- Mehr als 40 Prozent der Babys erhalten bereits in der Klinik Muttermilchersatznahrung [1]
- Eine aktuelle Studie [2,3] gibt Entwarnung: Gewichtsabnahme nach der Geburt kein Grund zum Zufüttern
- Kaiserschnittbabys und späte Frühgeborene bekommen meist zu schnell Säuglingsnahrung [1] - Selbstvertrauen, Geduld und frühzeitige Stillberatung sind essentiell
Der größte Wunsch einer Mutter ist, dass ihr Kind gut gedeiht. Messbare Zeichen dafür sind Gewichtszunahme und Wachstum. Doch nach der Geburt ist genau das Gegenteil der Fall: In den ersten Tagen nehmen fast alle Babys ab! Die Mütter reagieren verunsichert und fragen sich, ob ihr Kind beim Stillen ausreichend Nahrung erhält. Viele tendieren dazu, aus Sorge künstliche Säuglingsmilch zuzufüttern. Auch das Fachpersonal in viele Kliniken reagiert ähnlich: Eine kürzlich durchgeführte Umfrage unter 400 Müttern im Auftrag des Stillprodukte-Herstellers Medela ergab, dass im Krankenhaus zwar rund 95 Prozent aller Babys mit Muttermilch ernährt wurden, jedoch erhielten mehr als 40 Prozent aller neugeborenen Babys bereits in der Klinik zusätzlich Säuglingsmilch. Frühgeborene Kinder erhielten mit 65 Prozent den höchsten Anteil, wobei auch 37 Prozent aller termingeborenen Babys die sogenannte Formula erhielt. Allen voran Babys, die per Kaiserschnitt auf die Welt kamen.[1] Dabei zeigen neue Studien, dass die Sorge um das gesunde Wachstum ausschließlich gestillter Neugeborener in den ersten Tagen oft unbegründet ist - und damit auf Säuglingsnahrung verzichtet werden könnte.
Gewichtsentwicklung nach der Geburt - aktuelle Lehrmeinung auf dem Prüfstand
Ein Gewichtsverlust in den ersten Tagen nach der Geburt ist ganz natürlich. Laut geltender Lehrmeinung [4,5] sollte er zehn Prozent des Geburtsgewichtes aber nicht überschreiten und spätestens nach zehn bis 14 Tagen muss das Geburtsgewicht wieder erreicht sein. Gelingt das bei Stillkindern nicht, raten Ärzte und Hebammen zum Zufüttern.
Eine Studie aus den USA mit über 160.000 gesunden Säuglingen stellt diese pauschale Forderung in Frage.[2,3] Fünf Prozent der spontan entbundenen Kinder und zehn Prozent der Kaiserschnitt-Babys hatten zwei Tage nach der Geburt mehr als zehn Prozent abgenommen.2 Ihr Geburtsgewicht hatten 14 Prozent der spontan geborenen Kinder 14 Tage nach der Entbindung noch nicht wieder erreicht. Bei den per Kaiserschnitt entbundenen Kindern erfüllte fast ein Viertel (24 Prozent) diese Erwartung nicht.[2] Die Studie zeigt, dass es für gesunde Babys nicht ungewöhnlich ist, wenn sie ihr Geburtsgewicht in der vorgegebenen Zeit nicht wieder erreichen. Mütter müssen sich in diesem Fall nicht sofort Sorgen machen, dass sie nicht genug Milch haben, um ihr Kind zu ernähren. Der pauschale Griff zur künstlichen Säuglingsnahrung sollte vor dem Hintergrund dieser Ergebnisse überdacht werden.[3]
"Die Natur hat es so vorgesehen, dass ein gesunder Säugling in den ersten drei Tagen nicht viel Flüssigkeit bekommt. Das hat Jahrtausende lang funktioniert. Verliert ein Baby nach der Geburt mehr als zehn Prozent an Gewicht, ist das kein Grund zur Panik. Vielmehr sollte genau hingeschaut werden, was die Ursache ist. Funktioniert das Stillen und ist das Kind gesund, kann weiter gestillt werden. Ein Zufüttern ist nicht nötig. Voraussetzung ist dann aber eine engmaschige Kontrolle des Kindes durch den Arzt, eine Hebamme oder Stillberaterin", weiß Thomas Kühn, Oberarzt am Perinatalzentrum des Vivantes Klinikums Berlin-Neukölln.
Mütter brauchen mehr Vertrauen in ihre Fähigkeit zu stillen
Rund 30 Prozent der Babys kommen in Deutschland per Kaiserschnitt zur Welt.[7] Eine aktuelle Umfrage von Medela zeigt, dass 61 Prozent der reif geborenen Kaiserschnittkinder in Geburtskliniken Muttermilchersatznahrungen erhalten.[1] Die Ursachen: Vor allem Kaiserschnitt-Babys nehmen nach der Geburt stark ab und erreichen ihr Geburtsgewicht nicht so schnell wieder wie erwartet.[2,3] Künstliche Säuglingsnahrung scheint der sichere und einfache Weg, eine gute Entwicklung dieser Kinder sicherzustellen. "Frauen, die per Kaiserschnitt entbunden haben, zweifeln oft an ihren Fähigkeiten als Mutter und daran, dass sie ihr Kind stillen können. Dabei sind ein inniger Kontakt zwischen Mutter und Kind sowie das Vertrauen der Frau in ihre natürlichen Fähigkeiten der Schlüssel zu einer erfolgreichen Stillbeziehung", weiß Dr. Bärbel Basters-Hoffmann, Oberärztin am St. Elisabethen-Krankenhaus in Lörrach. Um Frauen das notwendige Vertrauen in sich und ihr Kind zu geben, wünscht sich die Expertin, dass Frauen in der Geburtsvorbereitung mehr über die natürlichen Abläufe der Milchbildung erfahren. Dann verunsichern die geringen Mengen an Kolostrum, der allerersten Muttermilch, in den ersten Tagen nach der Geburt nicht. Im Gegenteil: Diese wenigen Tropfen sind Nahrung, Gesundheitsschutz und Geborgenheit in einem. Unterstützung und Ermutigung beim Stillen finden Mütter bei ihrer Hebamme oder Stillberaterin: Sie weiß, was Mütter tun können, um nach einer Kaiserschnitt-Entbindung die Milchbildung gezielt anzuregen und langfristig zu sichern.
Späte Frühgeborene senden weniger Hungersignale
Zwei Drittel aller Frühchen werden zwischen der 34. und 37. Schwangerschaftswoche geboren.[8] Diese so genannten späten Frühgeborenen passen sich nach der Geburt zumeist recht gut an und zeigen ein ausreichend hohes Geburtsgewicht, um auf der normalen Wochenstation betreut zu werden. Die Organe des Kindes, vor allem das Gehirn, sind aber noch nicht voll entwickelt und auch die Energiereserven sind niedriger als bei einem termingeborenen Säugling. Daher schlafen die Babys viel und zeigen nicht so deutlich, wenn sie hungrig sind oder dass sie Kontakt zur Mutter suchen. Beim Stillen saugen sie nur schwach und kurz an der Brust. "Die Mütter haben rasch den Eindruck, dass ihr Kind nicht ausreichend trinkt und verhungern könnte. Aus Sorge möchten viele am liebsten per Fläschchen Formula füttern. Doch diese Angst ist meist unbegründet", weiß Dr. Michael Zeller, Oberarzt an der Kinderklinik Dritter Orden in Passau. Er rät den Eltern, ihrem Kind die Zeit zu lassen, die es benötigt, und aufmerksam auf seine Signale einzugehen. Die Kinder zeigen sehr individuell, wann sie Hunger haben, Kontakt und Ansprache oder auch Ruhe brauchen. Hebammen und Stillberaterinnen können der Mutter zeigen, wie sie die Milchbildung anregen und so die Ernährung des Kindes unterstützen kann.
Weitere Informationen:
- Stillberatungstipps von der Stillberaterin
o Tipps zur Gewichtsentwicklung des Neugeborenen, Manuela Burkhardt
o Tipps für den erfolgreichen Stillstart nach einem Kaiserschnitt, Nicole Fröhlich
o Tipps für den erfolgreichen Stillstart nach einer Frühgeburt, Nicole Fröhlich
- Medela
- Ausgewähltes Bildmaterial
Über Medela
Seit mehr als 50 Jahren verfolgt Medela ein Ziel: die Gesundheit von Mutter und Kind durch die lebensspendenden Vorteile der Muttermilch zu fördern. Das 1961 gegründete Unternehmen mit Sitz in der Schweiz betreibt seit Jahrzehnten intensiv Grundlagenforschung im Bereich Muttermilch und Stillen in Zusammenarbeit mit führenden Wissenschaftlern, Fachspezialisten und Universitäten. Medela nutzt die Forschungsergebnisse für Bildungsarbeit und die Entwicklung seiner Stillprodukte. Erfahren Sie hier mehr über aktuelle Erkenntnisse aus der Still- und Laktationsforschung.
Literaturhinweise
1. Ernährung von Babys, USMedia, Juni 2017.
2. Flaherman VJ, Schaefer EW, Kuzniewicz MW, Li SX, Walsh EM, Paul IM. Early weight loss nomograms for exclusively breastfed newborns. Pediatrics. 2015;135(1).
3. Paul IM, Schaefer EW, Miller JR, et al. Weight Change Nomograms for the First Month After Birth. Pediatrics. 2016;138(6):e20162625.
4. S2k-Leitlinie Betreuung von gesunden reifen Neugeborenen, Stand 2012.
5. Ernährung gesunder Säuglinge. Empfehlung der Ernährungskommission der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin. Monatsschr Kinderheilkd 2014, 527-538; DOI 10.1007/s00112-014-3129-2
6. Walker M. Breastfeeding Management for the Clinician - Using the evidence, Jones & Bartlett Learning, 3. Aufl. 2014.
7. https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/76531/Kaiserschnittraten-der-Kliniken-sind-unterschiedlich
8. Köster H.R. Das späte Frühgeborene: eine Herausforderung in der Stillberatung. Die Hebamme 2014; 27: 246-251.