Sie ist gut gedacht. Um einen zuverlässigeren Schutz der Patienten
soll es in der neuen EU-Verordnung über Medizinprodukte gehen, die ab
2020 verbindlich in Kraft tritt. Doch die neue Regelung lässt
ausgerechnet die schwächsten Patienten im Stich.
Nelly hatte Glück
Das Manko wurde offenbar, nachdem sich im Juni Ärzte, Patienten
und Forscher des Forschungsverbundes Kompetenznetz Angeborene
Herzfehler in einem Brandbrief mit Nellys Geschichte an
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn sowie an den Bundesverband
Medizintechnologie e.V. (BVMed) gewandt hatten. Nelly hatte Glück.
Gerade einen Tag alt, erhielt sie den letzten kleinen
Herzschrittmacher, den das Universitätsklinikum des Saarlandes auf
Lager hatte. Das Gerät rettete Nelly das Leben. Doch die Produktion
des weltweit kleinsten Herzschrittmachers war eingestellt worden. Die
Folge: Kinderherzchirurgen sind gezwungen, auf Implantate
zurückzugreifen, die für die Kinder viel zu groß sind. Und das ist
noch nicht alles. Das Dilemma betrifft allein im herzmedizinischen
Bereich viele Medizinprodukte.
Es fehlen Anreize für Forschung, Innovation und Produktion
Lieferengpässe melden die Kinderherzzentren auch bei kindgerechten
Biopsiezangen, Drainagen, Kathetern und Stents. "Das ist ein aus
ethischen Gründen vollkommen inakzeptabler Zustand, der sich mit der
neuen EU-Verordnung noch erheblich verschärfen wird. Die Firmen
werden regelrecht von der Produktion kindgerechter Medizinprodukte
abgeschreckt. Die hierfür seit langem überfälligen Prüfauflagen
laufen ins Leere, weil es an gesetzlich verankerten Anreizen zu
Forschung und Entwicklung von Produkten auch für vergleichsweise
geringe Patientenzahlen fehlt", sagt Robert Cesnjevar, Leiter der
Kinderherzchirurgischen Abteilung am Universitätsklinikum in Erlangen
und Vorstandmitglied der Deutschen Gesellschaft für Thorax-, Herz-
und Gefäßchirurgie (DGTHG).
Die Politik ist jetzt gefordert
Die Verfasser des Brandbriefes, darunter Vertreter der
medizinischen Fachgesellschaften für Kinderkardiologie (DGPK) und
Herzchirurgie (DGTHG) sowie der Patientenverbände, kamen am
Donnerstag auf Einladung der Adressaten mit Vertretern des
Bundesministeriums für Gesundheit (BMG), des Bundesinstituts für
Medizinprodukte und Arzneimittel (BfArM) und des Herstellerverbandes
BVMed in Berlin zu einem Sondierungsgespräch zusammen. "Wir begrüßen
die Reaktion des Herstellerverbandes und des Bundesministeriums auf
unseren Brief. Das Problem ist jetzt auf dem Tisch. Wir haben unsere
Unterstützung für die notwendige Forschung durch unser Register
angeboten. Jetzt ist die Politik gefordert, zügig nachzubessern und
entsprechende Rahmenbedingungen für die Erforschung und
Bereitstellung kindgerechter Arzneimittel und Medizinprodukte zu
schaffen", sagt Ulrike Bauer, Geschäftsführerin des Kompetenznetzes
Angeborene Herzfehler. Eile scheint geboten. "Dringend erforderliche
Kinderstudien im Bereich der Herzmedizin werden in Deutschland
aufgrund der Studienauflagen erschwert, Kinder auf diese Weise vom
Zugang zu überlebensnotwendigen Medizinprodukten ausgeschlossen. Es
kann nicht sein, dass Ärzte sich fortwährend in eine rechtliche
Grauzone begeben müssen, um Leben zu retten", verdeutlicht Hermine
Nock, Geschäftsführerin des Bundesverbandes Herzkranke Kinder e.V.,
die angespannte Situation aus Sicht der im Aktionsbündnis Angeborene
Herzfehler (ABAHF) vereinten Patientenverbände und Elterninitiativen.
Finden Sie hier weitere Informationen sowie den Offenen Brief im
Wortlaut https://www.presseportal.de/pm/122263/3961518
Pressekontakt:
Kompetenznetz Angeborene Herzfehler e. V.
Kommunikation
Karin Lange
Augustenburger Platz 1
13353 Berlin
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Mobil: +49 (0) 175 2604260
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