Berufspolitische Themen spielen seit Jahren eine
große Rolle in den Therapieberufen. Das Interesse daran ist bei
Physio-, Ergo- und Sprachtherapeuten sowie Podologen durchaus groß.
Ebenso stark ist allerdings auch das Gefühl, nicht wirklich etwas
bewegen zu können. Tatsächlich hat sich einiges getan in jüngerer
Vergangenheit - aber reicht das? Und würde eine Therapeutenkammer
etwas bewegen können? Die Studie #wirksamsein der Hochschule
Fresenius suchte nach Antworten. Beim gleichnamigen Symposium in
Idstein wurden die Ergebnisse präsentiert.
30 Prozent mehr Bruttogehalt könnten Therapeuten nach Aufhebung
der Grundlohnsummenbindung und neuen gesetzlichen Regelungen
verdienen, das wäre nach dem ohnehin sehr niedrigen
Durchschnittsgehalt von 2.300 Euro immerhin ein Anstieg auf circa
3.000 Euro brutto. Die Annäherung an den Pflegebereich wäre damit
geschafft. Eine aktuelle Studie der Hochschule Fresenius, die Prof.
Dr. Sabine Hammer gemeinsam mit Studierenden des Masterstudiengangs
Therapiewissenschaften durchgeführt hat, zeigt indes ein anderes
Ergebnis. Nur 60 Prozent der befragten Therapeuten sagen, dass sich
ihr Gehalt seither überhaupt erhöht hat und hier lediglich rund 15
Prozent bei ihnen ankommen. Damit bewegt man sich nun auf dem Stand
der Altenpflege, die Krankenpflege liegt noch weit darüber. "Aufgrund
des Drucks, den der Fachkräftemangel ausgelöst hat - und auch
aufgrund der jahrelangen Bemühungen der Berufsverbände - hat sich
etwas getan, das reicht aber bei weitem nicht aus", kommentiert
Hammer die Entwicklung.
Die Umfrage hat ergeben, dass es teilweise große Unterschiede
zwischen den in Kliniken und im öffentlichen Dienst Beschäftigten auf
der einen und den in Praxen tätigen Therapeuten auf der anderen Seite
gibt. "Wir haben schon den Eindruck, dass die Praxisangestellten nach
der Neuregelung ein wenig die Verlierer sind", sagt Hammer. "Bei
ihnen kommt bis jetzt nicht so viel Geld an wie erhofft - und die
Arbeitsbelastung ist die gleiche geblieben."
Ein Kernthema der aktuellen Studie der Hochschule Fresenius war
auch die Frage, wie der Berufsstand über berufspolitische
Einflussmöglichkeiten denkt. Gut 60 Prozent der Therapeuten zeigten
sich an dem Thema sehr interessiert. Allerdings schätzt etwa die
gleiche Zahl die persönlichen Einflussmöglichkeiten eher gering ein.
Sabine Hammer: "Da spielt schon Resignation eine gewisse Rolle. Was
wir allerdings auch gesehen haben: viele Therapeuten - etwa die
Hälfte der Befragten - fühlen sich nicht hinreichend informiert.
Viele geben kann, andere Prioritäten oder keine Zeit zu haben, um
sich zu informieren. Insgesamt glauben Therapeuten zu wenig daran,
etwas bewegen zu können. Deshalb ist Aufklärung wichtig."
Die wichtigsten Interessenvertreter sind zurzeit die
Berufsverbände. Es gibt viele davon, dementsprechend herrscht über
wichtige Fragestellungen Uneinigkeit. "Die Zersplitterung unter den
Verbänden halte ich für eine Katastrophe" sagt Frauke Kern, Mitglied
im Vorstand des Deutschen Bundesverbands für Logopädie (dbl). Das
betrifft vor allem die Akademisierung, aber auch die Methoden, wie
sich berufspolitische Ziele erreichen lassen. "Auch aus dem Grund,
weil nicht immer mit einer Sprache gesprochen wird, finden die
Therapieberufe in der Gesundheitspolitik noch nicht ausreichend
Gehör", meint Hammer. "Zudem haben wir keinen Sitz im gemeinsamen
Bundesausschuss, der wäre aus Therapeutensicht dringend
erforderlich." Der Bundesausschuss ist das höchste Gremium, das die
Gesundheitsversorgung in Deutschland regelt. Bisher haben dort
Krankenhäuser, Krankenkassen, Ärzte und Psychotherapeuten einen Sitz.
Die Einführung einer aktuell viel diskutierten Therapeutenkammer
würde diesen auch nicht automatisch bringen. Hammer sagt dazu: "Eine
Kammer könnte die Position der Therapeuten aber langfristig stärken
und so gegebenenfalls die Chance wachsen lassen, dort hineinzukommen.
Eine Kammer hat politisch mehr Macht als die Berufsverbände." Auch
beim Symposium in Idstein war die Einführung der Therapeutenkammer
ein zentrales Thema. "Wir brauchen eine Kammer, um ein solides
Fundament für die Zukunftsfähigkeit unserer Therapieberufe zu legen",
sagt Daniela Hoffmann-Kruse, Vorsitzende des Fördervereins
Therapeutenkammer in Nordrhein-Westfalen (TKNRW). "Eine
berufsständische Kammer ist wie ein ''Instrument'', mit dem wir
erstmalig unsere Berufsbelange eigenverantwortlicher gestalten
können." Das bedeute mehr Autonomie und damit einen Schritt in
Richtung einer Profession, die weniger von außen gesteuert werde.
"Mein persönlicher Wunsch ist es, dass sich die Therapeuten nicht
weiter zersplittern, sondern den gemeinsamen Schulterschluss zu einer
starken Gemeinschaft schaffen."
Gefordert wird von vielen Seiten, dass eine intensive Aufklärung
stattfindet, um für Therapeutinnen und Therapeuten eine hinreichende
Entscheidungsgrundlage zu schaffen. Dr. Björn Pfadenhauer,
Geschäftsführer des Bundesverbands selbstständiger Physiotherapeuten,
sagt: "Eine Kammer ist weder schwarz noch weiß. Wichtig ist, dass
jeder Berufsangehörige umfassend über die Aufgaben von Kammern
informiert wird. Auch die Vor- und Nachteile müssen kommuniziert
werden, damit am Ende jeder in der Lage ist, sich selbst dafür oder
dagegen zu entscheiden."
Die Entscheidung für eine Kammer ist nicht automatisch eine gegen
die Berufsverbände, die ihrerseits viel zu den aktuellen
berufspolitischen Veränderungen beigetragen haben. Darin sind sich
Bernd Scheliga, ZVK-Beirat und Kordula Schulz-Asche, Mitglied im
Gesundheitsausschuss des deutschen Bundestages (Bündnis 90/die
Grünen) einig.
Im Wissenschaftsblog adhibeo findet sich ein Interview mit Prof.
Dr. Sabine Hammer zum Thema: http://ots.de/wztDpV
Anmerkung: Im Rahmen der Studie "#wirksamsein" führten Studierende
des Masterstudiengangs Therapiewissenschaften an der Hochschule
Fresenius in Idstein 34 ausführliche Interviews mit Ergotherapeuten,
Sprachtherapeuten, Physiotherapeuten und Podologen. An der
Online-Befragung (quantitative Erhebung) nahmen 905 Therapeuten teil.
Pressekontakt:
Alexander Pradka
Pressesprecher Hochschule Fresenius gem. GmbH
alexander.pradka@hs-fresenius.de
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