Die Informations- und Kommunikationstechnologie
ist für Dr. Gerald Quitterer, Präsident der Bayerischen
Landesärztekammer (BLÄK) eine der herausragenden Technologien des 21.
Jahrhunderts. "Sie gilt es im Gesundheitswesen strukturiert und mit
Bedacht zu nutzen, um für Ärzte und Patienten gleichermaßen mehr
Behandlungssicherheit und einen schnelleren Informationsaustausch zu
bekommen". Dafür brauche es die Einführung einer
Telematikinfrastruktur für den sicheren und direkten Datenaustausch
medizinischer Informationen zwischen Ärzten und Kliniken, die
gesetzlich verankert werden müsse. Vor wenigen Tagen haben sich die
Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), der GKV-Spitzenverband und
die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV) auf Standards für
die elektronische Patientenakte (ePA) geeinigt. In einem sogenannten
"Letter of Intent" wurde festgelegt, dass als gemeinsame Perspektive
der "ePA-Architektur" das "gematikModell" nach § 291a des
Sozialgesetzbuch V (SGB V) gelte. "Wohin führt uns die
Digitalisierung?", fragt Quitterer am 77. Bayerischen Ärztetag.
"Führen wir oder werden wir geführt? Wie können wir angesichts von
Algorithmen, BIG Data, elektronischer Patienten- und Gesundheitsakte,
der ungeheuren Datenflut Herr werden?" Es gelte, einer drohenden
Entpersonalisierung der Arzt-Patienten-Beziehung sowie einer
Ökonomisierung im Gesundheitswesen entgegenzuwirken und auch ethische
Grundsätze zu definieren, wie die digitalisierte Medizin die
Versorgungsansprüche der Patienten darstellen könne.
Fernbehandlung erfordert Änderung der Berufsordnung
Zusätzliche ärztliche Angebote werde der Patient künftig über die
"ausschließliche Fernbehandlung" auch in Bayern erhalten. Dazu plant
der 77. Bayerische Ärztetag in einem Antrag folgende Änderung der
Berufsordnung (BO): "Ärzte beraten und behandeln Patienten im
persönlichen Kontakt. Sie können dabei Kommunikationsmedien
unterstützend einsetzen. Eine ausschließliche Beratung oder
Behandlung über Kommunikationsmedien ist im Einzelfall erlaubt, wenn
dies ärztlich vertretbar ist und die erforderliche ärztliche Sorgfalt
insbesondere durch die Art und Weise der Befunderhebung, Beratung,
Behandlung sowie Dokumentation gewahrt wird und der Patient auch über
die Besonderheiten der ausschließlichen Beratung und Behandlung über
Kommunikationsmedien aufgeklärt wird." [§ 4 (4) - BO]. "Bei allen
Chancen, die diese neue Form der Behandlung bietet, muss der
Goldstandard nach wie vor der persönliche Arzt-Patienten-Kontakt
sein. Die Ärztinnen und Ärzte werden in der realen Versorgung
gebraucht, nicht hinter dem Bildschirm", so Quitterer. Auch werde die
Fernbehandlung den erhöhten Versorgungsbedarf, insbesondere auf dem
Land und vor allem im hausärztlichen Bereich, nicht decken. Aber auch
bei den niedergelassenen Fachärzten und in den Kliniken fehlten
zunehmend Ärztinnen und Ärzte. Dabei könne es nicht sein, auf
Kolleginnen und Kollegen aus dem Ausland zu setzen. Quitterer: "Zum
einen stehen sie vor der Herausforderung von Gleichwertigkeits-,
Fachsprachen- und Kenntnisprüfungen, zum anderen entziehen wir sie
der medizinischen Versorgung in ihren Heimatländern."
Mehr Medizinstudienplätze
"Wir brauchen dringend mehr Studienplätze für Medizin in
Deutschland: Ich möchte beispielsweise eine Medizinische Fakultät in
Passau", argumentiert Quitterer "Die Zugangsbedingungen zum
Medizinstudium müssen grundlegend reformiert werden. Keine
Erschwerniszulagen und Frondienste. Keine unbezahlten Praktika. Die
Profession Arzt kann nicht durch ''Physician Assistant'' oder andere
Gesundheitsberufe ersetzt werden. Die Ausbildung muss universitär
bleiben. Um für die Patienten auch zukünftig eine qualitativ
hochwertige und wohnortnahe Versorgung sicherzustellen, dürfen wir
nicht nachlassen, noch mehr Nachwuchsmediziner für den Arztberuf zu
begeistern", sagt der Präsident.
Stärkung der Freiberuflichkeit und der ärztlichen Selbstverwaltung
Unnötige Regulierungen und Eingriffe in die ärztliche Berufsausübung
sieht Quitterer beim Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG), das
kürzlich im Bundeskabinett gebilligt worden war und noch 2018 in
Bundestag und Bundesrat beraten werden soll. Neben positiven Aspekten
in diesem Gesetz komme beispielsweise mit der Forderung nach mehr
Sprechstunden "Misstrauen und fehlende Wertschätzung" bei den Ärzten
an. "Diese Regulierungen sind Eingriffe nicht nur in bestehende
Verträge, sondern auch in die Freiberuflichkeit des Arztes", so
Quitterer. Die ärztliche Selbstverwaltung werde ihre Belange,
Berufsordnung (BO), ärztliche Weiterbildung und Fortbildung, auch in
Zukunft selbst gestalten.
Am 77. Bayerischen Ärztetag steht darüber hinaus noch eine Reihe
von BO-Änderungen auf der Tagesordnung. Sie befassen sich mit der
Wahrung ärztlicher Unabhängigkeit bei Festlegung medizinischer
Standards (Leitlinien), bei ärztlichen Studien und im Rahmen
ärztlicher Fortbildung.
Klimawandel und Gesundheit
Bayerns Ärztechef abschließend: "Jenseits der genannten Themen
müssen wir uns mit den Auswirkungen des Klimawandels auf den
Menschen, auf unser aller Gesundheit, beschäftigen. In diesem
Zusammenhang stellen wir uns die grundsätzliche Frage nach dem Umgang
mit unserem Wohlergehen, den Ressourcen und der gegenseitigen
Wertschätzung."
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