fit und munter - Paradigmenwechsel bei der Diabetes-Therapie: Mehr als nur eine "Zuckerkrankheit"

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Paradigmenwechsel bei der Diabetes-Therapie: Mehr als nur eine "Zuckerkrankheit"


Ein 60-jähriger Patient mit Typ-2-Diabetes
verliert im Mittel sechs Lebensjahre. In Kombination mit einem
Herzinfarkt können es im Mittel sogar zwölf sein, erzählt der
Mediziner Dr. Ludwin Ley von Boehringer Ingelheim im Pharma
Fakten-Interview. Immerhin: Zunehmend rückt in der Therapie in den
Fokus, dass Diabetes nicht nur eine "Zuckerkrankheit", sondern auch
ein Risikofaktor für kardiovaskuläre Erkrankungen und Ereignisse wie
Herzinfarkt, Schlaganfall und frühzeitiger Tod ist.

http://ots.de/LCedmg

Im Jahr 1922 kam zum ersten Mal Insulin zur Behandlung eines
dreizehnjährigen Jungen mit Diabetes zum Einsatz. Wie hat das den
Umgang mit der Erkrankung verändert?

Dr. Ludwin Ley: Dazu möchte ich betonen, dass es sehr wichtig ist,
zwischen Typ-1- und Typ-2-Diabetes zu differenzieren. Typ-1-Diabetes
ist durch einen absoluten Insulinmangel geprägt. Ihn verstehen wir
heute als Autoimmunerkrankung: Das Immunsystem zerstört die
Insulin-produzierenden Zellen - die Betazellen in der
Bauchspeicheldrüse. Die Folge: Es wird kein körpereigenes Insulin
mehr gebildet. Doch Insulin ist lebenswichtig - unter anderem, weil
es den Zucker, und damit Energie, in die Zellen befördert. Wenn
Insulin fehlt, ist der Organismus auf Dauer nicht lebensfähig.
Deswegen war die Substitution dieses Hormons für den Typ-1-Diabetes
der Durchbruch schlechthin. Das ist hier bis heute die
Standardtherapie. Es läuft viel Forschung, um den Patienten ein
möglichst normales Leben zu ermöglichen und die Therapie weiter zu
optimieren. Aber es gilt: Die Insulin-Substitution ist nach wie vor
im Grunde die einzige Therapie für den Typ-1-Diabetiker.

Und bei Typ-2-Diabetes?

Ley: Da ist es anders: Der Typ-2-Diabetiker hat in der Regel genug
eigenes Insulin; es wirkt bei ihm aber nicht ausreichend.
Fehlernährung und Übergewicht spielen neben Bewegungsmangel und
anderen, auch genetischen Faktoren vermutlich eine Schlüsselrolle.
Hier gibt es Medikamente, die den Körper unter anderem unterstützen,
das vorhandene körpereigene Insulin wieder besser zu nutzen bzw. die
Sensibilität für Insulin zu erhöhen.

Was tut sich aktuell in der Behandlung des Typ-2-Diabetes?

Ley: Es findet zurzeit ein Paradigmenwechsel statt: Zunehmend
rückt in den Fokus, dass Diabetes nicht nur eine "Zuckererkrankung"
ist, sondern auch ein Risikofaktor für kardiovaskuläre Erkrankungen
und Ereignisse wie Herzinfarkt, Schlaganfall oder den frühzeitigen
Tod. Epidemiologische Daten zeigen, dass ein 60-jähriger Patient mit
Typ-2-Diabetes im Mittel sechs Lebensjahre verliert. Wenn dann noch
ein Herzinfarkt dazu kommt, führt dies im Mittel zu einem
Lebenszeitverlust von zwölf Jahren. Epidemiologischen Daten zufolge
ist jeder sechste Todesfall in Deutschland mit Diabetes assoziiert.
Das rückt in der Kommunikation und der öffentlichen Berichterstattung
zwar zunehmend in den Fokus, ist aber immer noch nicht ausreichend
bekannt. Darüber hinaus gibt es Untersuchungen, die zeigen, dass
Diabetes neben den bekannten Schäden an Augen, Nieren und Nerven auch
das Risiko für Herzinsuffizienz erhöht sowie den Eintritt einer
Herzinsuffizienz etwa zehn Jahre nach vorne verlegt.
Herzinsuffizienz, also die eingeschränkte Pumpfunktion des Herzens,
ist eigentlich eine Erkrankung des höheren Alters. Doch Diabetes
erhöht nicht nur das Risiko, sondern schiebt es auch ca. zehn Jahre
nach vorne; sprich, was normalerweise mit 70 oder 80 Jahren passiert,
tritt nun schon mit 60 bzw. 70 Jahren ein. Und Herzinsuffizienz ist
eine Erkrankung, die mit einer hohen Mortalität einhergeht.

Was bedeutet das für die Therapie des Typ-2-Diabetes?

Ley: Metformin konnte als erstes Antidiabetikum 1998 zeigen, dass
es in der Langzeittherapie das kardiovaskuläre Risiko senken kann und
gilt daher schon seit geraumer Zeit als Mittel der ersten Wahl. Dies
hat die Wissenschaft beflügelt nach weiteren Medikamenten zu
forschen, die neben dem Blutzuckerspiegel auch das kardiovaskuläre
Risiko senken. Dass die Blutzuckersenkung allein zwar das Risiko für
mikrovaskuläre Komplikationen bzw. Organschäden (Auge, Niere,
Nerven), nicht aber das für makrovaskuläre Komplikationen
(Herzinfarkt, Schlaganfall, Herzinsuffizienz und Tod) senkt, wurde
zunehmend evident. Nun konnten in den letzten Jahren endlich weitere
Wirkstoffe aus der Klasse der SGLT-2-Hemmer und GLP-1-Analoga eine
Senkung des kardiovaskulären Risikos bei Patienten mit Typ-2-Diabetes
belegen.

Kommt das auch tatsächlich in der Versorgung an?

Ley: Internationale Behandlungsempfehlungen und Leitlinien sind da
schon sehr klar geworden: Es gibt z.B. von der American Diabetes
Association (ADA) und der European Association for the Study of
Diabetes (EASD) einen gemeinsamen Consensus-Bericht, in dem man diese
neuen verfügbaren Therapien sehr prominent abgebildet hat. Sie sind
damit für bestimmte Patiententypen direkt nach bzw. zusammen mit
Metformin als zweite Wahl empfohlen. In Deutschland ist die Nationale
Versorgungsleitlinie für Typ-2-Diabetes, die Medizinern als
Entscheidungshilfe bzgl. der angemessenen ärztlichen Vorgehensweise
dient, aus dem Jahr 2013 und inzwischen abgelaufen: Das Update wird
mit Spannung erwartet. Es wäre wünschenswert, dass das Update der
Nationalen Versorgungsleitlinie die internationalen Empfehlungen
aufnimmt. Die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) hat zusammen mit
der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) die neue Evidenz
schon in ihre Praxisempfehlungen integriert.

Wie geht der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA), der seit 2011 im
Rahmen des AMNOG-Verfahrens die gesetzliche Aufgabe hat, für alle neu
zugelassenen Arzneimittel mit neuen Wirkstoffen eine Nutzenbewertung
durchzuführen, damit um?

Ley: In den letzten Jahren wurden Studien mit innovativen
Wirkstoffen abgeschlossen, die überwältigende Daten in Bezug auf die
Senkung kardiovaskulärer Risiken gezeigt haben. Das und die
entsprechenden Bewertungen der Wirkstoffe durch die
Zulassungsbehörden konnte und hat der G-BA nicht ignoriert. Einige
der neuen Substanzen wurden sogar in das Disease Management Programm
(DMP) Typ-2-Diabetes aufgenommen. Das ist ein strukturiertes
Behandlungsprogramm, das von den gesetzlichen Krankenkassen in
Zusammenarbeit mit Ärzten angeboten wird.

Was bedeuten diese neuen Entwicklungen?

Ley: Nun ja: Es gibt inzwischen Medikamente, die mehr können als
"nur" den Blutzucker zu senken. Deswegen wird das die Latte sein, die
neue Therapien für Typ-2-Diabetes in Zukunft überspringen müssen.

Das Interview finden Sie auch auf Pharma Fakten:
http://ots.de/lcCX54

Weitere Pharma Fakten-Artikel zum Thema Diabetes erhalten Sie
hier: https://www.pharma-fakten.de/schlagworte/schlagwort/diabetes/



Pressekontakt:
Redaktion Pharma Fakten
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