Frankfurt am Main, 29. Juni 2018. Pflegebedürftige und Menschen mit Behinderungen haben aufgrund ihrer besonderen Lebenssituation ab 1. Juli 2018 einen gesonderten Anspruch auf Leistungen zur Verhütung von Zahnerkrankungen. Damit soll das überdurchschnittlich hohe Risiko für Karies-, Parodontal- und Mundschleimhauterkrankungen für diesen Personenkreis gesenkt werden. Besonders wichtig für diese Versichertengruppe: Personen mit eingeschränkter Mobilität können die neuen Leistungen auch vor Ort im häuslichen Umfeld oder in Pflegeeinrichtungen erhalten.
Bisher gab es für Patienten, die einem Pflegegrad zuzuordnen sind oder Eingliederungshilfe erhalten, keine angemessenen Maßnahmen der individuellen Vorsorge im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung. Vergleichbare Leistungen erhielten sie bisher nur, wenn zwischen Zahnarzt und Pflegeeinrichtung ein Kooperationsvertrag bestand.
Zu den neuen Leistungen, die gemäß § 22a SGB V einmal im Kalenderhalbjahr in Anspruch genommen werden können, gehören die Feststellung und Dokumentation des Mundgesundheitsstatus, die Erstellung eines individuellen Mundgesundheitsplans, die Mundgesundheitsaufklärung und die zusätzliche Entfernung harter Zahnbeläge. Der individuelle Gesundheitsplan soll dem Patienten sowie Pflege- oder Unterstützungspersonen Maßnahmen und Mittel zur Förderung der Mundgesundheit empfehlen. Sie reichen von der Mundhygiene bis zur zahngesunden Ernährung. Zur Aufklärung gehören die Erläuterung des Mundgesundheitsplans sowie praktische, verständliche, nachvollziehbare Anleitungen.
Stephan Allroggen, Vorsitzender des Vorstandes der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Hessen, erklärt dazu: "Unser jahrelanger Einsatz für eine bessere Versorgung der älteren oder behinderten Patienten war richtig und wichtig, denn gerade bei ihnen kommt Prävention oft zu kurz. Deshalb ist ihre Mundgesundheit oft deutlich schlechter als in der übrigen Bevölkerung. Mit den neuen Maßnahmen können wir die Mundgesundheit und damit auch die Lebensqualität dieser Menschen weiter deutlich verbessern. Dass in die zahnärztlichen Maßnahmen in den Pflegeheimen nun auch das Pflegepersonal stärker einbezogen wird, ist besonders hilfreich."
Ende 2015 waren laut Statistischem Landesamt in Hessen 223.579 Menschen pflegebedürftig. Davon wurden 120.156 von Angehörigen versorgt, die anderen jeweils etwa zur Hälfte ambulant oder vollstationär in Pflegeheimen.
Ergebnisse der Fünften Deutschen Mundgesundheitsstudie (DMS V):
Heute ist nur noch jeder achte jüngere Senior (65- bis 74-Jährige) zahnlos. Im Jahr 1997 war es noch jeder vierte. Jüngere Senioren besitzen im Durchschnitt fünf eigene Zähne mehr als noch im Jahr 1997. Weil immer mehr jüngere Senioren ihre eigenen Zähne länger behalten, ist bei ihnen die Versorgung mit festsitzendem Zahnersatz möglich.
Ältere Menschen mit Pflegebedarf haben eine höhere Karieserfahrung, weniger eigene Zähne und häufiger herausnehmbaren Zahnersatz als die gesamte Altersgruppe der älteren Senioren (75- bis 100-Jährige). Knapp 30 Prozent der Menschen mit Pflegebedarf sind nicht mehr selbst in der Lage, ihre Zähne und Zahnprothesen eigenständig zu reinigen und zu pflegen. 60 Prozent der Menschen mit Pflegebedarf sind nicht mehr fähig, einen Zahnarzttermin zu organisieren und dann die Praxis aufzusuchen.
Das Institut der Deutschen Zahnärzte (IDZ) untersucht seit 1989 die Mundgesundheit der Bevölkerung. Im Jahr 2016 stellte es die Ergebnisse der DMS V vor, hatte dazu etwa 4.600 Menschen aus allen sozialen Schichten und Altersgruppen in einer repräsentativen Erhebung befragt und zahnmedizinisch-klinisch untersucht.