Viele junge Ärztinnen und Ärzte in Kliniken fühlen sich
überlastet und emotional erschöpft - das zeigt eine Studie, die "Panorama 3",
dem Politikmagazin im NDR Fernsehen, vorliegt. Danach beschreiben 70 Prozent der
an der Untersuchung teilnehmenden Assistenzärzte Anzeichen eines Burnouts. Jeder
Fünfte gab an, schon einmal Medikamente genommen zu haben, um mit dem Stress
klar zu kommen.
Das "Bündnis Junge Ärzte" hat die Umfrage initiiert. Dessen Sprecher Kevin
Schulte erschüttern die Ergebnisse: "Ich fand das erschreckend", sagt er
"Panorama 3", "ich hätte nicht gedacht, dass das so ein Ausmaß hat." Im Fokus
standen dabei junge Medizinerinnen und Mediziner bis 35 Jahren mit weniger als
sechs Jahren Berufserfahrung, die sich in der Weiterbildung zum Facharzt in
Kliniken befinden. 855 Ärzte nahmen an der Umfrage teil (das bedeutet eine
Response Rate unter den Ärztinnen und Ärzten von 18,5 Prozent). Bei der
Befragung sollten sie anhand eines standardisierten Fragebogens Einschätzungen
zu ihrem Gesundheitszustand abgeben wie zum Beispiel körperliche und emotionale
Erschöpfung. 70 Prozent der Teilnehmenden haben nach diesen Angaben ein deutlich
erhöhtes Risiko für einen Burnout. Besonders klagen junge Mediziner über hohe
Arbeitsverdichtung sowie umfangreiche Dokumentationspflichten.
Die Weiterbildung beginnt nach dem Medizinstudium und der ärztlichen Zulassung.
In der Weiterbildung sollen Facharztkenntnisse und Praxis vermittelt werden.
Viele junge Mediziner üben große Kritik an der Art und Weise, wie die
Weiterbildung an vielen Kliniken derzeit durchgeführt wird. In einer Erhebung
des Hartmannbundes von 2018/2019 gaben Zweidrittel der befragten Assistenzärzte
an, dass sie mäßig bis gar nicht zufrieden sind mit ihrer Weiterbildung.
"Learning by error" - also Lernen durch Fehler - gab ein Teilnehmer resigniert
an. Auch Überstunden gehören anscheinend zum Alltag für junge Ärzte. Laut
Hartmannbund arbeiten 58 Prozent der befragten Assistenzärzte durchschnittlich
50 Stunden und mehr pro Woche. Auch die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DGK)
sieht die zunehmende Arbeitsverdichtung als Problem. Sie fordert eine
ausreichende Finanzierung und die Eindämmung von Dokumentationspflichten.
Kevin Schulte sieht politischen Handlungsbedarf. Denn seit 2013 müssen
Arbeitgeber laut Arbeitsschutzgesetz auch psychosoziale Gefährdungen ihrer
Arbeitnehmer kontrollieren. "Dieses Recht müsste auch in Krankenhäusern gelten",
sagt Kevin Schulte. Der Internist hat nun gemeinsam mit seinem Berufsverband
einen offenen Brief an die Gesundheitsminister der Länder geschrieben.
"Panorama 3" hat die Gesundheitsministerin der norddeutschen Bundesländer um
Bewertung der Studienergebnisse gebeten. Diese antworten nur allgemein. Hamburg,
Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen liegt die Studie noch nicht vor.
Niedersachsen stellt aber fest: "Unstrittig ist, dass die Arbeitsbelastung im
Krankenhaus für alle dort tätigen Berufsgruppen hoch ist." Aus Hamburg heißt es,
generell müsse bei der Suche nach Ursachen von Burnout Risiken jede einzelne
Klinik und sogar jede Abteilung genau analysiert werden. Bei der Frage nach
Kontrollen des Arbeitsplatzes verweist zum Beispiel Hamburg darauf, dass für den
Arbeitsschutz der Arbeitgeber verantwortlich sei. Die Arbeitsschutzaufsicht der
Länder berate die Arbeitgeber dabei. Das Gesundheitsministerium
Schleswig-Holsteins räumt ein, dass ein erhöhtes Depressionsrisiko in
Gesundheitsberufen bekannt sei. Schlüsselfaktor sei bei den Arbeitsbedingungen
die Arbeitsintensität. Auch Schleswig-Holstein sieht den Arbeitgeber bei der
Bemessung von personellen Ressourcen in der Pflicht.
Pressekontakt:
Norddeutscher Rundfunk
Presse und Information
Ralf Pleßmann
Tel.: 040/4156-2333
Mail: r.plessmann@ndr.de
http://www.ndr.de
https://twitter.com/NDRpresse
Original-Content von: NDR Norddeutscher Rundfunk, übermittelt durch news aktuell