1963: Entdeckung durch Zufall
Die Entdeckung von Valium war einem glücklichen Zufall geschuldet. In den 1950-Jahren forschte man weltweit an neuartigen Beruhigungsmitteln. Der Medizin standen zur Behandlung von Angst, Spannungszuständen oder Schlafstörungen damals nur Barbiturate zur Verfügung, deren therapeutische Breite jedoch sehr gering war. Man konnte sie leicht überdosieren, was zu zahlreichen Todesfällen führte. Ganz vorne mit dabei auf der Suche nach neuen Wirkstoffen war die Firma Hoffmann-La Roche. Die von ihr getesteten Substanzen erwiesen sich jedoch allesamt als unwirksam oder hatten zu viele Nebenwirkungen. Man wollte die Forschung schon aufgeben, als Wissenschaftler beim Aufräumen im Labor auf zwei Proben stießen, die man übersehen hatte. Sie entschlossen sie sich, auch diese noch den üblichen Tests zu unterziehen – und erzielten mit einem davon den lang erhofften Durchbruch.
Von Librium zu Valium
Die neu entdeckte Substanz, Chlordiazepoxid, erwies sich als wirksam zur Muskelentspannung und Krampflösung. Im Jahr 1960 kam es unter der Marke Librium als erstes Benzodiazepin überhaupt auf den Markt. Davon abgeleitet entwickelte man in den folgenden Jahren noch eine Reihe weiterer Wirkstoffe. Der erfolgreichste davon – Diazepam – kam schließlich im Jahr 1963 als „Valium“ auf den Markt. Als Entdecker der neuen Substanzklasse gilt der Chemiker Leo Sternbach, der bis in die 1940er-Jahre in Basel geforscht hatte und dann in die USA emigrierte. Neben Librium und Valium entwickelte dieser Wissenschaftler noch mehr als 240 andere Arzneimittel und führte sie zur Patentreife.
Diazepam hat eine Halbwertszeit von 20 bis 50 Stunden. Damit zählt es zu den lang wirksamen Benzodiazepinen. Im Körper wird es zu Nordazepam, Temazepam und Oxazepam verstoffwechselt. Die Abbauprodukte sind selbst noch so wirksam, dass sie als selbständige Arzneimittel vertrieben werden. Allerdings verbleiben auch diese noch für einige Zeit im Körper, weshalb sich bei einer täglichen Anwendung die Wirkstoffe kumulieren.
Für viele Jahre galt Valium als Allheilmittel bei den kleinen Problemen des Alltags. Als „Mother´s Little Helper“ gelangte es nicht nur in den USA in kurzer Zeit zu höchster Beliebtheit. Allmählich erkannte man aber, dass Valium bei langfristiger Anwendung abhängig macht und die Persönlichkeit verändert.
55 Jahre Valium – ein Ausblick
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Heute sind Ärzte mit der Verschreibung von Valium viel vorsichtiger als damals. Für viele Anwendungen, vor allem bei Angst-, Spannungs- und Erregungszuständen, als Schlafmittel, bei Epilepsie, bei muskulären Verspannungen oder vor operativen Eingriffen, ist es jedoch nach wie vor die erste Wahl. Zwar forscht die Industrie mit Hochdruck an neuen Substanzen mit noch weniger Nebenwirkungen, doch bislang ist kein Ersatz in Sicht. Wenn wir nun 55 Jahre Valium feiern, ist es gewiss, dass es uns noch für viele weitere Jahre erhalten bleibt.