sup.- Können Lebensmittelkennzeichnungen krank machen? Tatsächlich dient nicht jede gut gemeinte Empfehlung auch wirklich der Gesundheit. Bei manchen Menschen kann eine Bewertung von Speisen und Getränken in "gesund" oder "ungesund" sogar das Gegenteil dessen bewirken, was ursprünglich beabsichtigt war. Diese Gefahr sehen einige Experten zumindest bei dem heftig diskutierten Nutri-Score, einer Nährwertkennzeichnung auf Lebensmittelverpackungen. Die fünfstufige Einteilung vom empfehlenswerten Grün bis zur gelernten Signalfarbe Rot könnte, so die Befürchtung, bei den so genannten Orthorektikern zu einer Verschärfung der Problematik führen. Damit sind Menschen gemeint, die von gesunder Ernährung geradezu besessen sind. "Ich sehe hier ganz klar einen weiteren unterschwelligen Esserziehungsfaktor, der zu noch mehr Unsicherheit und Angst vorm Essen führen wird - und das bereits bei der Auswahl im Supermarkt", sagt der Ernährungswissenschaftler Uwe Knop. Er vermutet, dass sich aus den Verbrauchern, bei denen Kennzeichnungen wie der Nutri-Score zu solchen Symptomen führen, eine neue Klasse Essveränstigter bilden wird: die "Scorektiker".
Deren ohnehin schon eingeschränkter Speiseplan wird mit jedem roten Kennzeichen noch weiter reduziert. Abwechslung durch vielfältige Mahlzeiten - ein wichtiger Faktor für den Genuss beim Essen - ist auf diese Weise kaum noch realisierbar. Und dieses Risiko droht auch Menschen, die nicht an zwanghaften Essstörungen leiden, aber den Empfehlungen des Nutri-Score konsequent folgen. Wer beispielsweise aus Verantwortung für seine Familie den grünen Score zum alleinigen Kaufkriterium macht, dessen Einkaufswagen enthält keinerlei frisches Obst oder Gemüse, aber dafür jede Menge Fertigprodukte und Konserven. Schon daraus ist ersichtlich, dass die isolierte Bewertung einzelner Lebensmittel kaum zu einer ausgewogenen Ernährung führen kann. Nur die Gesamtheit der Speisen und Getränke bzw. nicht zuletzt deren Menge entscheiden über den gesundheitlichen Wert. "Die Farbpunkte gaukeln "gut" und "böse" vor, das es einfach nicht gibt", so das Fazit des Ernährungswissenschaftlers Knop.