Lassen sich Schule und Abi auch mit einem angeborenen Herzfehler
meistern? Eine Studie des Kompetenznetzes Angeborene Herzfehler kommt
zu ermutigenden Ergebnissen. Sie sprechen für die gezielte Förderung
des Nachwuchses.
Mit knapp über 83 Prozent besucht die große Mehrheit der Kinder
mit angeborenen Herzfehlern eine normale Grundschule. Dabei starten
mehr als 73 Prozent mit sechs Jahren oder jünger in ihr erstes
Schuljahr. Und die Herzkinder bewältigen ihre Schullaufbahn gut.
Unabhängig vom Schweregrad ihrer Grunderkrankung erreichen rund 46
Prozent die für das Studium an einer Universität erforderliche
Hochschulreife. Das gelingt im Bundesdurchschnitt rund 32 Prozent
aller Schülerinnen und Schüler.
Unterschieden nach schweren, mittelschweren und leichten
angeborenen Herzfehlern sind es bei schweren Herzfehlern noch immer
35 Prozent der Patienten, die erfolgreich ihr Abitur ablegen, 47
Prozent bewältigen das mit einer mittelschweren angeborenen
Herzfehlbildung und stolze 57 Prozent mit einer leichten Variante.
Das ist das Ergebnis einer jüngsten breit angelegten Studie, bei der
die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Kompetenznetzes
Angeborene Herzfehler die Antworten von 2.600 Registerteilnehmern und
ihren Eltern auf eine umfassende, jeweils altersgerecht gestaltete
Online-Umfrage auswerteten.
Kein Zeichen von schulischer Überforderung
"Für die Betroffenen und ihre Eltern sind diese Ergebnisse eine
große Ermutigung", sagt die Ärztin Constanze Pfitzer, Stipendiatin im
"Clinician Scientist Program" des Berlin Institute for Health (BIH)
der Charité. Die aktuellen Umfrageergebnisse deuteten auch darauf
hin, dass selbst Entwicklungsbeeinträchtigungen, die im Zusammenhang
mit angeborenen Herzfehlern und erforderlichen Korrekturoperationen
in jüngeren Studien nachgewiesen werden konnten, einer Schulkarriere
nicht zwangsläufig im Wege stehen, so die Medizinerin. Zwar
wiederholten Patienten, insbesondere mit schweren angeborenen
Herzfehlern, häufiger ein Schuljahr als ihre gesunden Altersgenossen.
Sie absolvierten im Vergleich zu Kindern mit leichteren
Herzfehlbildungen tendenziell auch seltener eine gymnasiale
Schullaufbahn. Dies sei jedoch in vielen Fällen eher den
erkrankungsbedingten Abwesenheiten etwa durch Klinikaufenthalte
geschuldet und nicht zwingend ein Zeichen von schulischer
Überforderung.
Bewusster Umgang mit der Erkrankung wirkt sich positiv aus
Die überdurchschnittlich hohe Anzahl der erfolgreichen
Abiturienten unter den Patienten lasse vermuten, dass die
Auseinandersetzung mit der ernsten angeborenen Grunderkrankung schon
im frühen Kindesalter zu einem bewussteren Umgang mit dem eigenen
Körper und den eigenen Fähigkeiten führt. "Das wirkt sich positiv auf
die schulische Entwicklung und Leistungsfähigkeit der Patienten aus.
Wer körperlich eingeschränkt ist, lenkt seine Interessen außerdem
eher auf intellektuelle Aktivitäten und engagiert sich entsprechend
stärker auf diesem Gebiet", führt Constanze Pfitzer aus. Dabei dürfe
nicht unterschätzt werden, welchen Beitrag die erkrankungsbedingt
intensivere Form der Zuwendung durch Eltern, Geschwister und das
soziale Umfeld leistet. Zudem erhielt ein erheblicher Anteil der
Studienteilnehmer Förderunterricht während der Schullaufbahn. Die
Wissenschaftlerin hält es jedoch für dringend notwendig, diese
Zusammenhänge sowie herzfehlerbedingte Beeinträchtigungen der
neuro-kognitiven Entwicklung noch genauer zu erforschen.
Klarer Bildungserfolg
Etwas Wasser schüttet auch Co-Autor Paul Helm in den Wein: "Ein
Vergleich mit dem Bundesdurchschnitt kann aufgrund der vollkommen
verschiedenen Ansätze der statistischen Erfassung und unserer Studie
nur grobe Anhaltspunkte liefern", erklärt der Psychologe. An der
Online-Umfrage hatten sich deutlich mehr Mädchen und Frauen
beteiligt. Ihr Anteil unter den Studienteilnehmern aus dem Nationalen
Register für angeborene Herzfehler lag bei 59 Prozent. Bei den Eltern
beantworteten zu 80 Prozent die Mütter den Fragebogen. "Das ist an
sich nichts Neues. Hier spielt die klassische Rollenverteilung mit
hinein, nach der sich noch immer überwiegend Frauen um die Erziehung
der Kinder und um Gesundheitsfragen kümmern. Die stärkere Beteiligung
weiblicher Studienteilnehmer hat einen leicht verzerrenden Effekt",
so der Wissenschaftler am Kompetenznetz Angeborene Herzfehler. Dabei
spiegele sich durchaus wider, was die Statistiken des Statistischen
Bundesamtes belegen. "Mädchen erzielen bessere schulische Ergebnisse
als gleichaltrige Jungen. Und die Bereitschaft, an einer solchen
Studie teilzunehmen, ist bei Patienten mit höheren Schulabschlüssen
sicher ausgeprägter." Am Bildungserfolg der Herzkinder sei aber
grundsätzlich nicht zu rütteln, sind sich die Studienautoren einig.
Leserservice:
Sie oder Ihr Kind haben einen angeborenen Herzfehler? Mit Ihrer
Anmeldung im Nationalen Register für angeborene Herzfehler
unterstützen Sie den medizinischen Fortschritt. Hier erhalten Sie
auch wichtige Informationen zu aktuellen Forschungsprojekten und
Unterstützungsangeboten. Mehr dazu unter: www.herzregister.de. Die
Mitgliedschaft ist kostenlos und jederzeit widerrufbar.
http://ots.de/8d4NOr
Für Ihre Recherche:
Publiziert wurde die Studie im Januar 2019 in der Fachzeitschrift
Early Human Developement unter dem Titel: "Educational achievement of
children with congenital heart disease: Promising results from a
survey by the German National Register of Congenital Heart Defects".
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/30448707
Zahlen & Fakten zum Bildungsstand in Deutschland Das sagt
das Statistische Bundesamt: "Insgesamt hatten in Deutschland 2017
rund 32 % der Personen, die 15 Jahre und älter waren, die
Fachhochschul- oder Hochschulreife. Weitere 23 % besaßen einen
mittleren Abschluss und 30 % einen Hauptschulabschluss als höchsten
allgemeinen Schulabschluss."
Quellen:
http://ots.de/AutNVI
http://ots.de/SJ6dt3
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