Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU)
verkauft sich gern als Macher und Gestalter: Um die Versorgung der
Kassenpatienten zu verbessern, will er per Gesetz die verpflichtende
Mindestsprechstundenzeit in den Arztpraxen auf 25 Stunden
hochschrauben. Erleben wir nun drastische Veränderungen? Wohl kaum:
Die überwältigende Mehrheit der niedergelassenen Ärzte bietet längst
mehr als die 25 Stunden an - und hält auch sonst nicht besonders viel
vom Reformgesetz des CDU-Politikers. Das zeigt eine Umfrage unter
niedergelassenen Haus- und Fachärzten, an der sich bislang über 1.400
Mediziner beteiligt haben.
Im Rahmen der Online-Erhebung des Ärztenachrichtendienstes (änd)
in Hamburg gab eine große Mehrheit von 85 Prozent der befragten Ärzte
an, ihren Kassenpatienten bereits mehr als die von der Politik
geforderten 25 Stunden anzubieten. Die Gesetzesänderung bedeutet für
sie - zumindest in diesem Punkt - keine Umstellung.
Folgerichtig räumen 15 Prozent der Ärzte ein, dass sie die vom
Terminservice- und Versorgungsgesetzes (TSVG) geforderte Zeit im
Moment unterschreiten. Die Gründe dafür sind vielfältig: Rund 28
Prozent der betroffenen Ärzte gaben an, dass Besonderheiten in ihrem
medizinischen Tätigkeitsbereich - beispielsweise viele ambulante
Operationen - dafür verantwortlich sind. Jeder fünfte Arzt (21
Prozent) betonte dagegen offen, dass er in der Woche einfach nicht so
lange arbeiten wolle. 19 Prozent erklärten dagegen, dass sich eine
umfassendere Sprechstunde für GKV-Patienten finanziell schlichtweg
nicht lohne.
Interessant auch, dass die vieldiskutierten Terminservicestellen
(TSS) der Kassenärztlichen Vereinigungen im Alltag der meisten Ärzte
offenbar kaum eine Rolle spielen: 95 Prozent der Ärzte gaben an, dass
die eigene Praxis nie oder nur extrem selten von der TSS mit
Terminanfragen konfrontiert werde. Vier Prozent haben regelmäßig
Kontakt - und nur ein Prozent der Ärzte berichtet von häufigen
Nachfragen.
Dass Minister Spahn künftig eine bessere Vergütung von ärztlichen
Leistungen bei Patienten verspricht, die von den Terminservicestellen
vermittelt werden, stößt bei den Ärzten auf große Skepsis. Die
überwältigende Mehrheit von 89 Prozent der Umfrageteilnehmer glaubt
nicht, dass dieser Vergütungsanreiz die Versorgungssituation
irgendwie verändern oder verbessern wird. Nur 11 Prozent der Ärzte
sprechen von einer interessanten Entwicklung: Sie könnten sich "dann
gut vorstellen, mehr Patienten zu behandeln, die auf diesem Wege zu
uns gelangen".
Ein ähnliches Bild bei der geplanten besseren Vergütung der
Behandlung von Neupatienten: "Wir werden dann versuchen, mehr neue
Patienten aufzunehmen, damit sich die Sache lohnt", wählten lediglich
11 Prozent der Ärzte als Antwort - hoffend, dass die im Endeffekt
gefundene Honorarlösung auch wirklich mehr Geld in die Praxen spült.
31 Prozent bewerten es zwar grundsätzlich als positiv, dass im Gesetz
von extrabudgetärer Vergütung die Rede ist. Allerdings bedeute das
nicht, dass sie dadurch mehr neue Patienten aufnehmen könnten. Satte
58 Prozent trauen dem Braten auf ganzer Linie nicht: Sie halten die
Regelung für kompletten Unsinn.
"Hören Sie oft von Patienten, dass sie zu lange auf einen Termin
bei Ihnen warten mussten?", wollte der änd noch von den Ärzten
wissen. 63 Prozent der Befragten hören solche Klagen nicht oder nur
ganz selten. 30 Prozent berichten von regelmäßigen
Patientenbeschwerden, 7 Prozent achtet nach eigenen Angaben gar nicht
auf Patientenäußerungen in dieser Richtung.
An der Online-Befragung des änd beteiligten sich vom 11.09.2018
bis zum 12.09.2018 (Stand 23 Uhr) bislang 1417 überprüfte
niedergelassene Haus- und Fachärzte aus dem gesamten Bundesgebiet.
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