"Die anderen Leute nuscheln immer so!" Wer das mehr
als zweimal pro Woche denkt, sollte zum Ohrenarzt oder Hörakustiker
gehen. Denn das vermeintliche Nuscheln ist keine schlechte
Angewohnheit der jungen Generation, sondern entsteht oft erst im
eigenen Gehör.
Hörakustiker hören den Satz fast täglich, und auch in mancher
Familie wird es die Diskussion über schlechte Aussprache häufiger
geben. Doch bei einem Hörverlust ist dies das erste typische
Anzeichen. Meist wissen die Betroffenen gar nichts davon, dass sie
schlecht hören, oder wollen es vielleicht auch nicht wahrhaben. Denn
Hörverlust tut nicht weh und macht zunächst einmal keine Beschwerden
- außer den anderen Menschen um einen herum, die sich die Vorwürfe
anhören müssen. Das soll schon zu manchem familiären Konflikt geführt
haben, der mit einer guten Hörsystemversorgung zu vermeiden wäre.
Gerade gesprochene Sprache in Unterhaltungen oder im Fernsehen
wird bei schlechtem Hören undeutlich und "nuschelig" - mehr als die
meisten anderen Töne und Geräusche, die der Betroffene ja
vermeintlich noch "gut" hört. Dies hat einen handfesten Grund: Die
verschiedenen Laute in unserer Sprache haben einen ganz bestimmten
Klang, der besser oder schlechter hörbar sein kann. So klingen die
Laute /o, u, a/ laut und tief, was für die meisten noch gut hörbar
ist. Andere Buchstaben wie /s, t, k/ oder /f/ sind für viele Menschen
mit einem Hörverlust nicht gut zu hören. Gerade Schwerhörigen fehlen
beim Sprache-Hören mitten im Wort einfach diese Laute, denn sie
liegen oft genau in ihrem verlorenen Hörbereich. Betroffene können
das Gehörte dann nicht mehr sinnvoll verstehen, denn sie hören nur
einen Teil des Wortes. Den anderen Teil "verschluckt" ihr schlechtes
Gehör - und nicht der Sprecher! Zum Beispiel hört man bei
ungefähr einordnen. Doch der genaue Anfangs- oder Endlaut kommt
verwaschen an, und man muss raten, was der andere gesagt haben
könnte. Hören ist also noch lange nicht dasselbe wie Verstehen!
Findet die Unterhaltung bei Hintergrundgeräuschen statt, wie im
Restaurant oder bei einer Feier, ist das Verstehen noch sehr viel
schwieriger.
Die gute Nachricht dabei: Unser Gehirn kann die fehlenden
Buchstaben bis zu einem gewissen Grad "überbrücken", indem es den
Zusammenhang kennt und vieles ergänzen kann. So fällt das mangelnde
Verstehen zunächst gar nicht auf. Doch die schlechte Nachricht:
Dieses ständige Ergänzen und Mitdenken ist auf Dauer sehr anstrengend
für den Kopf. Menschen mit Hörverlust müssen sich stärker
konzentrieren als andere, um alles mitzubekommen. Sie sind dann oft
nach längeren Unterhaltungen oder Feiern völlig erschöpft. Fachleute
sprechen hier von Höranstrengung. Und wer etwas als sehr anstrengend
empfindet, zieht sich davon zurück, innerlich oder auch äußerlich:
Betroffene nehmen an Unterhaltungen keinen Anteil mehr oder meiden
Treffen sogar ganz.
Die Präsidentin der Europäischen Union der Hörakustiker e. V.,
Beate Gromke, empfiehlt: "Wer all das schon einmal bei sich
beobachtet hat, sollte sein Gehör testen lassen, um rechtzeitig etwas
zu unternehmen!" Die meisten Hörakustiker machen Hörtest und Beratung
kostenlos - und kein Mensch muss dann noch das "Nuscheln der anderen"
entschlüsseln.
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