In Deutschland ist ein Schwangerschaftsabbruch
grundsätzlich strafbar. Der § 218 ist daher ein Strafrechtsparagraf.
Wird der Abbruch in den ersten drei Monaten vorgenommen und vorher
eine Beratung absolviert, ist er von Strafe ausgenommen. § 219a
verbietet die Werbung für den Schwangerschaftsabbruch. Die
Gesetzesänderung des § 219a, die jetzt beschlossen werden soll, ist
marginal: So sollen Gynäkolog*innen auf ihrer Website schreiben
dürfen, dass sie Schwangerschaftsabbrüche vornehmen - was bisher
verboten war. Alle weiteren für betroffene Frauen höchst wichtigen
Informationen, z. B. mit welcher Methode der Abbruch durchgeführt
wird sowie zu den Kosten für die Betroffenen dürfen nicht auf der
Website erscheinen. Die Deutsche Gesellschaft für Verhaltenstherapie
(DGVT) e. V. unterstreicht das Recht der Frau auf umfassende
Information, die einfach, schnell und vertrauensvoll abrufbar sein
sollte. Die Umsetzbarkeit der Vorgabe des Gesetzgebers, dass solche
Informationen wie Abbruchmethode, Kosten etc. getrennt zentral in
Listen bei Einrichtungen von Land und Bund, der Bundesärztekammer
und/oder der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung gesammelt
werden sollen, sieht die DGVT als schwierig an. Es ist zu erwarten,
dass die Listen nicht vollständig sein werden und der Umstand, dass
Frauen diese Listen zusätzlich abrufen müssen, stellt eine unnötige
Verkomplizierung des Informationsrechtes der Frauen dar.
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn will eine Studie in Auftrag
geben, die die seelischen Folgen von Schwangerschaftsabbrüchen
erforscht. Aus unserer Sicht wäre es wichtiger zu überprüfen, wie
sich Frauen fühlen,
- die sich nicht frei und umfassend auf Ärzt*innen-Websites über das
Prozedere informieren dürfen;
- deren Krankenkasse zwar die Vorbehandlung und die Nachsorge
bezahlt, den Abbruch selbst aber nicht;
- die in vielen Regionen Deutschlands kaum eine Stelle finden, die
einen Abbruch durchführt, weil "Lebensschützer*innen" Ärzt*innen
bedrohen;
- die in vielen Krankenhäusern abgewiesen werden, auch wenn ein
Abbruch medizinisch notwendig wäre?
Da der Schwangerschaftsabbruch grundsätzlich unter Strafe steht,
steht er nicht verpflichtend in den Curricula der ärztlichen
Ausbildung. Die jüngere Generation Ärzt*innen besitzt daher häufig
gar nicht mehr die Fähigkeit, einen Abbruch durchzuführen.
Die DGVT fordert
- den Bundestag dazu auf, den § 219a StGB ersatzlos zu streichen;
- den Bundesgesundheitsminister dazu auf, die geplante Studie über
die Folgen von Schwangerschaftsabbrüchen nicht durchzuführen, da sie
mehr die restriktiven Rahmenbedingungen abbilden würde, als die
Forschungsfrage zu erhellen;
- die Bundesländer dazu auf, für eine umfassende Versorgung mit
Abbruchmöglichkeiten zu sorgen, zu der die Bundesländer verpflichtet
sind;
- die Politik und die für die ärztliche Weiterbildung zuständigen
Gremien der Ärztekammern dazu auf, Schwangerschaftsabbrüche in die
Curricula aufzunehmen und dafür zu sorgen, dass zu dieser Thematik
gut ausgebildetes Personal in ausreichendem Maße vorgehalten werden
kann, um die Versorgung zu sichern;
- uns alle auf, wieder für ein liberaleres gesellschaftliches Klima
zu sorgen, in dem Frauen sich ohne Druck und Verunglimpfung frei für
oder gegen eine Schwangerschaft entscheiden können.
Wolfgang Schreck
Vorstand der DGVT
Ute Sonntag
DGVT-Fachgruppe Frauen in der psychosozialen Versorgung
Die Deutsche Gesellschaft für Verhaltenstherapie e. V. ist ein
psychosozialer, psychotherapeutischer und gesund-heitspolitischer
Fachverband mit über 9000 Mitgliedern.
Zentrale Ziele der DGVT sind die Verbesserung der psychosozialen
Versorgung der Bevölkerung und die Weiter-entwicklung der
Verhaltenstherapie und -modifikation in Forschung, Lehre und Praxis.
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