Münster - Mit deutlicher Kritik an der
Gesundheitspolitik von Bund und Ländern, aber auch mit einem Angebot
an die Politik zur konstruktiven Zusammenarbeit hat heute
Bundesärztekammer-Präsident Prof. Dr. Frank Ulrich Montgomery den
122. Deutschen Ärztetag in Münster eröffnet. Montgomery betonte in
seiner Eröffnungsrede, dass einige Gesetzesinitiativen der
Bundesregierung in die richtige Richtung gingen. Gleichwohl erneuerte
er im Beisein von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn seine Kritik
daran, dass der Staat zum Beispiel über das Terminservice- und
Versorgungsgesetz (TSVG) zunehmend in die Kompetenzen der ärztlichen
Selbstverwaltung eingreife. "Wir haben ein unterschiedliches
Verhältnis zur Selbstverwaltung", sagte Montgomery an den Minister
gewandt. "Ich weiß, was sie kann, ich weiß, was sie leistet. Wenn es
zu Problemen kommt, liegt das nicht an ihrem Unvermögen, sondern
oftmals an den nicht erfüllbaren politischen Vorgaben."
Kritisch sieht die Ärzteschaft auch die von der Bundesregierung
betriebene Verlagerung von zentralen ärztlichen Berufsinhalten auf
andere Gesundheitsberufe. Montgomery warnte vor den Folgen des von
der Bundesregierung geplanten Ausbildungsgesetzes für Psychologische
Psychotherapeuten. Damit solle in Zukunft ein im fünfjährigen
Bachelor-Masterverfahren ohne größere praktische Anteile
ausgebildeter sogenannter Psychotherapeut auf ein und demselben
Niveau mit einem etwa zwölf Jahre lang aus - und weitergebildeten
"ärztlichen Psychotherapeuten" stehen. Dies sei auch deshalb
problematisch, weil Patienten aufgrund der Namensgebung über die
tatsächliche Qualifikation im Unklaren belassen würden. So soll die
Berufsbezeichnung "Psychotherapeut" sowohl für Absolventen des neuen
Studienganges als auch für Ärztinnen und Ärzte gelten. Montgomery
warnte zudem davor, die Psychotherapie aus der Medizin herauszulösen.
"Die Psychotherapie ist etwas zutiefst Ärztliches", stellte er klar.
Der Bundesärztekammer-Präsident kündigte an, dass sich der 122.
Deutsche Ärztetag auch mit der zunehmenden Kommerzialisierung des
Gesundheitswesens beschäftigen wird. "Im ambulanten Bereich rücken
zunehmend ambulante ärztliche Einrichtungen in den Fokus fachfremder
Investoren und Spekulanten." Diese Investoren zögen aus dem mit
Versichertengeldern finanzierten und budgetierten System ihren
Gewinnanteil ab. Nachdem der Gesetzgeber mit dem TSVG erste Schritte
zur Eindämmung dieser Entwicklung eingeleitet hat, forderte
Montgomery weitergehende gesetzgeberische Maßnahmen.
Auch in anderen Bereichen müsse der Staat seiner Daseinsvorsorge
für die gesundheitliche Versorgung nachkommen. Die von den
Bundesländern verantwortete Investitionslücke für die Krankenhäuser
betrage mittlerweile 3,7 Milliarden Euro pro Jahr. "Und da sind die
Kosten für den digitalen Ausbau noch nicht einmal mit eingerechnet."
Ebenfalls in den Verantwortungsbereich der Länder falle die ärztliche
Nachwuchsförderung. Man sei sich mit der Bundesebene einig, dass es
mehr Studienplätze in der Humanmedizin brauche. Nun seien die Länder
am Zug.
Zwei Tage nach der Europawahl appellierte Montgomery an das neue
Europäische Parlament sowie an die EU-Kommission, sich auf
Gesundheitspolitik mit echtem Mehrwert für die Menschen zu
konzentrieren. "Wirtschaftshörig auf der einen Seite, zentralistisch
auf der anderen, haben wir gerade im Gesundheitswesen dauernde
Verstöße gegen die Subsidiarität erlebt. Um Europa und die
europäische Idee zu stärken, muss es gelingen, europäische
Institutionen wieder auf die Kernaufgaben Binnenmarkt, Mobilität der
Menschen und Stabilität zu beschränken."
Voraussichtlich am kommenden Donnerstag wird der 122. Deutsche
Ärztetag ein neues Präsidium der Bundesärztekammer wählen und weitere
Ämter neu besetzen. Nach acht Jahren an der Spitze der
Bundesärztekammer wird Montgomery nicht noch einmal antreten. Als
Präsident der europäischen Ärztevereinigung (Comité Permanent des
Médecins Euro) sowie als Vorstandsvorsitzender des Weltärztebundes
wird er sich auf die internationale Gesundheitspolitik konzentrieren.
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