Deutsche Umwelthilfe klagte auf schnellstmögliche
Einhaltung des Stickstoffdioxid-Grenzwerts - Verwaltungsgerichtshof
berücksichtigt die beschlossene Änderung des
Bundes-Immissionsschutzgesetzes (BImSchG) - Fahrverbote bleiben
demnach trotzdem erforderlich - Zufahrtsbeschränkungen für Diesel-Pkw
zur Einhaltung des Stickstoffdioxid-Grenzwerts bleiben in Reutlingen
die letzte wirksame und damit notwendige Maßnahme
Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg in Mannheim hat am
gestrigen Abend (18. März 2019) der Klage der Deutschen Umwelthilfe
(DUH) gegen das Land Baden-Württemberg für saubere Luft in Reutlingen
stattgegeben (10 S 1977/18). Das Land wurde verurteilt, den für
Reutlingen geltenden Luftreinhalteplan so zu ändern, dass der
Grenzwert für Stickstoffdioxid (NO2) schnellstmöglich eingehalten
wird. Das Gericht hat klargestellt, dass die vom Land und der Stadt
Reutlingen vorgesehenen Maßnahmen nicht ausreichen, um den
NO2-Grenzwert ohne Berücksichtigung von Fahrverboten schnellstmöglich
einzuhalten. In der mündlichen Verhandlung hat das Gericht darauf
hingewiesen, dass es in seiner Entscheidung berücksichtigen wird,
dass das Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) geändert wird.
Obwohl die Änderung formell noch nicht gültig ist, werde man
vorsorglich das Urteil so treffen als wäre die Novelle des Gesetzes
bereits in Kraft getreten.
Dazu Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der DUH: "Das ist ein
guter Tag für die "Saubere Luft" und den Gesundheitsschutz, nicht nur
für die Bürgerinnen und Bürger in Reutlingen. Vor allem Kinder,
Asthmatiker, ältere Menschen und Lungenvorgeschädigte profitieren von
diesem Urteil. Das höchste baden-württembergische Gericht bestätigt
damit auch die weitere Gültigkeit des europäischen Grenzwerts von 40
µg NO2/m³. Die grün-schwarze Landesregierung wurde verurteilt,
zusätzlich zu den bisher vorgesehenen Maßnahmen für eine
Verkehrswende in Reutlingen noch in diesem Jahr schmutzige
Diesel-Fahrzeuge mit Fahrverboten zu belegen. Denn nur so kann der
Grenzwert für das Dieselabgasgift Stickstoffdioxid kurzfristig, das
heißt bis Ende 2019, auch eingehalten werden. Um die Mobilität der
betroffenen Euro 4 und Euro 5 Diesel-Fahrzeughalter sicherzustellen,
müssen Landes- und Bundesregierung die Autohersteller endlich
verpflichten, bis zum Herbst 2019 die betrügerische Abgasreinigung im
Rahmen eines zwei- bis vierstündigen Werkstattaufenthalts durch auch
auf der Straße funktionierende Katalysatoren zu ersetzen. Wir fordern
die Landesregierung auf, die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs
zu akzeptieren und spätestens zum 1. September 2019 die Einhaltung
des NO2-Grenzwerts sicherzustellen."
Rechtsanwalt Remo Klinger, der die DUH in dem Verfahren vertritt,
sagt: "Das Urteil hat Grundsatzcharakter. Dies betrifft insbesondere
die in der letzten Woche durch den Bundestag verabschiedete Änderung
des Bundes-Immissionsschutzgesetzes."
Die Urteilsbegründung des Gerichts liegt noch nicht vor.
Hintergrund:
Bereits 2014 entschied das Verwaltungsgericht Sigmaringen, dass
der Luftreinhalteplan der Stadt Reutlingen zur Verbesserung der
Luftqualität fortgeschrieben werden muss. Die Änderungen des
Luftreinhalteplans brachte bisher jedoch keine Einhaltung des
NO2-Grenzwerts. Deshalb reichte die DUH im März 2018 erneut Klage
ein. 2018 ermittelte die offizielle Messstation in Reutlingen einen
NO2-Jahresmittelwert deutlich oberhalb des erlaubten Grenzwerts von
40 µg/m³. An der Messstation Lederstraße-Ost wurden 53 µg NO2/m³
gemessen. Damit ist der NO2-Wert im Vergleich zu 2017 zwar gesunken,
die Prognosen zeigen jedoch auch für die kommenden Jahre deutlich zu
hohe NO2-Werte. Wie der aktuell gültige Luftreinhalteplan für
Reutlingen darlegt, sind Verkehrsbeschränkungen für Dieselfahrzeuge
die am schnellsten wirksame Maßnahme, um den NO2-Grenzwert
einzuhalten. Ohne solche Verkehrsbeschränkungen wird der
Jahresmittelwert selbst im Jahr 2020 noch nicht überall im
Stadtgebiet eingehalten werden.
NO2 ist gesundheitsschädigend. Die Europäische Umweltagentur EEA
hat im Oktober 2018 die gesundheitlichen Folgen der NO2-Verschmutzung
mit jährlich 13.100 vorzeitigen Todesfällen allein in Deutschland
beziffert. Schmutzige Diesel-Pkw tragen außerdem wesentlich zu mehr
als 800.000 jährlichen Neuerkrankungen an Diabetes und Asthma bei.
Das Umweltbundesamt hatte mit einer neuen Studie über die
Gesundheitsfolgen des Dieselabgasgiftes NO2 verdeutlicht, dass
bereits bei Konzentrationen deutlich unterhalb des Grenzwertes mit
437.000 Neuerkrankungen an Diabetes Mellitus und 439.000
Asthmaerkrankungen zu rechnen ist.
Derzeit führt die DUH Verfahren für "Saubere Luft" in 35 Städten.
Pressekontakt:
Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer DUH
0171 3649170, resch@duh.de
Prof. Dr. Remo Klinger, Rechtsanwalt Kanzlei Geulen & Klinger, Berlin
0171 2435458, klinger@geulen.com
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