Medizinischer Fortschritt kann das Leben von
Patientinnen und Patienten nur verbessern, wenn er auch bei ihnen
ankommt. Was nutzen neue Medikamente oder Impfstoffe, wenn sie die
Menschen nicht oder nicht in ausreichendem Maße erreichen? Dass das
auch in Deutschland ein Thema sein kann, zeigt ein Blick ans andere
Ende der Welt. Australien macht vor, wie man mit konzertierten
Aktionen und Gesundheitsprogrammen die Gesundheit von Menschen
erheblich verbessern kann. Eine Blaupause für Deutschland?
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HPV und HCV - leicht zu verwechseln und doch so unterschiedlich:
HPV steht für das Humane Papillomvirus. Die Erkenntnis, dass das
HP-Virus verschiedene Karzinome wie Gebärmutterhalskrebs auslösen
kann - was letztlich zur Entwicklung der HPV-Impfung führte - brachte
dem deutschen Wissenschaftler Harald zur Hausen den Nobelpreis ein.
An den HPV-Impfraten in seinem Heimatland verzweifelt der Mediziner
allerdings; nur rund 40 Prozent der Mädchen sind geimpft, sagt zur
Hausen im Interview mit dem Krebsinformationsdienst. "Skandalös
niedrig" findet er das und "meilenweit" von den 85 Prozent entfernt,
die geimpft sein müssten, um die Infektionskette zu durchbrechen.
Impfen gegen HPV-Infektionen ist aktive Krebsprophylaxe.
Voraussetzung dafür: Man lässt sich impfen.
Hinter der Abkürzung HCV versteckt sich hingegen das Hepatitis
C-Virus. Es löst eine Leberinfektion aus, die viele Jahre als schwer
behandelbar galt. Dies hat sich in den Jahren seit 2014 geändert.
Eine neue Generation direkt wirkender antiviraler Medikamente macht
es heute möglich, die Krankheit in der Regel in acht Wochen aus dem
menschlichen Körper zu verbannen - und das fast ohne Nebenwirkungen.
Deutschland aber hat es gerade geschafft, von der Liste der Länder
gestrichen zu werden, die auf einem guten Weg sind, die Eliminierung
der Leberinfektion bis zum Jahr 2030 zu erreichen. Der Grund: Es
passiert zu wenig, um die zu finden, die infiziert sind, es aber
nicht wissen; Deutschland drückt sich vor der HCV-Dunkelziffer. Die
neuen Medikamente haben die Möglichkeit erst geschaffen, dass die
Infektion ausgerottet werden könnte. Voraussetzung dafür: Man
behandelt die Infizierten.
Australien sagt Hepatitis C einen konzertierten Kampf an
Aufklären, vorbeugen, testen, behandeln - das will die
australische Regierung im Rahmen ihrer "National Hepatitis C
Strategy". Die Zahl der Infizierten wird in Australien auf rund
200.000 geschätzt (Stand: Ende 2016); jedes Jahr kommt es zu
tausenden Neuerkrankungen - vor allem in der Drogenszene. Als "Silent
Killer" gebrandmarkt, gilt das Virus offiziell als "significant
public health issue" - ein erhebliches Problem für die öffentliche
Gesundheit. Kernpunkt ist der diskriminierungsfreie Zugang für alle
Betroffenen, also unabhängig davon, wie und wo sie sich infiziert
haben. Zum Programm gehören auch Abkommen mit den Herstellern
antiviraler Medikamente; sprich: Preisverhandlungen, die auf
Mengenrabatten beruhen. "In Australien gibt es ein politisches
Bekenntnis zur Eliminierung, was u.a. dazu geführt hat, dass die
Regierung zentral einen Großeinkauf von Medikamenten getätigt hat -
und dass trotz eines föderalen Systems, wie es auch bei uns
existiert", sagt der Hepatitis-Experte Achim Kautz. Insofern sieht er
das Programm durchaus als mögliche Blaupause für Deutschland.
Laut der australischen Regierung erhielten schätzungsweise 14
Prozent aller Menschen, die zu Beginn von 2016 mit chronischer
Hepatitis C infiziert waren, eine Behandlung - die Mehrheit (93 %)
davon wurde noch im selben Jahr geheilt. Wie ernst das Programm auf
politischer Ebene genommen wird, zeigt dieses Beispiel: Weil seit dem
Jahr 2017 die Behandlungsquoten zurückgehen, hat die Regierung
reagiert und rund eine Millionen australische Dollar in zusätzliche
Aufklärungskampagnen gesteckt; denn: "Es ist eine Tragödie, dass
hunderttausende Australier lebensrettende Therapien verpassen, die
Hepatitis C in wenigen Wochen mit wenigen Nebenwirkungen heilen
können, wo doch diese Behandlung mit der Verordnung durch den
Allgemeinarzt jederzeit verfügbar ist", sagt Helen Tyrrell, Chefin
von Hepatitis Australia. Von dem Ziel, Hepatitis C zu eliminieren,
will man sich nicht abbringen lassen.
Ziel des Impfprogramms: Gebärmutterhalskrebs dramatisch reduzieren
Auch in Sachen HPV-bedingter Krebsbekämpfung hat sich Australien
für einen konsequenten Weg entschieden. Bereits seit 1991 wurde dort
ein sogenanntes Papscreening eingeführt, das von 80 Prozent der
Frauen angenommen wurde. Allein das hat die Häufigkeit von
Gebärmutterhalskrebs mehr als halbiert. Als der erste HPV-Impfstoff
auf den Markt kam, war Australien im Jahr 2007 das erste Land, das
ein nationales Impfprogramm eingeführt hat, das mit regelmäßigen
Screenings begleitet wird. Seit 2013 ist auch die Impfung der Jungen
vorgesehen (in Deutschland seit 2018) - nicht nur, weil sie
HPV-bedingte Krebsarten entwickeln können, sondern auch, weil sie
Überträger sind.
Die Impfquoten sind hoch: Fast 80 Prozent der Mädchen und über 70
Prozent der Jungen werden über das Programm erreicht. Die Studie
"The projected timeframe until cervical cancer elimination in
Australia: a modelling study", die in der Fachzeitschrift The Lancet
veröffentlicht wurde, zeigt nicht nur, was mit der Konsequenz des
Programms alles erreicht wurde. Auf der Basis der Daten wagen die
Wissenschaftler auch einen Ausblick: Wenn hohe Impf- und
Screeningraten auf dem Niveau gehalten werden, dürfte die jährliche
Inzidenz von Gebärmutterhalskrebs bis zum Jahr 2020 auf sechs und bis
2028 auf vier neue Fälle pro 100.000 Frauen fallen.
"Gebärmutterhalskrebs ist ´on track`, um als Problem der öffentlichen
Gesundheit in Australien eliminiert zu werden", so das Fazit der
Autoren. "Allerdings müssen dazu die Screening- und Impfinitiativen
beibehalten werden, um weiterhin die sehr geringe Inzidenz von und
Sterberate durch Gebärmutterhalskrebs zu erreichen".
Die Erfolgsformel dürfte in der Erkenntnis liegen, dass es nicht
reicht, eine Impfung zur Verfügung zu stellen. Wenn die Menschen
nicht zum impfen kommen, muss man eben dorthin gehen, wo die Menschen
sind - in Australien sind das die Schulen. Immerhin: Ende November
2018 hat der Gemeinsame Bundesausschuss ein organisiertes Programm
zur Früherkennung von Gebärmutterhalskrebs in Deutschland
beschlossen. Es soll 2020 starten.
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