Welche seltenen Komplikationen können bei Palliativpatienten
auftreten und wie können Ärzte ihre Patienten am Lebensende würdevoll
begleiten? Kann hinter chronischen Schmerzen eine seltene Erkrankung
wie Morbus Fabry stecken? Und wie erkennen Ärzte Gewalt in sozialen
Bindungen? Diesem Fragenkomplex widmete sich unter anderem der 30.
Deutsche Schmerz- und Palliativtag und zeigte damit die
Themenvielfalt der zahlreichen Veranstaltungen.
Zum Thema "Persistierender Singultus in der palliativen Situation"
sprach beispielsweise DGS-Vizepräsident Dr. Norbert Schürmann. Die
chronische Zwerchfellspastik, die sich durch typisches "Hicksen"
äußert, trete bei etwa 6 bis 8 Prozent der Palliativpatienten auf.
Damit sei es zwar ein eher seltenes, aber doch sehr belastendes
Symptom. Ursachen können laut Schürmann Tumoren des
Gastronitestinaltrakts ein, Erkrankungen des ZNS oder der Psyche oder
auch eine Tumorkachexie. Im Gegensatz zu einem akuten Singultus, der
meist kurz anhalte und selbstlimitierend sei, dauere ein
persistierender oder chronischer Singultus länger als 48 Stunden an
und könne in Schlafstörungen, Depression und Erschöpfungszustände
resultieren. Je nach Ursache ist laut Schürmann keine kausale
Therapie möglich, jedoch könnten Neuroleptika wie Gabapentin,
Domperidon oder Haloperidol Linderung verschaffen. Vor allem habe
sich die Kombination aus Gabapentin und dem Muskelrelaxans Baclofen
bewährt. Zusätzlich könnten Maßnahmen wie Hypnose oder Akupunktur die
Therapie unterstützen. Da manche Medikamente den lästigen Schluckauf
auslösen könnten, sei dies unbedingt zu prüfen.
Hilfe leisten beim Sterben: Therapieoptionen am Lebensende
"Wir Ärzte sollen Hilfe leisten beim Sterben, aber nicht zum
Sterben", machte Dr. med. Eberhard Albert Lux von der Klinik für
Schmerz- und Palliativmedizin Lünen in seinem Vortrag
"Therapieoptionen am Lebensende" deutlich. In der Öffentlichkeit
würden die Themen Sterbebegleitung und Sterbehilfe, also Beihilfe zur
Selbsttötung oder Tötung auf Verlangen, oftmals vermischt. Dabei
seien die beiden Felder aber klar zu trennen. Um Ärztinnen und Ärzten
eine Orientierung bei ihrer schwierigen Aufgabe der Begleitung von
schwerstkranken und sterbenden Patienten geben, veröffentlicht die
Bundesärztekammer seit 1979 "Grundsätze der Sterbebegleitung", die
Art, Umfang und Grenzen der ärztlichen Behandlung am Lebensende
bestimmen. Darunter vor allem Lindern von Schmerzen, Übelkeit und
Atemnot. Um dem Patienten das Sterben zu erleichtern, liegt das
Hauptaugenmerk auf einer adäquaten Schmerztherapie, dazu eventuell
eine vorübergehende Sedierung, um Unruhe und Verwirrtheit zu lindern
- was letztlich auch die Symptomlast bei Angehörigen und
Pflegekräften mindere, so Lux.
Aus Erfahrung weiß er: Viele Patienten und auch Angehörige sind
dankbar, wenn Ärzte möglichst frühzeitg offen mit ihnen darüber
sprechen, was zur Symptomlinderung möglich ist. "Viele wollen keine
lebensverlängernden Maßnahmen oder weitere Therapien, sondern einfach
in Ruhe einschlafen. Dann lassen Sie das zu." Wichtig sei, alle
Maßnahmen gründlich zu dokumentieren, um nicht dem Verdacht
ausgesetzt zu sein, man habe Patienten getötet. "Das gilt auch für
die Höhe der Dosis bei Medikamenten. Die muss sich am Symptom
orientieren."
Neuropathische Schmerzen: Es kann ein Morbus Fabry dahinterstecken
Dass neuropathische Schmerzen viele Ursachen haben können,
erläuterte DGS-Vizepräsidentin Dr. med. Silvia Maurer bei einem
Lunchsymposium. Die häufigsten seien Diabetes und Alkoholmissbrauch,
sie stellen in 80 Prozent der Fälle die Ursache. Allein an
diabetischer Polyneuropathie leiden laut Maurer in Deutschland etwa
3,5 Millionen Menschen. Insgesamt ist Neuropathie nach Kopf- und
Rückenschmerz die dritthäufigste Ursache für Arztkonsultationen. In
der Regel haben Betroffene einen langen Leidensweg hinter sich, bis
die Diagnose gestellt wird, im Durchschnitt suchten sie acht Ärzte in
zehn Jahren auf. Dabei sei die Diagnose relativ leicht zu stellen.
Neben Schmerzfragebögen (wie etwa bei der
Online-Dokumentationsplattform iDoc Live®) eigne sich auch ein
Streich-Test mit Wattebausch: "Beim neuropathischen Schmerz liegt
immer eine Nervenschädigung vor, die zu Allodynie oder Hyperalgesie
führt. Dann löst schon das Berühren mit einem Wattebausch Schmerzen
aus", erklärte Maurer. Unter diesen positiven sensorischen Phänomenen
litten Patienten deutlich mehr als an den negativen wie vermindertes
Oberflächen-, Vibrations- oder Temperaturempfinden. Maurer behandelt
selbst Neuropathie-Patienten und weiß: Auch Medikamente und
Infektionen können eine Neuropathie auslösen, darunter
Chemotherapeutika, antiretrovirale Medikamente, manche Antibiotika
(etwa Ethambutol, Isoniazid oder Chloramphenicol) sowie Substanzen
wie Thiouracil, Nitrofurantoin, Disulfiram zur Therapie der
Alkoholabhängigkeit oder HIV-Medikamente.
Eine ausführliche Anamnese sei daher unabdingbar - manchmal stecke
auch eine andere Erkrankung dahinter, etwa die lysosomale
Speicherkrankheit Morbus Fabry wie Prof. Dr. med. Thomas Duning,
Klinik für Neurologie mit Institut für Translationale Neurologie,
Uniklinik Münster im Anschluss erläuterte. Viele
Morbus-Fabry-Patienten würden mit den unterschiedlichsten Symptomen
bei verschiedene Fachärzten vorstellig, ein häufiges Symptom
darunter: neuropathischer Schmerz. "Doch wenn die einzelnen Symptome
nicht als Paket betrachtet und miteinander in Verbindung gebracht
werden, ist die Diagnose schwierig", so Duning. Bis zu 18 Jahre könne
es dauern, bis ein Arzt die Erbkrankheit erkenne. Für die Zuhörer
hatte Duning einen einfachen "Fabry-Fakten-Check" im Gepäck: "Hat ein
Patient schon als Kind neuropathische Schmerzen, kann nicht schwitzen
und zeigt am Bauch kleine rot-lila Pünktchen - ziehen Sie einen
Morbus Fabry in Betracht!" Sicherheit kann dann ein Blut- oder
Gentest bringen.
Gewalt in engen sozialen Bindungen: Ärzte sollten nachfragen
Immer häufiger sehen Ärzte und Psychotherapeuten in ihren Praxen
Opfer häuslicher Gewalt - zu über 80 Prozent Frauen, aber durchaus
auch Männer, wie Diplom-Sozialarbeiterin Petra Wolf, Leiterin des
Frauenhauses Frauen helfen Frauen e.V. in Bad Kreuznach, im Rahmen
einer weiteren Veranstaltung berichtete. Gewalt in engen sozialen
Beziehungen (GesB) umfasst neben körperlicher und sexueller Gewalt
auch psychische und ökonomische: Von Kontrolle und Abwertung über
Isolation und Eifersucht bis hin zur Verweigerung eines Kontozugangs.
Oft sind die Folgen offensichtlich und relativ schnell zu
therapieren: Schmerzende Hämatome, Prellungen, ein gebrochener Arm.
Nachhaltiger und schwerer zu erkennen sind dagegen die psychischen
Folgen, die von Angststörungen und Depressionen über
gastrointestinale Beschwerden bis zu somatoformen Schmerzstörungen
reichen. "Viele Opfer neigen auch zu gesundheitsgefährdenden
Überlebensstrategien wie Zigaretten-, Alkohol- und
Medikamentenmissbrauch", ergänzte DGS-Vizepräsidentin Silvia Maurer.
Hätten Ärzte einen Verdacht auf GesB, sollten sie das Thema behutsam
ansprechen und niederschwellig Hilfe anbieten.
Laut Maurer sind viele Betroffene froh gefragt zu werden. Lässt
der hektische Praxisalltag kein längeres Gespräch zu, könne es helfen
Visitenkarten oder Informationsflyer mit einer Anlaufstelle
abzugeben. Als wichtigen Erfolgsfaktor sieht sie die
interdisziplinäre Vernetzung. "Wesentlich für alle Praxen und
Kliniken ist ein funktionierendes Netzwerk, eine gute Kooperation mit
Beratungsstellen, Frauenhäusern, der Polizei und anderen."
Weiterführende Links:
www.schmerz-und-palliativtag.de
www.dgschmerzmedizin.de
www.schmerzliga.de
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