Die australische Internierungspolitik
verursacht bei den Geflüchteten auf Nauru exzessive psychische
Probleme. Zu diesem Ergebnis kommt der heute von der
Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen in Canberra vorgestellte Bericht
"Indefinite Despair". Demnach hatten 30 Prozent der 208 von Ärzte
ohne Grenzen bis Oktober behandelten Asylsuchenden und Flüchtlinge
versucht, ihrem Leben ein Ende zu setzen. 60 Prozent hatten
Selbstmordgedanken. Bei zwölf Patienten, darunter auch Kinder,
diagnostizierten die Psychologen das seltene "Resignation Syndrome".
Betroffene fallen in einen komaähnlichen Zustand und hören auf zu
essen und zu trinken.
"Australien muss diese Politik beenden und alle Flüchtlinge und
Asylsuchenden umgehend aus Nauru evakuieren", fordert Florian
Westphal, Geschäftsführer von Ärzte ohne Grenzen in Deutschland.
"Doch auch in der EU sehen wir etwa auf Lesbos, welch verheerende
Auswirkungen eine Politik hat, die Schutzsuchende für lange Zeit im
Ungewissen festsetzt. Auch im EU-Hotspot Moria sehen wir, dass selbst
Kinder sich selbst verletzen oder von Suizid sprechen. Die
Erkenntnisse aus Nauru zeigen, wie enorm hoch der humanitäre Preis
ist, dem australischen Abschreckungsmodell zu folgen."
Die medizinischen Daten in dem Bericht zeigen, dass die
psychosozialen Probleme der auf Nauru Internierten zu den schwersten
gehören, die Teams von Ärzte ohne Grenzen weltweit dokumentiert
haben, selbst wenn Projekte für Folterüberlebende einbezogen werden.
"Ich war jeden Tag in Sorge, welcher meiner Patienten versuchen
würde, sich das Leben zu nehmen", beschreibt Christine Rufener,
klinische Psychologin bei Ärzte ohne Grenzen. "Nach fünf Jahren des
Wartens hatten die Menschen jede Hoffnung verloren."
Drei Viertel der Flüchtlinge und Asylsuchenden berichteten von
traumatischen Erlebnissen, wie Inhaftierungen und militärische
Konflikte, schon vor ihrer Ankunft auf Nauru. Doch der Bericht zeigt,
dass ihre psychische Gesundheit vor allem von der Situation auf Nauru
angegriffen wurde. 65 Prozent der Patienten hatten das Gefühl, die
Kontrolle über ihr Leben verloren zu haben. Sie waren deutlich
häufiger suizidgefährdet oder hatten schwere psychiatrische
Erkrankungen. "Es ist die australische Politik der unbegrenzten
Internierung, die ihre mentale Gesundheit und ihre Hoffnung auf eine
Zukunft zerstört hat", sagt Rufener.
Ein Team von Ärzte ohne Grenzen leistete elf Monate psychologische
Hilfe für 285 Patienten, darunter auch Dutzende Bewohner von Nauru.
Anfang Oktober zwang die Regierung von Nauru das Team, die Insel zu
verlassen. Zu diesem Zeitpunkt befanden sich mehr als 200 Patienten
in Behandlung. Ärzte ohne Grenzen ist sehr besorgt um das
Wohlbefinden der Patienten, die das Team zurücklassen musste.
Der Bericht "Indefinite Despair" kann unter diesem Link
heruntergeladen werden:
https://share.aerzte-ohne-grenzen.de/index.php/s/eymaYAp8gNq99BX
Fotos bzw. Videomaterial aus Nauru können unter folgenden Links
heruntergeladen werden:
https://media.msf.org/Share/8evo63ay2johhjnt08tb7864ry53232o
https://media.msf.org/Share/5hxhp2u3c3pj720kawhpm3yh20a6h0rt
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