Es blüht in vielen Regionen gelb soweit das Auge reicht, entlang von Verkehrswegen und auf vielen Wiesen und Weiden. Ja, die Kreuzkräuter stehen – ungewohnt früh in diesem Jahr – in voller Blüte, bilden Millionen von Samen und verbreiten sich rasend schnell, mehr und mehr. Und das erfolgt nicht nur kleinräumig durch den Wind, sondern auch über weitere Entfernungen durch den Verkehr und im Zuge von Baumaßnahmen. Denn die Samen haften an Reifen, Maschinen und Geräten. Sogar die Rasenflächen von Hausgärten erobert das Jakobskreuzkraut (JKK), obwohl es doch eigentlich häufigen Schnitt (> 2 bis 3x/Jahr) nicht gut verträgt. Es gibt Todesfälle bei Weidetieren, die möglicherweise auf Intoxikationen durch PA (Pyrrolizidin-Alkaloide; das sind die Giftstoffe in Kreuzkräutern) zurückzuführen sind. Doch diese Verdachtsfälle konnten bisher weder belegt noch eindeutig widerlegt werden. Aber sind fehlende Belege ein Beleg für Unbedenklichkeit? Auch aus den Städten kommen erstmals besorgte Anfragen mit der Bitte um Hilfestellung. Und der Arbeitskreis Kreuzkraut wird zunehmend aufgefordert, Informationen auch zur Humangefährdung bereit zu stellen.
Beispiele – das möchten Betroffene und besorgte Mitmenschen wissen:
Hilfe, das Jakobskreuzkraut breitet sich bei uns immer mehr aus. Wir Anwohner wollen endlich etwas dagegen unternehmen. Wie können wir vorgehen? Lässt sich der ursprüngliche Zustand wiederherstellen?
Handelt es sich bei den gelbblühenden Pflanzen auf unseren Weiden um Kreuzkraut? Wenn ja, was können wir dagegen tun?
Unsere Pferde werden mit Heu gefüttert, das wahrscheinlich Jakobskreuzkraut enthält. Können Sie die Verdachtspflanze bestimmen?
Mein Pony musste eingeschläfert werden und es besteht der Verdacht auf Kreuzkrautvergiftung. Wie kann ich Gewissheit erhalten? Ich möchte unbedingt vermeiden, dass andere Tiere womöglich auch daran sterben.
Ist die Leber von Rindern, die auf mit Kreuzkraut bestandenen Flächen weiden, überhaupt zum Verzehr geeignet?
Um diese und ähnlich gelagerte Probleme und Fragen kümmern sich ehrenamtlich die aktiven Mitglieder des Arbeitskreises Kreuzkraut e.V. mit viel Zeitaufwand. Es gibt zwar immer mehr Betroffene, aber nur wenige Ratsuchende sind bereit, dieses Engagement zu unterstützen. Daher folgender Aufruf: Treten Sie dem Arbeitskreis bei oder geben Sie eine Spende!
JKK-Massenvorkommen rund um die Weinbergsiedlung, Kreis Plön: Anwohner erhalten Unterstützung vom Arbeitskreis Kreuzkraut e.V.
Den Anwohnern ist die massive Ausbreitung von JKK ein Dorn im Auge: Mindestens 50 ha Rinderweide sehen aus wie Rapsfelder. Die riesigen Flächen sind seit einigen Jahren nahezu vollständig mit Jakobskreuzkraut übersät und es breitet sich immer weiter aus. Es hält Einzug in die Knicks (Wallhecken), in die Gärten sowie in angrenzende Acker- und Weideflächen. Auf den zertrampelten Rinderweiden wächst so gut wie kein Gras mehr. Alles Schmackhafte ist abgefressen, und aufgrund der anhaltenden Trockenheit wächst nichts nach. Nur das JKK gedeiht prächtig. „Regelmäßig holt der Abdecker Rinder ab, angeblich hat das aber nichts mit dem JKK zu tun“ erläutert Anwohner Christoph Lamp dem Arbeitskreis Kreuzkraut Anfang Juli die Lage. „Gerüchten zufolge soll es sich wohl um ein Forschungsprojekt handeln, allerdings findet bisher leider keine Kommunikation mit uns Anwohnern statt. Wir wissen nicht, welches Ausmaß das Ganze noch annimmt und ob am Ende eine Wiederherstellung des Urzustandes möglich ist.“
Eine Woche später: Es der 9. Juli: Die Kreuzkräuter stehen in voller Blüte und haben begonnen, riesige Mengen an Samen zu bilden. Das zeigen Fotos von diesem Tag, die Lamp an den Arbeitskreis weiterleitet. Am selben Tag wird begonnen, die Rinderweiden zu mähen. Das JKK bleibt liegen. Große Flächen blühen nun nicht mehr gelb, das Problem ist nicht mehr offensichtlich. Allerdings ist eine derartige Vorgehensweise ausgesprochen kontraproduktiv, da die Samen so noch viel mehr verbreitet werden als wenn gar nichts getan worden wäre, erläutert Barbara Lattrell vom Arbeitskreis Kreuzkraut. „Kreuzkräuter bilden, wenn sie in voller Blüte stehen – ebenso wie andere Korbblüter, beispielsweise der Löwenzahn – auch nach dem Schnitt noch Samen (Notreife). Außerdem verlieren Kreuzkräuter im angewelkten oder getrocknetem Zustand ihre Bitterstoffe und werden dann von den Weidetieren nicht mehr gemieden.“
Die Rinder sind also akut gefährdet. Der Arbeitskreis schaltet daher sofort das zuständige Veterinäramt ein, das gleich am nächsten Tag die Lage vor Ort in Augenschein nimmt und veranlasst, dass die Rinder von den gefährlichen Weideflächen entfernt werden. Jedoch gibt es kaum Ausweichflächen ohne JKK. Das ist ein problematischer Zustand; diesbezüglich sind sich Amtstierärztin Dr. Kristin Schwartau und die Anwohner einig. Anders sieht das der Leiter des Jakobs-Kreuzkraut-Kompetenzzentrums der Stiftung Naturschutz, Dr. Aiko Huckauf, der sich das JKK bei der Weinbergsiedlung einen weiteren Tag später ebenfalls ansieht. Huckauf signalisiert in seiner E-Mail vom 12. Juli Entgegenkommen: Wie in den Vorjahren auch würden ja gerade große Teile des JKK-Bestandes gemäht, um die weitere Ausbreitung zu verhindern. Huckauf versucht zu beruhigen und erläutert ergänzend, dass die JKK-Massenvorkommen eine vorübergehende Phase seien und sowohl Pflanzen als auch Tieren weiterhin reichlich Raum zum Leben bieten würden. „Auch die heimischen Tiere werden von der Pflanze nicht geschädigt, im Gegenteil. ...Ich war gestern begeistert über die große Zahl Schwalben, die dicht über dem Pflanzenbestand nach Insekten jagten.“
Position des Arbeitskreises Kreuzkraut e.V.
Massenausbreitungen von Kreuzkräutern sind kein natürlicher Zustand, sondern ein vom Menschen verursachtes Problem, und es ist daher unverantwortlich, nichts dagegen zu tun. Leider sind viele Vertreter des Naturschutzes überhaupt nicht bereit, gegen heimische Pflanzen vorzugehen – und dazu zählt auch das Jakobskreuzkraut. Hier liegen die Positionen immer noch weit auseinander: Nutzerverbände fordern teilweise eine generelle Melde- und Bekämpfungspflicht, Vertreter des Naturschutzes hingegen sehen teilweise überhaupt keinen Handlungsbedarf („überzogener Aktionismus“, „Hysterie“, „Panikmache“).
„Meines Erachtens spielt es eine nicht unerhebliche Rolle, dass die Stiftung Naturschutz enorme Summen in die Schaffung und Vernetzung von Lebensräumen gesteckt hat und keinerlei Interesse daran hat, dieses Riesenprojekt durch eine einzige Pflanze, die zudem heimisch ist, zu gefährden. Hier kollidieren die Interessen der Anlieger und somit direkt Betroffenen in Form von Lebensqualität und Gesundheit mit jenen der Stiftung Naturschutz – und dies auch in Form von politischen Erwägungen“, so Lattrell. Erschwerend kommt hinzu, dass viele Flächenbewirtschafter nicht in der Lage sind, die giftigen Kreuzkräuter zu erkennen. Das ist ganz häufig in der Anfangsphase einer Ausbreitung der Fall. Oder das Vorkommen von Kreuzkräutern wird auch von den Landwirten „einfach“ ignoriert. Dann ist eine Kontrolle nicht mehr oder nur noch mit extrem viel Aufwand möglich. Wenn möglich, werden die kontaminierten Wiesen und Weiden dann umgepflügt und anschließend ackerbaulich genutzt – was jedoch überhaupt nicht im Sinne des Naturschutzes sein kann.
Wehret den Anfängen: Das ist nach Auffassung des Arbeitskreises Kreuzkraut die beste Option sowohl für den Naturschutz als auch für unmittelbar Betroffene – Tiere und Menschen. Barbara Lattrell verdeutlicht dies so: „Würden Sie bei einer problematischen Infektion, oder wenn Sie an einer Krebserkrankung in den Anfängen leiden, erst mal abwarten? Zumindest würde Ihnen kein Arzt dazu raten! Wie in der Medizin ist die rasant zunehmende Ausbreitung von Kreuzkräutern nur durch Prävention – Früherkennung – sofortiges Handeln – Nachkontrollen in den Griff zu bekommen.“ ...