Erfreulicherweise leben immer mehr alte Menschen
länger in den eigenen vier Wänden. "Was sich zunächst wie der
Idealzustand anhört, kann für Menschen mit Demenz mitunter in heiklen
Situationen münden. Oder die pflegenden Angehörigen stark belasten.",
weiß die Ergotherapeutin Ann-Kathrin Blank, DVE (Deutscher Verband
der Ergotherapeuten e. V.). Die Erfahrung zeigt, dass Menschen, die
bereits ab einem sehr frühen Stadium der Demenz professionelle
Beratung, Unterstützung und Training ihrer körperlichen Wahrnehmung
durch Ergotherapeuten erhalten, im Alltag besser zurechtkommen.
Wirtschaftliche Argumente sprechen ebenso dafür wie
gesamtgesellschaftliche Verpflichtungen und der Inklusionsgedanke:
Möglichst viele Menschen sollten ihren Lebensabend autark oder im
Kreise ihrer Lieben verbringen können. Damit dies auch bei Menschen
mit Demenz für alle Beteiligten bestmöglich funktioniert, empfiehlt
die Expertin Ann-Kathrin Blank, früh mit der Beratung und
Unterstützung der betroffenen Menschen zu beginnen, um die
Auswirkungen dieser Alterserkrankung auf den Alltag zu mildern.
Ergotherapeuten bieten in diesem Fall den Angehörigen ein Coaching an
und klären über Hintergründe und Folgen dieser Erkrankung auf. Das
ermöglicht diesen, adäquat mit ihrem an Demenz erkrankten
Familienmitglied umzugehen, Aktivitäten in den Alltag zu integrieren,
die die körperlichen und geistigen Fähigkeiten fördern.
Körperwahrnehmung: Bewegung spielt eine wichtige Rolle
"Alles, was ein Demenzkranker tut, hat einen Sinn.", wirbt die
Ergotherapeutin um mehr Verständnis für Menschen mit Demenz "Sie
wollen sich selbst spüren." Die nachlassende Körperwahrnehmung ist
der Grund, warum es bei vielen Betroffenen im Verlauf der Erkrankung
zu Handlungen kommt, die für die Außenwelt zunehmend absurder und
unverständlicher scheinen. Um dieser unaufhaltsamen Entwicklung
entgegenzuwirken und die Folgen möglichst lange hinauszuzögern oder
abzuschwächen, raten Ergotherapeuten Menschen mit einer beginnenden
Demenz weiter Sport zu treiben und in Bewegung zu bleiben. Oder, hat
derjenige bislang keinen Sport betrieben, eine passende Sportart wie
Schwimmen, Yoga oder Qi Gong zu probieren; sportliche Betätigungen
also, die in besonderem Maße förderlich für die eigene
Körperwahrnehmung sind. Ein durchaus erwünschter Nebeneffekt ist
dabei, dass die nach der Diagnose "Demenz" oft auftretenden
depressiven Reaktionen sich nicht noch dadurch verstärken, dass
solche liebgewonnenen Freizeitbeschäftigungen plötzlich entfallen.
Zusätzlich zu solchen Maßnahmen, die die Körperwahrnehmung
stabilisieren, wirken Ergotherapeuten der nachlassenden
Muskelanspannung mit Bewegungsspielen und Wahrnehmungsstimulation
entgegen. Auch stärken sie die Fähigkeiten und Ressourcen ihrer
Patienten auf körperlicher und mit sehr viel Fingerspitzengefühl auch
auf seelischer Ebene. So verleihen sie ihnen mehr Widerstandskraft
gegenüber der Stigmatisierung und anderen Ausgrenzungen von außen.
Ziele: ein Ansporn für Menschen mit Demenz
"Gegen das Fortschreiten der Demenz lässt sich kaum etwas tun;
gegen die Auswirkungen auf den Alltag hingegen schon.", so die
Ergotherapeutin, die erklärt, welche Faktoren die Betroffenen selbst,
beziehungsweise in den späteren Stadien ihrer Erkrankung die
Angehörigen, positiv beeinflussen können. Die Hände gehören zu den
wichtigsten Sinnesorganen. Indem sie sie alltägliche Dinge verrichten
lassen, fördern Ergotherapeuten diesen Wahrnehmungssinn bei den
demenzkranken Menschen. Parallel klären sie die Angehörigen auf.
Erläutern beispielsweise, dass es wichtig ist, schwere Gegenstände zu
verwenden, um das Spüren mit den Händen, das ''Be-greifen'', zu
fördern. Alles Schwere regt die sogenannte Propriozeption an, die
Tiefensensibilität, die ein wesentlicher Teil der körperlichen
Eigenwahrnehmung ist. Dank dieser wissenschaftlich fundierten,
ergotherapeutischen Vorgehensweise gelingt es, Menschen mit Demenz so
zu befähigen, dass die Angehörigen sie in alltägliche Handlungen wie
Haushalt & Co. sinnvoll einbeziehen können. Dadurch fühlen Menschen
mit Demenz sich kompetent und bestätigt; so sind sie motiviert, etwas
zu tun und weiter zu tun. Denn findet das Gegenteil statt, haben die
Hände, der Körper und der Geist nichts zu tun, kommen sie aus der
Übung, noch vorhandene Fähigkeiten lassen schneller nach.
Abwechslung: Ergotherapeuten verschaffen Angehörigen Freiräume
Die Verantwortung von Menschen, die mit einem Demenzkranken in
einem Haushalt leben, ist groß. Oft fühlen sie sich rund um die Uhr
verpflichtet. Ergotherapeuten unterstützen sie auch an dieser Stelle,
geben ihnen eine Reihe Tipps, wie sie praktisch mit bestimmten
Angewohnheiten umgehen, Abwechslung und Beschäftigung in den Alltag
bringen können. Räumt ein Mensch mit Demenz etwa immer wieder den
Kleiderschrank aus, empfehlen Ergotherapeuten niederschwellige,
leicht umzusetzende Alternativen wie eine Kiste mit Kleidungsstücken
zum Wühlen bereit zu stellen. Oder die Umgebung immer wieder mit neu
angepassten Reizen auszustatten, die dem demenzkranken Menschen
ermöglichen, haptisch unterschiedliche Dinge zu sammeln und zu fühlen
wie Tücher, Kuscheltiere, Nesteldecken, schwere Bücher, ... eben
alles, das Interesse weckt und demjenigen ermöglicht, seinen Körper,
also sich selbst zu spüren. Darüber hinaus schlagen Ergotherapeuten
Möglichkeiten vor, wie betreuende Angehörige ihren Alltag bereichern,
sogar gemeinsam mit dem Demenzkranken etwas unternehmen wie ein
Tanzcafe oder andere Veranstaltungen zu besuchen. Und damit sowohl
freudige Erlebnisse und Augenblicke der Lebenslust für beide zu
schaffen als auch durch die Bewegung die Körperwahrnehmung des
Partners mit Demenz zu stärken.
Informationsmaterial gibt es bei den Ergotherapeuten des DVE
(Deutscher Verband der Ergotherapeuten e.V.); Ergotherapeuten in
Wohnortnähe auf der Homepage des Verbandes im Navigationspunkt
Service und Ergotherapeutische Praxen, Suche.
Pressekontakt:
Angelika Reinecke, Referentin für Öffentlichkeitsarbeit des DVE e.V.
Telefon: 033203 - 80026, E-Mail: a.reinecke@dve.info
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