ziel bei OptAHF", so Holger Reinicke, Direktor der
Klinik für Kardiologie I am UKM.
Spezialisierte Versorgung ist nicht selbstverständlich
Rund 500.000 Kinder, Jugendliche und Erwachsene in Deutschland
leben mit angeborenen Herzfehlern. Tendenz steigend. Aufgrund ihrer
chronischen Grunderkrankung sind die Patienten auf eine besondere
medizinische Betreuung angewiesen. Das Forscherteam um Gerhard-Paul
Diller ist überzeugt, dass bereits bestehende Strukturen noch stärker
beachtet und genutzt werden müssten, um Defizite in der Versorgung zu
minimieren. "Wir verfügen seit einigen Jahren über eine
Versorgungspyramide, die von der Hausarztpraxis bis zum
spezialisierten EMAH-Zentrum reicht. Doch noch immer suchen viele
Patienten nur den Hausarzt auf. Darüber hinaus ist unklar, inwiefern
auf angeborene Herzfehler spezialisierte Mediziner einbezogen werden,
wenn etwa eine Blinddarm-OP ansteht oder im Falle einer
Schwangerschaft mit Komplikationen gerechnet werden muss", so der
international anerkannte EMAH-Experte.
Ausnahme oder Spitze des Eisbergs?
Für die Betroffenen hat das unter Umständen lebensbedrohliche
Folgen, wie EMAH-Spezialisten auch im deutschen Klinikalltag immer
wieder beobachten müssen. "Jeder medizinische Eingriff wirkt sich auf
einen Menschen mit angeborenem Herzfehler anders aus als auf
Patienten ohne Herzfehlbildung. Wird das nicht erkannt und
entsprechend berücksichtigt, sehen wir diese Patienten mit
erheblichen Komplikationen in der Notaufnahme", beschreibt
Kompetenznetzvorstand Helmut Baumgartner das Problem. Die Frage sei,
ob es sich insgesamt um Ausnahmefälle handele, oder um die Spitze des
Eisbergs, so der Direktor der Klinik für Kardiologie III - angeborene
Herzfehler (EMAH) und Klappenerkrankungen des UKM. Die auf drei Jahre
angelegte Studie dürfte eine Antwort darauf geben.
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