Tablet, Smartphone, Spielekonsole - die Digitalisierung ist für
Kinder gelebte Realität, im positiven wie im negativen Sinne. Denn
der technologische Fortschritt ist vor allem ein Verstärker
bestehender Angewohnheiten. Daher ist fachliche Vernetzung und
Interdisziplinarität gefragt, um Kinder auf der einen Seite vor
Gefahren zu schützen und auf der anderen Seite das enorme Potenzial
des digitalen Zeitalters für alle Aspekte eines gesunden Aufwachsens
zu nutzen. Vor diesem Hintergrund hat die Plattform Ernährung und
Bewegung e. V. (peb) ausgewiesene Experten aus den Bereichen
Wissenschaft, Politik und Zivilgesellschaft im Rahmen des
peb-Kongresses "Gesund aufwachsen in einer digitalen Welt" am 20.
Februar 2019 in Berlin zusammengebracht, um über Qualitätssicherung,
Handlungsempfehlungen für Eltern und Pädagogen sowie notwendige
Bündnisse zu sprechen.
Prof. Dr. Ulrike Ungerer-Röhrich, peb-Vorstandsvorsitzende,
resümierte: "Die Digitalisierung verändert unsere Welt in rasanter
Geschwindigkeit - und damit auch den Alltag und die Bedingungen für
gesundes Aufwachsen von Kindern. Mit unserem heutigen Kongress ist es
uns gelungen, mit zahlreichen Fachleuten aus allen relevanten
Gebieten die Chancen und Herausforderungen einer digitalisierten
Kindheit zu diskutieren und so den Dialog zu fördern." Unterstützung
erhielt peb vom Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde e.
V. (BLL). Der Spitzenverband der deutschen Lebensmittelwirtschaft ist
Kooperationspartner der Veranstaltung und unterstrich die notwendige
ganzheitliche Betrachtung des Themas. BLL-Präsident Stephan Nießner
erläuterte: "Nicht nur die Ernährung, nicht nur die Bewegung, sondern
das gesamte Umfeld eines Kindes beeinflusst die Entwicklung
körperlicher, aber auch kognitiver Fähigkeiten. Wir müssen deshalb
einen gesunden Lebensstil digital denken. Unsere Lebensmittelvielfalt
ist zum Beispiel die Basis für eine gesunde Ernährung. Life-Hacks zum
Kochen mit Rezeptideen, Self-Tracking-Apps und Bewegungsspiele können
Eltern und Kinder in ihrer Lebensrealität abholen. Wenn wir, alle
relevanten Akteure, es schaffen, die unterschiedlichen
Fachkompetenzen aus den Bereichen Ernährung, Bewegung, Bildung,
Politik zu bündeln, uns flächendeckend zu vernetzen und auszutauschen
und gemeinsam lösungsorientierte Ideen und Konzepte zu erarbeiten,
dann sind wir für die Ansprüche und Bedürfnisse der Kinder von heute
und morgen gut aufgestellt, um sie in ihrem gesunden Aufwachsen zu
begleiten."
Zunächst war es Trendforscher Professor Peter Wippermann, Hamburg,
der zum Einstieg in den Tag deutlich machte, dass Kinder heutzutage
von Geburt an digital aufwachsen und sich diese Entwicklung in den
nächsten 20 Jahren durch immer ausgereiftere Technologien verschärft:
"In 20 Jahren werden die Kinder vergessen, dass sie vor dem
Bildschirm sitzen. Die Technologien der Augmented- und
Virtual-Reality sowie der Hologramme werden das Eintauchen in die
Datenwelt ermöglichen. Nach den Phasen von Information, Kommunikation
und Partizipation beginnt die Ära der Immersion. Die virtuelle Welt
wird die reale Wirklichkeit für Eltern und Kinder verändern." Welche
Risiken diese Entwicklung für die Gesundheit von Kindern haben kann,
machte Kinder- und Jugendarzt Dr. Uwe Büsching deutlich.
Bewegungsmangel, Konzentrationsstörungen und psychische
Auffälligkeiten sind für den Projektleiter der BLIKK-Medien-Studie
(Bewältigung, Lernverhalten, Intelligenz und Kommunikation - Kinder
und Jugendliche im Umgang mit elektronischen Medien) die wichtigsten
Risiken digitaler Bildschirmmedien: "Die Zeit für den gestiegenen
Konsum digitaler Bildschirmmedien in der Freizeit fehlt im realen
Leben. Das mündet dann in den Verlust von realen sozialen Beziehungen
und der Teilhabe an Sporttraining und Sportwettkämpfen."
Diplom-Pädagoge Jöran Muuß-Merholz sah diese Kausalitäten etwas
anders, denn für ihn krempeln die digitalen Medien die Eigenschaften
eines Menschen nicht um, sondern sie verstärken vorhandene
Charakterei-genschaften: "Digitale Medien sind mächtige Verstärker -
allerdings nicht per se in eine bestimmte Richtung. Wer gerne lahm
auf dem Sofa rumhängt, der kann mit digitalen Medien noch besser lahm
auf dem Sofa rumhängen. Wer gerne raus in die Welt geht und Neues
entdecken will, der kann mit digitalen Medien noch besser raus in die
Welt gehen und Neues entdecken." Digitalisierung dürfe deshalb nicht
isoliert als eigenständiges Handlungsfeld betrachtet werden. Da sie
ein Teil von allem sei, müsse sie daher auch von allen mitgedacht
werden: "Die Rede von einer vierten Kulturtechnik ist gefährlich,
denn damit ist unterschwellig oft die Hoffnung verbunden, dass die
meisten von uns weitermachen können wie bisher, während sich einige
spezialisierte Akteure um ein vermeintliches Spezialfeld
Digitalisierung kümmern sollen", warnte Muuß-Merholz. Diese Botschaft
unterstrich auch Dr. Regina Vetters von der Digitalabteilung der
BARMER-Krankenkasse, BARMER.i: "Kinder und Jugendliche trennen nicht
zwischen einer analogen und einer digitalen Welt - beides gehört für
sie ganz natürlich zusammen."
Im zweiten Teil des Kongresses ging es deshalb vor allem um die
praktische Seite und das besondere Potenzial der Digitalisierung. Die
Referenten waren sich einig, dass man nicht in eine Haltung
kritischer Distanz zur Digitalisierung verfalle, sondern die Chancen
nutzt. Aber die Qualitätssicherung von Ernährungs- oder
Gesundheitsthemen, sowohl auf fachlicher als auch auf didaktischer
Ebene, ist unklar. Wer bewertet beispielsweise Fitness-Influencer
oder Ernährungs-Apps, um sicherzustellen, dass die richtigen -
gesundheitsfördernden - Botschaften an Kinder und Jugendliche
gesendet werden? Dass nicht nur die Empfänger, sondern auch die
Sender freien Zugang im World Wide Web haben, gehört sicherlich auch
zu den Kehrseiten der Medaille. Das erfordert die verstärkte
Aufmerksamkeit der Eltern und auch Lehrer als Mittler". Dr. Iren
Schulz, Mediencoach von der Initiative SCHAU HIN!, forderte daher:
"Damit Kinder die Chancen digitaler Medien nutzen und gesundheitliche
Risiken vermieden werden, braucht es neben klaren inhaltlichen und
zeitlichen Regeln für die Jüngsten vor allem Offenheit und Interesse
der Eltern an dem, was Kinder bewegt und begeistert."
Einigkeit aller Diskutanten herrschte darüber, dass man einerseits
klare Qualitätskriterien für Online-Inhalte braucht, andererseits
aber auch Regeln für die Nutzung dieser durch Kinder und Jugendliche.
Gleichzeitig brauchen Eltern und Pädagogen Handlungshilfen, um diese
Regeln im Familien- und Schulalltag umzusetzen. Dabei geht es nicht
nur um die Bestimmung von "Screenzeiten", also die Dauer der
Bildschirmnutzung, sondern aufmerksam und begleitend Kindern und
Jugendlichen zur Seite zu stehen. Hierfür bedarf es der
Zusammenarbeit und Bündelung interdisziplinärer Fachkompetenz, um
dafür Sorge zu tragen, dass digitale Angebote mit
gesundheitsrelevantem Charakter von unabhängigen Stellen geprüft
werden bzw. hochwertige Angebote von Fachexperten entwickelt und
breitenwirksam zur Verfügung gestellt werden.
Die Plattform Ernährung und Bewegung e. V. (peb) ist ein
Zusammenschluss von Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und
Zivilgesellschaft. Zahlreiche Partner setzen sich aktiv für eine
ausgewogene Ernährung und mehr Bewegung als wesentliche Bestandteile
eines gesundheitsförderlichen Lebensstils bei Kindern und
Jugendlichen ein.
Der Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde e. V. (BLL)
ist der Spitzenverband der deutschen Lebensmittelwirtschaft. Ihm
gehören ca. 500 Verbände und Unternehmen der gesamten
Lebensmittelkette - Industrie, Handel, Handwerk, Landwirtschaft und
angrenzende Gebiete - sowie zahlreiche Einzelmitglieder an.
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