Angesichts eklatanter Unzulänglichkeiten bei der Umsetzung des neuen organisierten Programms zur Früherkennung von Gebärmutterhalskrebs nur vier Wochen vor dem Start am 1. Januar 2020 unterstützt die Ärzteorganisation GenoGyn die Forderung des Berufsverbandes der Frauenärzte (BVF) nach einer Verschiebung des neuen Krebsfrüherkennungsprogramms für Frauen. Diese hatte der BVF in einem offenen Brief an das Bundesministerium für Gesundheit am 29. November 2019 gefordert. "Zum Schutz unserer Patientinnen und der betroffenen gynäkologischen Praxen und Zytologen schließen wir uns dieser Forderung vollumfänglich an", sagt Dr. Edgar Leißling aus dem Vorstand der Ärzteorganisation GenoGyn, die rund 600 niedergelassene Frauenärztinnen und -ärzte vertritt.
Das neue organisierte Programm zur Früherkennung von Gebärmutterhalskrebs, soll auf Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) am 1. Januar 2020 starten. Neu daran ist, dass Frauen ab 35 Jahren alle drei Jahre Anspruch auf ein kombiniertes Screening aus zytologischer Untersuchung, dem sogenannten Pap-Abstrich, und dem HPV-Test haben (Ko-Testung). Bisher haben alle Frauen altersunabhängig Anspruch auf eine jährliche zytologische Untersuchung. "Die Folgen des neuen Screenings mit seinem methodischen Paradigmenwechsel bei der Früherkennung des Zervixkarzinoms sind für unsere Patientinnen bisher kaum absehbar und deshalb Gegenstand zahlreicher fachinterner Diskussionen. Es muss aber auch auf den Tisch, dass die praktische Umsetzung des Programms wenige Wochen vor dem Start absolut unzulänglich organisiert ist und für die involvierten Ärzte unzumutbare Unsicherheiten bestehen", betont GenoGyn-Vorstand Dr. Leißling.
Die Vorbehalte der GenoGyn gegen die neue Ko-Testung setzen bei der Verunsicherung der Frauen an. "Unsere Patientinnen sind gewohnt, jedes Jahr einen Zellabstrich zu bekommen. Die neue ?Krebsvorsorge light'' kann dazu führen, dass die Frauen das Gefühl bekommen, die Untersuchung sei nicht mehr so wichtig und erfordert deshalb einen hohen Beratungsaufwand durch den Gynäkologen. Hier hätten wir eine effektive Vorab-Aufklärung durch die Krankenkassen als unsere Vertragspartner in der Versorgung erwartet", so Frauenarzt Dr. Leißling. Dass Frauen alle fünf Jahre zu einer Untersuchung eingeladen werden, die alle drei Jahre stattfinden soll, werde die tatsächliche Inanspruchnahme zusätzlich erschweren. Dass das letzte Anschreiben der Krankenkassen mit 65 Jahren erfolgt, wenngleich der Anspruch auf Krebsfrüherkennungsuntersuchungen darüber hinaus besteht, setze überdies ein falsches Signal, denn Früherkennung sei auch und vor allem im Alter wichtig.
Wesentliche strukturelle Voraussetzungen sind kurz vor dem Programmstart nicht gegeben. "Infolge der Ko-Testung werden wir voraussichtlich eine Vielzahl positiver HPV-Befunde haben, die zwingend mit einer Abklärungskolposkopie weiter untersucht werden müssen. Dafür fehlt es aber noch an Kapazitäten, sodass absehbar längst nicht alle Frauen zeitnah und flächendeckend versorgt werden können. Diese Unsicherheit ist unseren Patientinnen nicht zuzumuten und kann in unseren Praxen ein Beratungs-Chaos auslösen", warnt GenoGyn-Vorstand Dr. Leißling.
Unzumutbar ist für die GenoGyn zudem der Umgang mit den Vertragsärzten. "Bei unserer Kritik geht es ganz konkret auch um die völlig ungeklärte Vergütung für uns Frauenärzte und -ärztinnen", unterstreicht Dr. Leißling. So werden die vorgeschriebene Programmevaluation sowie die elektronische Dokumentation und Übermittlung an die zuständige Kassenärztliche Vereinigung nicht zum 1.1. 2020 möglich sein, weil entscheidende Voraussetzungen für die Anpassung der Praxisverwaltungssysteme fehlen. Ebendiese vollständige elektronische Dokumentation ist aber eine der Voraussetzungen für die Abrechnung der durchgeführten Früherkennungsuntersuchungen. Außerdem gibt es bis jetzt keine EBM-Abrechnungsziffern für das Programm. "Wir wissen also weder wie unsere Leistung honoriert wird, noch wann und müssen mit massiven, ja existenzbedrohenden finanziellen Problemen für unsere Praxen rechnen."
Sollen niedergelassene Frauenärztinnen und -ärzte tatsächlich ab dem ersten Quartal 2020 Daten händisch auf Halde sammeln, um frühestens im dritten Quartal in unbekannter Höhe honoriert zu werden? Warum sind die verantwortlichen Institutionen bei einem Projekt dieser Tragweite nicht im Zeitplan, und warum hüllen sie sich bis heute in Schweigen? "Diese Fragen müssen wir stellen, denn es geht hier um einen existenziellen Teil unserer Praxisführung", mahnt Dr. Edgar Leißling. In Anbetracht der zahlreichen ungelösten Probleme und strukturellen Unzulänglichkeiten appelliert die GenoGyn deshalb dringend an die Verantwortlichen, den Start des neuen Zervixkarzinom-Screenings zu verschieben.
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