Münster, Lübeck, 24. Februar 2010. Die rechtlichen Vorschriften für die klinische Bewertung von Medizinprodukten in Deutschland entsprechen nicht den Anforderungen der ab 21. März anzuwendenden, überarbeiteten EU-Richtlinie 93/42/EWG. Diese Einschätzung vertritt Dr. Guido Middeler, Leiter des Bereichs Medizinprodukte beim Pharma-Dienstleister Diapharm (www.diapharm.de). Der Experte warnt davor, dass die deutsche Umsetzung der Richtlinie deutlich über die EU-Vorgaben hinausgehen werde, und verweist auf einen aktuellen Referentenentwurf des Bundesgesundheitsministeriums zur Verordnung über klinische Prüfungen von Medizinprodukten (MPKPV). "Durch die MPKPV soll die Genehmigungspflicht für klinische Prüfungen auf nahezu alle Medizinprodukte ausgedehnt werden. Das bedeutet quasi die Einführung eines verdeckten Zulassungsverfahrens", betont Middeler.
Da die Umsetzung der europäischen Vorschriften in Staaten wie etwa Österreich deutlich zurückhaltender ausfalle, sei Deutschland durch die Neuregelungen als Standort für Unternehmen aus der Medizinprodukte-Industrie bedroht. "Letztlich kann dies dazu führen, dass innovative Entwicklungsprojekte ins Ausland verlagert werden und sich für kleine und mittelständische Unternehmen deutliche Wettbewerbsnachteile ergeben", erklärt Middeler.
Für die geänderte Fassung der europäischen Richtlinie über Medizinprodukte war in Deutschland mit der 4. Novelle des Medizinproduktegesetzes (MPG) bereits Ende Juli vergangenen Jahres der rechtliche Rahmen geschaffen worden. "Wesentliche Neuerungen haben sich dabei insbesondere bezüglich der klinischen Prüfung ergeben", erläutert Middeler. Besonders kritisiert der Fachmann das künftig für klinische Prüfungen erforderliche Genehmigungsverfahren beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) als zuständiger Behörde.
"Bezüglich der Zahl der betroffenen Produkte, der einzureichenden Unterlagen und der zu prüfenden Inhalte gehen die in Deutschland geplanten Regelungen weit über die Forderungen der EU-Richtlinien hinaus", kritisiert Middeler. Zudem ergebe sich durch die bei klinischen Prüfungen ohnehin vorgeschriebene Einbeziehung von Ethikkommissionen teilweise eine Doppelprüfung der Unterlagen - ohne dass festgelegt wäre, wie im Falle unterschiedlicher Bewertungen durch BfArM und Ethikkommission zu verfahren ist. "Eine eindeutige Abgrenzung der Verantwortlichkeiten wäre hier angezeigt", befindet der Experte.
Insgesamt leiten sich aus den Neuregelungen im Medizinproduktegesetz und der begleitenden Verordnung umfassende Haftungspflichten für den sogenannten Sponsor einer klinischen Prüfung ab - von der der Produktentwicklung und der erforderlichen Einführung eines Qualitätsmanagementsystems bis hin zur künftig vorgeschriebenen Nachbeobachtung der Teilnehmer einer Studie. Neben den Änderungen im Zusammenhang mit klinischen Bewertungen sowie klinischen Prüfungen umfasst die 4. Novelle des Medizinproduktegesetzes unter anderem auch Neuregelungen bei der Konformitätsbewertung und bei Einmalprodukten.
(ca. 3.020 Zeichen)