Es ist noch früh am Morgen, als unser kleiner Mietwagen auf der
schmalen Straße zwischen den kerzengerade emporwachsenden Tannen
entlang rollt. Sonnenstrahlen bohren sich durch das Unterholz und an
den Nadelspitzen funkeln glasklare Tautropfen. Wir sind unterwegs auf
dem Durmitor-Ring, einer neu ausgeschilderten Panoramastraße im
Norden Montenegros. Die achtzig Kilometer lange Runde startet in dem
kleinen Städtchen Zabljak. Mit einer Landkarte bestückt, haben wir
uns auf den Weg gemacht und sind direkt der Empfehlung gefolgt, den
Abstecher zum Curevac nicht zu verpassen. Die Aussicht in die
Tara-Schlucht, immerhin die tiefste Europas, sei von dort besonders
eindrucksvoll. Das wollen wir uns natürlich nicht entgehen lassen.
Am Ende des Waldes erwartet uns ein erster Eindruck. Schon wenige
Meter vom Parkplatz entfernt blickt man über 1.300 Meter tief in die
Schlucht hinab. Zum eigentlichen Aussichtspunkt führt ein kurzer
Wanderweg, der am Rand der Klippen entlangführt. Weit ist es nicht,
aber es geht bergauf. Ein paar Schweißperlen stehen uns auf der
Stirn, als wir den Gipfel erreichen. Obwohl es noch früh ist, sind
wir heute nicht allein. Eine kleine Gruppe ungarischer Touristen
kommt kurz nach uns an. Sie sind von der Aussicht so begeistert, dass
sie spontan anfangen zu singen und mitten in der Wildnis einen
Freudentanz aufführen. Was die Schönheit der Natur alles bewirken
kann! Uns geht es kaum anders beim Blick hinab in das Tal, an dessen
Grund sich die türkis leuchtende Tara wie ein Band von den
dunkelgrünen Wäldern abhebt. Es wird nicht das letzte Mal bleiben,
dass uns an diesem Tag beim Anblick der spektakulären Landschaft vor
Glück ein Schauer über den Rücken läuft.
Im Norden Montenegros ist vom Tourismusboom an den Stränden der
Adria noch wenig zu spüren. Es gibt zwar einige Hotspots, wie die
Raftingtouren auf der Tara, doch ansonsten konnte die Region ihre
Ursprünglichkeit bewahren. Insbesondere die Landwirtschaft ist für
diejenigen, die noch nicht, wie viele andere, mangels Alternativen
Richtung Hauptstadt oder an die Küste gezogen sind, eine wichtige
Erwerbsquelle. Wie in vielen europäischen Ländern ist auch in
Montenegro die Landflucht ein Problem. Der Tourismus, so hofft man,
soll den Wandel bringen und auch den jungen Menschen Perspektiven zum
Verbleib in den ländlich geprägten Bergregionen bieten. Projekte wie
die Panoramastraße sollen dabei helfen.
Einsames Leben in den Bergen
Entlang der Strecke bekommen wir immer wieder einen Eindruck vom
bäuerlichen Leben in Montenegros Bergen. Hier und da tauchen
verstreute Siedlungen oder einfache Holzhäuser auf. So auch in Mala
Crna Gora, das wörtlich übersetzt "kleines Montenegro" bedeutet. Es
gehört zu den höchstgelegenen Siedlungen Südosteuropas. Nur 14 der
Einwohner leben das ganze Jahr über hier. Und das ist nichts für
jeden. Denn die schmale Straße, über die auch der Durmitor-Ring
verläuft, ist im Winter durch zehn Meter hohe Schneeverwehungen
unpassierbar. Mehrere Monate sind die Einwohner vollständig von der
Außenwelt abgeschnitten. Andere sind nur im Sommer auf den Almen, die
in Montenegro Katun genannt werden. So auch Nenad Abramovic. "Im
Herbst muss alles geregelt werden und man muss Vorräte für ein halbes
Jahr anlegen", berichtet er. Sein Lächeln strahlt Wärme aus. Doch das
karge Leben hat Falten im Gesicht des 77-Jährigen hinterlassen. Er
lebt mit seiner Frau Stojka, zehn Schafen, drei Kühen und Pferden im
Katun Ograde. Ob das Leben hier schwer sei, wollen wir wissen.
"Früher schon", meint Stojka, "doch heute nicht mehr so sehr." Nur
dass so wenig Menschen hier leben, das sei hart.
Nuancen von Grün
Nun geht es abwärts, hinab in die Susica-Schlucht. Der Asphalt ist
noch sichtbar neu, doch die Serpentinen sowie hier und da
herumliegende Steine erfordern volle Aufmerksamkeit. Am Ende der
Talfahrt erwartet uns schon der nächste Höhepunkt. In der in allen
erdenklichen Nuancen von Grün schillernden Oberfläche des
Susica-Sees, spiegeln sich schroffe Berge und weiße Wolken. Kaum zu
glauben, dass in nur ein paar Wochen an dieser Stelle nur noch eine
Wiese zu sehen sein soll. Doch das Durmitor-Gebirge besteht aus
Kalkstein und der Karst bringt so manches geologische Phänomen mit
sich. Bis zum Hochsommer versickert das Wasser durch den zerklüfteten
Boden und tritt an entfernten Quellen wieder zutage. Erst mit den
winterlichen Niederschlägen füllt sich der See an der Talsohle wieder
und so beginnt der alljährliche Kreislauf von Neuem.
Vom Blüten- ins Felsenmeer
Wieder geht es bergauf. Wieder wechselt die Landschaft. Die
Hochebene der Pivska Planina ist von scheinbar endlosen Bergwiesen
überzogen. Der Duft von Kräutern liegt in der Luft und die gelb und
lila leuchtenden Blüten zaubern einen Kontrast zum Blau des Himmels.
In allen Richtungen erheben sich am Horizont gewaltige Gebirge, auf
denen selbst jetzt im Frühsommer noch weiße Schneefelder zu sehen
sind. Langsam kommen die höchsten Gipfel immer näher. Aus dem Blüten-
wird ein Felsenmeer und zwischen den aberwitzig gefalteten, steilen
Gesteinsformationen breiten sich immer wieder sanfte, grüne Talwiesen
aus. Einige der Felsbrocken scheinen sich zu bewegen. Doch es sind
nur Schafe. Eine von zahlreichen Herden wird von einem Jungen hinter
einen dichten Bretterzaun getrieben. Das soll, genauso wie ein paar
beeindruckend große Hütehunde, dafür sorgen, dass keine Wölfe die
Tiere in der Nacht reißen.
Wo die Götter schlafen
Um uns herum sind nur noch Berge. Es verwundert kaum, dass diese
Landschaft Ursprung zahlloser Mythen und Legenden von Göttern und
Nymphen ist. Auch der höchste Berg des Landes, der 2.523 Meter hohe
Bobotov Kuk ist teilweise zu sehen. Eigentlich ist der Gipfel des Zla
Kolata noch elf Meter höher. Doch das zählt für die Montenegriner
nicht, denn der steht zur Hälfte auf der Grenze zum Nachbarland
Albanien. Nicht so der Bobotov Kuk. Der steht komplett in Montenegro
und bildet die Spitze von 47 weiteren Zweitausendern im
Durmitor-Gebirge. Zur Herkunft des Namens Durmitor gibt es
verschiedene Erklärungen. Eine davon soll sich vom Lateinischen
"dormire" ableiten und frei übersetzt "Berge, wo die Götter schlafen"
bedeuten.
Die Sonne steht bereits tief, als wir den Sedlo erreichen. Der
Pass ist beliebt. Nicht nur wegen der Aussicht von dort. Ein paar
Wanderer erreichen gerade etwas erschöpft aber mit Zufriedenheit im
Gesicht ihr Auto. Sie kommen vom Bobotov Kuk und sind vom Erlebnis
der Besteigung noch sichtlich beeindruckt. Unsere Fahrt auf der
Panoramastraße war da sicher entspannter, aber nicht minder
eindrucksvoll. Der Sonnenuntergang färbt den Himmel rot und wir
genießen noch einmal den Blick auf die von den letzten Strahlen
orange gefärbten Felswände. Wo sonst, wenn nicht hier, sollten die
Götter wohl schlafen?
Tipps:
> Informationen zum Reiseland gibt es unter www.montenegro.travel.
> Mietwagen sind an den internationalen Flughäfen von Podgorica und
Tivat zu bekommen.
> Beste Reisezeit für den Durmitor-Ring ist Mai bis Oktober.
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Hinweis für die Redaktion
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https://montenegro.deqom.com/wo-die-goetter-schlafen/
Ansprechpartner (deutschsprachig)
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Andri Stanovic
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Tel.: +382 (0) 77 10 00 23
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montenegro@deqom.com
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