Die Wahrscheinlichkeit, in die Situation eines
unumkehrbaren Hirnfunktionsausfalls zu kommen und damit Organspender
zu werden, ist nicht besonders hoch. Gleichzeitig wollen viele
Menschen nach ihrem Tod noch etwas Gutes tun und wissen gar nicht,
dass das auch nach dem normalen Herz-Kreislauf-Tod bis zu 72 Stunden
möglich ist. Die Gewebespende ist für tausende Patienten, die auf ein
Gewebetransplantat warten, ein Segen. Augenhornhaut- oder
Herzklappentransplantationen schenken jedes Jahr zahlreichen
Patienten Hoffnung auf einen Neuanfang und ein selbstbestimmtes
Leben. Dafür setzt sich seit über zehn Jahren die gemeinnützige
Deutsche Gesellschaft für Gewebetransplantation (DGFG) ein. Die
positive Entwicklung in der Gewebespende zeigt die hohe Solidarität
in der Bevölkerung: Fast 3.000-mal wurde einer Gewebespende
zugestimmt. Die DGFG konnte in 2018 insgesamt 2.732 Gewebeentnahmen
realisieren, das sind über 16 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Dadurch
konnte die DGFG 5.517 Menschen mit Gewebe versorgen, darunter 3.672
Menschen mit einer Augenhornhaut. In der Region Ost (Sachsen,
Sachsen-Anhalt, Thüringen) gab es die meisten Gewebespender (n =
623). In Niedersachsen, Bremen, Hamburg und Schleswig-Holstein
spendeten 608 Menschen Gewebe.
Im Jahr 2017 verstarben etwa 932.000 Menschen[1] in Deutschland.
Ein Großteil der Verstorbenen könnte Gewebe spenden. Trotz dieser
hohen Anzahl möglicher Spender beziehen Ärzte und Krankenhäuser immer
wieder Gewebe aus dem Ausland[2]. Die DGFG geht davon aus, dass bei
guter Organisation der Bedarf an Gewebetransplantaten komplett aus
nationalen Spendeprogrammen gedeckt werden könnte.
Keine Meldung, keine Spende
Voraussetzung für jede erfolgreiche Gewebespende ist die Meldung
möglicher Spender durch medizinische Einrichtungen. Viele Kliniken
arbeiten auf vertraglicher Basis mit der DGFG zusammen. Im Jahr 2018
haben die Koordinatoren der DGFG über 36.000 Verstorbenenmeldungen
bearbeitet. Darüber hinaus finden Gewebespenden auch im Rahmen von
mobilen Entnahmen, z. B. bei Organspenden statt. 313-mal konnte die
DGFG in enger Zusammenarbeit mit der Deutschen Stiftung
Organtransplantation (DSO) Gewebespenden bei Organspenden in 2018
realisieren - das sind 80 Spenden mehr als im Jahr zuvor.
Widerspruchslösung - (k)ein Ausweg?
Das Jahr 2019 ist ein spannendes Jahr für die in der Organ- und
Gewebespende tätigen Organisationen. Der aktuelle Gesetzentwurf sieht
Strukturänderungen sowie die Widerspruchslösung vor. Das heißt, dass
grundsätzlich bei jedem Menschen, der die Voraussetzungen erfüllt,
eine Organ- und Gewebeentnahme zulässig ist - es sei denn, er hat zu
Lebzeiten Widerspruch eingelegt. Die Entscheidung soll jederzeit
revidiert werden können. Mit Einführung der Widerspruchslösung soll
ein Register eingerichtet werden, in das Bürger ab dem vollendeten
16. Lebensjahr ihre Entscheidung zur Organ- und Gewebespende
eintragen lassen können. Die DGFG begrüßt grundsätzlich den neuen
Gesetzentwurf, sieht die aktuelle Aufklärungssituation jedoch
kritisch. "Angehörige müssen mit der Entscheidung zur Gewebespende
gut leben können. Dass der Wille zur Organ- und Gewebespende in der
Familie bekannt ist, dafür ist jeder einzelne von uns selbst
verantwortlich. Regelmäßig informieren die BZgA und die Krankenkassen
die allgemeine Bevölkerung dazu. Dabei vermissen wir jedoch
umfassende Informationen zur Gewebespende. Hier besteht ein großes
Defizit, woran wir alle gemeinsam arbeiten müssen. Aktuell können wir
bei weitem nicht davon ausgehen, dass im Falle einer ''stillen''
Zustimmung (kein Widerspruch eingelegt und keine dokumentierte
Entscheidung) der- oder diejenige umfassend über die Gewebespende
informiert ist", sagt Martin Börgel, Geschäftsführer der DGFG.
Gewebespende nicht vergessen!
Viele Menschen wissen nicht, dass neben Organen auch Gewebe, dazu
gehören Augenhornhäute, Herzklappen, Blutgefäße, Knochen,
Weichteilgewebe wie Knorpel, Sehnen, Bänder und Haut nach dem Tod
gespendet werden können und der Hirntod dabei keine Rolle spielt.
Gewebe werden nicht wie Organe durchblutet und können so auch nach
Herz-Kreislauf-Tod gespendet werden. 2.381 Menschen, das sind 87,2
Prozent aller Gewebespender im Netzwerk der DGFG, waren in 2018
Herz-Kreislauf-Verstorbene. Gewebespenden sind auch nach vielen
Krebserkrankungen oder bei einem hohen Lebensalter möglich. Mehr als
die Hälfte der postmortalen Gewebespender war in 2018 75 Jahre alt
oder älter. 38 Menschen waren Lebend-Gewebespender. Zur
Lebend-Gewebespende zählt die Spende der Plazenta und der darin
enthaltenen Amnionmembran im Rahmen einer geplanten
Kaiserschnittgeburt. Im Rahmen einer Herztransplantation können
Patienten ihr erkranktes Herz, bei dem oft noch die Herzklappen voll
funktionsfähig sind, spenden.
Hoher Bedarf an Herzklappen und Blutgefäßen
2.732 Gewebespenden konnte die DGFG in 2018 realisieren. Den
Großteil der gespendeten Gewebe bildet die Augenhornhaut: Insgesamt
gingen 5.249 Augenhornhautspenden zur Aufbereitung in die
Gewebebanken im Netzwerk der DGFG ein. Eine Augenhornhautspende kann
bis zu 72 Stunden nach Todeseintritt durchgeführt werden, was mehr
Zeit für die Organisation, die Aufklärung der Angehörigen und die
Entnahme bedeutet. Bei Herzklappen und Blutgefäßen ist das
Zeitfenster mit 36 Stunden wesentlich kleiner - der Bedarf in der
Transplantationsmedizin jedoch bedeutend hoch. Experten gehen davon
aus, dass jedes Jahr mehr als 500 Herzklappen und Blutgefäße benötigt
werden, um Patienten operativ versorgen zu können. 124 Herzklappen
und 75 Blutgefäße konnte die DGFG zur Transplantation vermitteln.
Diese Gewebe stammten bisher überwiegend aus der Organspende. Die
DGFG ist dabei, an mehreren Standorten ein Programm zur Spende
kardiovaskulärer Gewebe (KVG) bei Herz-Kreislauf-Verstorbenen zu
etablieren, um den Spenderpool zu erweitern und so die Versorgung der
oft sehr eingeschränkten Patienten zu verbessern. Die DGFG konnte in
2018 insgesamt 10 KVG-Spenden bei Herz-Kreislauf-Verstorbenen
realisieren; in 2019[3] waren es bereits 13 Spenden.
Die DGFG
Die DGFG ist eine unabhängige, gemeinnützige Gesellschaft. Seit
1997 fördert die DGFG, damals noch als hundertprozentige Tochter der
Deutschen Stiftung Organtransplantation, die Gewebespende. Mit
Inkrafttreten des Gewebegesetzes in 2007 kam es zur räumlichen und
rechtlichen Trennung von der DSO und zur Gründung der DGFG. Auf der
Basis des Gewebegesetzes sind alle Tätigkeiten und Ablaufprozesse der
Gewebespende gesetzlich geregelt. Für alle Gewebezubereitungen gilt
das Handelsverbot. Die DGFG vermittelt ihre Transplantate über eine
zentrale Vermittlungsstelle mit einer bundesweiten Warteliste. Jede
medizinische Einrichtung in Deutschland kann Gewebe von der DGFG
beziehen. Die DGFG refinanziert sich ausschließlich aus den
Erstattungssätzen für die abgegebenen Gewebetransplantate. Die DGFG
ist in ihrer Aufbaustruktur, der Freiwilligkeit der Unterstützung
durch die Netzwerkpartner und ihrer Unabhängigkeit von privaten oder
kommerziellen Interessen einzigartig in Deutschland. Gesellschafter
sind das Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden, das
Universitätsklinikum Leipzig, die Medizinische Hochschule Hannover,
die Universitätsmedizin Rostock sowie das
Dietrich-Bonhoeffer-Klinikum Neubrandenburg.
[1] Statistisches Bundesamt (2019). Daten der Lebendgeborenen,
Totgeborenen, Gestorbenen und der Gestorbenen im 1. Lebensjahr.
Zugriff am 12.06.2019 unter http://ots.de/LehAqE
[2] Deutscher Bundestag (08.11.2018). Dritter Bericht der
Bundesregierung über die Situation der Versorgung der Bevölkerung mit
Gewebe und Gewebezubereitungen, S. 15. Zugriff am 12.06.2019 unter
http://dipbt.bundestag.de/doc/btd/19/056/1905675.pdf
[3] Stand 11.06.2019
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