Der AOK-Bundesverband und die Deutsche Diabetes
Gesellschaft verlangen von der Lebensmittelindustrie mehr
gesellschaftliche Verantwortung. Vor der Sitzung des Begleitgremiums
zur weiteren Festlegung einer bundesweiten Reduktionsstrategie von
Zucker, Fetten und Salz am morgigen Dienstag (12. Februar 2019), bei
der wichtige Wirtschaftsverbände der Bundesernährungsministerin Julia
Klöckner konkrete Vorschläge präsentieren sollen, stellt
AOK-Vorstandsvorsitzender Martin Litsch klar: "Die Erwartungen an
dieses Treffen sind hoch. Wir sind gespannt, wie ernst die Branche
ihren Auftrag nimmt. Mit der freiwilligen Selbstverpflichtung der
Lebensmittelindustrie geht Deutschland weiterhin einen Sonderweg.
Falls dies aber auch weiter bedeutet, dass wir bei der Absenkung von
Zucker, Fetten und Salz unseren Nachbarländern hinterherhinken, wäre
das mit einem Glaubwürdigkeitsverlust der Bundesregierung verbunden."
Die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) lehnt Vereinbarungen auf
freiwilliger Basis ab und fordert stattdessen eine verbindliche
Zuckerreduktion von 50 Prozent. "Alles andere ist fahrlässig vor dem
Hintergrund stark zunehmenden Übergewichts und steigender
Diabetes-Erkrankungszahlen", kritisiert Barbara Bitzer,
Geschäftsführerin der DDG. Das Bundesernährungsministerium hatte sich
Ende 2018 mit der Lebensmittelindustrie auf ein Grundsatzpapier für
eine nationale Reduktions- und Innovationsstrategie verständigt.
Entgegen vieler Erwartungen sehen die darin angestrebten
Vereinbarungen keine Verbindlichkeit vor.
Kritisch sehen AOK-Bundesverband und DDG zudem die seitens des
Ministeriums eingeräumte Zeitschiene bis zum Jahr 2025.
Medienberichten zufolge planen beispielsweise die großen
Müslihersteller bis dahin, den Zucker in ihren Produkten lediglich um
ein Fünftel zu reduzieren. "Für diesen langen Zeitraum ist das
eindeutig zu wenig. Wir brauchen hier schnellere Ergebnisse", betont
Barbara Bitzer. "Es ist den Verbrauchern außerdem nicht zu
vermitteln, warum international bereits zahlreiche Produkte mit hohen
Reduktionswerten verfügbar sind, und die gleichen Konzerne
hierzulande nicht kurzfristig die gleichen Waren in die Regale
bekommen. Die Menschen in Deutschland haben ein Recht auf gesunde
Lebensmittel." Die Gesundheit der Menschen dürfe nicht den Interessen
einzelner Wirtschaftsverbände geopfert werden.
Einigkeit herrscht beim AOK-Bundesverband und der DDG auch über
das Verbot für Lebensmittelwerbung, die sich an Kinder richtet. Hier
fordern beide Parteien eine möglichst rasche Umsetzung. "Wenn wir
wollen, dass sich vor allem auch Kinder und Jugendliche gesünder
ernähren, dann kommen wir nicht um ein Verbot für Kindermarketing von
stark zucker-, fett- und salzhaltigen Produkten herum", so
Verbandsvorstand Litsch. Die Bereitschaft des Zentralverbands der
Werbewirtschaft, sich hier zu bewegen, schätzt er allerdings eher
gering ein: "Es gibt bereits seit Jahren auf EU-Ebene eine
freiwillige Selbstverpflichtung der Industrie, auf an Kinder
gerichtete Lebensmittelwerbung zu verzichten. Studien zeigen jedoch,
dass diese bisher wirkungslos bleibt. Diese Erfahrungen machen
deutlich, dass unverbindliche Absprachen bereits heute schon von der
Industrie unterlaufen werden. Daher erwarten wir hier klare Ansagen
von der Ministerin."
Auch was die verbraucherfreundliche Kennzeichnung von
Lebensmitteln angeht, tut sich die Branche weiter schwer und wehrt
sich vehement gegen ein einheitliches Vorgehen. "Es reicht nicht nur,
die Zutaten anzupassen, wir müssen Menschen befähigen, kompetente
Entscheidungen für ihre Gesundheit zu treffen. Ein erster und längst
überfälliger Schritt ist die laienverständliche Produktkennzeichnung
mit Hilfe von Ampel oder Nutriscore. Jeder Verbraucher muss auf den
ersten Blick erkennen können, was seine gesunde Ernährung
unterstützt", erklärt AOK-Vorstand Litsch. Die bisher am Widerstand
der Industrie gescheiterte Ampellösung sei nach wie vor die
einfachste Variante.
Hinweis für die Redaktionen:
Sowohl der AOK-Bundesverband als auch die DDG sind zur Sitzung des
Begleitgremiums zur weiteren Festlegung einer bundesweiten
Reduktionsstrategie von Zucker, Fetten und Salz eingeladen. Beide
Partner engagieren sich zudem in der Initiative "Aktion Weniger
Zucker", die im Rahmen des 2. Zuckerreduktionsgipfels am 17. Oktober
2018 in Berlin gegründet wurde. Neben dem AOK-Bundesverband und der
DDG haben sich die Deutsche Allianz Nichtübertragbare Krankheiten,
das Ethnomedizinische Zentrum e.V. sowie die
Verbraucherschutzorganisation foodwatch e.V. dem Bündnis
angeschlossen. Zusammen wollen alle Partner die politischen
Rahmenbedingungen verändern, um eine gesunde Ernährung für alle
Bevölkerungsschichten zu erleichtern, heißt es im gemeinsamen
Grundsatzpapier. Zentrale Ziele sind ein Verbot des Kindermarketings
für stark zuckerhaltige sowie hochkalorische Lebensmittel, eine
verständliche Lebensmittelkennzeichnung, steuerliche Anreize für die
Industrie, gesündere Rezepturen sowie verbindliche Standards für die
Kita- und Schulverpflegung. Mehr Informationen unter:
https://www.aok-bv.de/engagement/wenigerzucker/
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