Im Vorfeld der ersten Leafly Medical Cannabis Conference im Mai
2020 in Berlin, hat die Redaktion von Leafly.de zwei renommierten und
international angesehenen Schmerzmedizinern Fragen zur Rolle von Cannabinoiden
in der Schmerztherapie gestellt.
Prof. Dr. Joachim Nadstawek ist Anästhesiologe am Schmerzzentrum an der
Janker-Klinik und Vorsitzender des Berufsverband der Ärzte und Psychologischen
Psychotherapeuten in der Schmerz- und Palliativmedizin in Deutschland - BVSD e.
V.
Dr. med. Knud Gastmeier praktiziert als Facharzt für Anästhesie, Spezielle
Schmerztherapie und Palliativmedizin in Potsdam. Er ist Präsident des
Interdisziplinären Arbeitskreis Brandenburger Schmerztherapeuten sowie
stellvertretender Sprecher der Ad-hoc Kommission "Cannabis in der Medizin" der
Deutschen Schmerzgesellschaft e. V.
Das Interview
Leafly.de: Welche Erfahrungen haben Sie in der Praxis beim Einsatz von Cannabis
in der Schmerztherapie gemacht?
Prof. Nadstawek: Die bisherigen Erfahrungen in der Praxis sind gut. Die von der
Barmer Ersatzkasse und auch vom BfArM berichtete Abbruchrate von rund 35 Prozent
kann ich nicht nachvollziehen. Sie liegt in meiner Praxis bei etwa 15 Prozent.
Ohne Zweifel hilft aber Cannabis nicht bei jedem - diese Erfahrung haben wir ja
auch schon bei den Opioiden gemacht.
Dr. Gastmeier: Ich habe überwiegend gute Erfahrungen beim Einsatz von Cannabis
in der Praxis gemacht. Unter Berücksichtigung von Respondern und Nonrespondern
und einer realistischen, mit dem Patienten besprochenen Therapieerwartung, ist
eine einschleichende Therapie oft erfolgreich. Dazu sind nur wenige oder gar
keine Nebenwirkungen zu erwarten.
Leafly.de: Gibt es Ihrer Meinung nach genügend wissenschaftliche
Grundlagen/Evidenz für den Einsatz von Cannabinoiden in der Schmerzmedizin?
Dr. Gastmeier: Eigentlich gibt es ausreichende wissenschaftliche Grundlagen,
aber es fehlt häufig die Vergleichbarkeit der Ergebnisse. Allerdings ist meiner
Ansicht nach die Forderung nach Evidenz ein Totschlagargument: Opioide werden
immer effektiver bei der Schmerztherapie sein, wenn man die Schmerzskala nimmt.
Betrachtet man aber den Patienten im komplexen Schmerzgeschehen, sieht das schon
ganz anders aus. Leider geht dies aber im Rahmen von RCT Studien nicht. Dasselbe
gilt für geriatrische Patienten und Palliativpatienten. Statt einer
wirkungsorientierten Evidenzsuche, sollte der Fokus auf dem
Nutzen-Risiko-Potenzial bei Neueinstellungen insbesondere bezüglich der
Therapiesicherheit für die Patienten gerichtet werden.
Leafly.de: Wann und wie profitieren Patienten in der Schmerztherapie von
Cannabis als Medizin?
Prof. Nadstawek: Vor allem Patienten mit einer neuropathischen Schmerzkomponente
profitieren von medizinischem Cannabis. Meine bisherigen Erfahrungen bei
viszeralem Schmerz z. B. bei entzündlichen Darmerkrankungen, Mastozytose, sind
ebenfalls positiv.
Dr. Gastmeier: Besonders profitieren Patienten in der Schmerztherapie, wenn die
Medikamentenanzahl und / oder -menge reduziert werden kann und damit auch die
Nebenwirkungen deutlich abnehmen.
Leafly.de: Man hört immer wieder von der Cannabisrotation. Wie stehen Sie dazu?
Ist das sinnvoll oder nicht?
Prof. Nadstawek: Wenn andere Zusammensetzungen bezüglich des THC- und
CBD-Gehaltes bei verschiedenen Krankheitsbildern sinnvoll erscheinen, sollte ein
Wechsel doch erwogen werden. Leider bieten im Moment nur die Blüten diese
unterschiedlichen Zusammensetzungen. Deshalb wird, wenn man zuvor mit Extrakten
behandelt hat, ein Neuantrag notwendig.
Leafly.de: Wo sehen Sie den Einsatz von Cannabinoiden in der Therapie in den
nächsten Jahren?
Prof. Nadstawek: Da die Cannabisrezeptoren ubiquitär im menschlichen Körper
vorhanden sind, gehe ich davon aus, dass sich der Einsatz von medizinischem
Cannabis ausweiten wird. Nicht nur im Bereich Schmerz ist Medizinalcannabis
interessant, sondern auch in den Fachbereichen der Neurologie und
Gastroenterologie. Ich gehe davon aus, dass sich der Einsatz in der
Schmerzmedizin etablieren wird, da medizinisches Cannabis eine interessante
Erweiterung des therapeutischen Spektrums für den Schmerzmediziner darstellt.
Dr. Gastmeier: Insbesondere bei multimorbiden Patienten sehe ich den Einsatz von
Cannabinoiden in der Therapie positiv. Auch bei der
Schmerzchronifizierungsprophylaxe und bei der Therapierisikominimierung wird
Cannabis als Medizin verstärkt eingesetzt werden. Ich sehe einen Schwerpunkt bei
den Extrakten in den verschiedensten Konzentrationen und
Cannabismedikament-Kombinationen, möglicherweise ebenso unter Einbeziehung von
Terpenen.
Abschlussbemerkung von Dr. Gastmeier:
Meiner Meinung nach, wird das Problem der Selbstmedikation mit dem Ergebnis
einer Selbstwirksamkeitserfahrung des Patienten, dass eben Cannabismedikamente
helfen und besser vertragen werden als die Leitlinientherapie, durch die
Gesetzgebung konterkariert. Ethisch nicht geklärt ist das Problem, dass der
Gesetzgeber vor dem Einsatz von Cannabismedikamenten, zum Beispiel in der
Schmerzmedizin, unter anderem die Therapieausreizung mit Medikamenten, die mit
höherem Risiko behaftet sind, fordert. So haben z. B. Opioide eine wesentlich
gravierendere Abhängigkeits- und Suchtproblematik, die mit einem kardialen und
pulmonalen Letalitätsrisiko behaftet ist. Für Nichtsteroidale Antirheumatika
(NSAR) und andere in der Schmerzmedizin übliche Medikamente bestehen abgestuft
oft ebenfalls höhere Therapierisiken als für Cannabismedikamente. Diese lehnen
aufgeklärte Patienten nachvollziehbar ab. Hier ist ein Votum der
Bundesärztekammer dringend notwendig. Durch den Genehmigungsvorbehalt wird die
Betäubungsmittelverordnung unterlaufen. Die ärztliche Beurteilung, ob ein und
welche Betäubungsmittel beim Patienten zum Einsatz kommt, wird durch nicht
ärztliche Kassenmitarbeiter in unerträglicher Art und Weise zum Nachteil des
betroffenen Patienten beeinflusst.
Prof. Dr. Dr. Nadstawek und Dr. med. Gastmeier sind die Präsidenten der Leafly
Medical Cannabis Konferenz. Unter ihrer Leitung können sich 350 Experten, Ärzte,
Apotheker und Forscher im hochwissenschaftlichen Kontext zu Themen wie
"Evidenzbasierte Verwendung von cannabinoid-basierten Medikamenten: Wie kann man
den klinischen Nutzen mit realen Studien erfassen" oder "Innovative
Versorgungsformen im Bereich Medizinalcannabis in Deutschland" austauschen.
Die gesamte Programmübersicht mit allen Sprechern findet man auf der Homepage
der Konferenz. Dort geht es auch zum Ticketshop
https://www.leafly.de/conference/tickets/.
Noch bis zum 31.12.2019 stehen hier limitierte Tickets zum Frühbucherpreis zur
Verfügung. Die CME Zertifizierung der Konferenz ist in Planung.
Weitere Informationen unter https://www.leafly.de/conference/
FAKTEN
TITEL Leafly Medical Cannabis Conference 2020
WANN 8. und 9. May 2020
WO Umweltforum Berlin, Pufendorfstr.11, 10249 Berlin
WAS Europas wegweisende Fachkonferenz zu Cannabinoiden in der
Medizin
INFO https://www.leafly.de/conference/
Kontakte
Konferenzleitung
Sandrina Koemm-Benson
Leafly Deutschland GmbH
T: +49 (0)30 72 62 19 906
conference@leafly.de
Konferenzbüro
Deborah Avanzato
Leafly Deutschland GmbH
T: +49 (0)30 72 62 19 906
Mobil: +49 (0)151 65 75 67 50
conference@leafly.de
Aussteller & Sponsoren
Simone Chrysanthou
Leafly Deutschland GmbH
T: +49 (0)30 72 62 19 906
Mobil: +49 (0)152 56 84 52 38
simone.chrysanthou@leafly.de
Pressekontakt:
[know:bodies]; gesellschaft für integrierte kommunikation und
bildungsberatung mbh;
Prof. Dr. Astrid Nelke
tel 0049 30 703 74 12
nelke@knowbodies.de
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