In den letzten zehn Jahren stieg die Zahl der
diagnostizierten Entwicklungsstörungen bei Kindern zwischen fünf und
sieben Jahren um 26,5 Prozent. Der Anteil der Kinder mit einer Logo-
oder Ergotherapie nahm im gleichen Zeitraum jedoch nur um 8,2 Prozent
zu und ist seit 2015 sogar leicht rückläufig, wie der aktuelle
Heilmittelbericht des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO)
zeigt. Über 82 Prozent der diagnostizierten Entwicklungsstörungen
betreffen die Sprech- und Sprachentwicklung, Störungen der
motorischen Entwicklung liegen mit gut 22 Prozent auf dem zweiten
Platz. "Die Schere zwischen der steigenden Diagnosehäufigkeit von
Entwicklungsstörungen und der Verordnung von Heilmitteltherapien ist
ein positives Zeichen dafür, dass Ärzte sehr genau hinschauen, wie
sich ein Kind rund um die Einschulung entwickelt und wann es
therapeutische Begleitung braucht", sagt Helmut Schröder,
stellvertretender Geschäftsführer des WIdO.
2008 wurde bei 27,5 Prozent der fünf- bis siebenjährigen Kinder
eine Entwicklungsstörung diagnostiziert. Zehn Jahre später, 2017, lag
dieser Anteil schon bei 34,8 Prozent. Das entspricht einer Steigerung
von 26,5 Prozent. Damals wie heute erhalten Jungen deutlich häufiger
eine entsprechende Diagnose: 2017 waren es 41,3 Prozent der Jungen
und nur 27,9 Prozent der Mädchen.
Die Entwicklung bei den Heilmittelverordnungen, in diesem Fall
also vor allem Logopädie und Ergotherapie, ist diesem Trend
allerdings nicht gefolgt. 2008 erhielten 15,6 Prozent aller
AOK-versicherten Kinder zwischen fünf und sieben Jahren eine
Heilmitteltherapie aufgrund einer Entwicklungsstörung. 2017 lag
dieser Wert bei 16,9 Prozent, was einer Steigerung von nur 8,2
Prozent entspricht. Dabei lag der Verordnungsanteil in den Jahren
2011 bis 2015 mit bis zu 17,9 Prozent schon einmal deutlich höher und
ist seitdem zurückgegangen.
Wie schon bei der Diagnosestellung unterscheiden sich Jungen und
Mädchen auch bei den Heilmittelverordnungen: So wurden 2017 10,7
Prozent der fünf- bis siebenjährigen Mädchen mit einer
diagnostizierten Entwicklungsstörung therapeutisch begleitet, bei den
Jungen waren es 17,8 Prozent.
"Es ist unklar, ob die gestiegene Rate an dokumentierten
Entwicklungsstörungen tatsächlich auf einen sich verschlechternden
Entwicklungsstand der Kinder zurückzuführen ist. Denn gleichzeitig
wandeln sich die Anforderungen von Schule und Elternhaus an die
Kinder sowie das ärztliche Diagnoseverhalten und die
Therapiemöglichkeiten", so Schröder.
Die rund 100.600 AOK-versicherten Kinder im Alter von fünf bis
sieben Jahren durchliefen 2017 zusammen rund 2,47 Millionen
Behandlungssitzungen: Im Durchschnitt also 24,6 Behandlungen pro
jungem Patient. Dieser Wert liegt sogar über dem Durchschnitt von
21,3 Behandlungen pro AOK-versichertem Patient. Deshalb sollte immer
auch im Blick behalten werden, dass junge Kinder, die den Übergang
vom Kindergarten in die Grundschule meistern müssen, zeitlich nicht
zu stark belastet werden. Helmut Schröder: "Obwohl Sprach- und
Ergotherapien Kindern helfen können, Defizite in der kindlichen
Umwelt zu bewältigen, sollten die Möglichkeiten von Elternhaus,
Kindergärten und Schulen beim Vorbeugen von Entwicklungsstörungen
nicht unterschätzt werden."
Für den Heilmittelbericht 2018 hat das WIdO die über 37,2
Millionen Heilmittelrezepte analysiert, die im Jahr 2017 für die rund
71,4 Millionen GKV-Versicherten ausgestellt wurden. Heilmittel
umfassen ergotherapeutische, sprachtherapeutische, podologische und
physiotherapeutische Leistungen, die im Rahmen der vertragsärztlichen
Versorgung mit den Krankenkassen abgerechnet werden.
An die Redaktionen
Den vollständigen Heilmittelbericht und die Abbildungen zur
Pressemitteilung finden Sie auf www.wido.de/heilmittel_2018.html.
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