Ein neuer Bericht der medizinischen Hilfsorganisation Ärzte der
Welt deckt auf, wie weit Deutschland hinter seiner Verpflichtung zurückbleibt,
allen Einwohner*innen eine angemessene medizinische Versorgung zu ermöglichen.
Die Datenanalyse gibt einen seltenen Einblick in die Situation von Personen und
Gruppen, die vom regulären Gesundheitssystem ausgeschlossen werden. Dazu gehören
vor allem Menschen ohne Versicherung oder mit Beitragsschulden, Migrant*innen
aus anderen EU-Mitgliedsstaaten, Asylsuchende und Menschen ohne geregelten
Aufenthalt. Die Studie ist vor allem deshalb von Bedeutung, weil die
untersuchten Zielgruppen, zum Beispiel wegen fehlender Meldeadresse oder
Sprachbarrieren, normalerweise kaum befragt werden können.
Der Bericht basiert auf Daten von über 1000 Patient*innen, die im vergangenen
Jahr in Hamburg, München oder Berlin eine der medizinischen Anlaufstellen oder
einen Behandlungsbus von Ärzte der Welt aufgesucht haben. 95,6 Prozent von ihnen
lebten unterhalb der europäischen Armutsgrenze. Nur 11,4 Prozent wohnten zur
Miete oder in einer eigenen Wohnung. Andere waren bei Freunden oder Familie
untergekommen, wohnten in einem besetzten Haus, kampierten oder übernachteten am
Arbeitsplatz. Knapp über 14 Prozent schliefen in einem Wohnheim oder einer
Unterkunft für Wohnungslose, 30,9 Prozent waren obdachlos.
Schwangere kamen im Mittelwert in der 17. Woche zum ersten Mal zu Ärzte der
Welt, knapp 73 Prozent waren zuvor noch bei keiner Vorsorgeuntersuchung gewesen.
Insgesamt hatten rund 60 Prozent der Befragten in den vorangegangenen zwölf
Monaten darauf verzichtet, medizinische Versorgung in Anspruch zu nehmen, obwohl
sie krank waren. Die obdachlosen Patient*innen verzichteten mit 73,8 Prozent
deutlich häufiger auf medizinische Leistungen.
Der Bericht wird am Welttag der allgemeinen Gesundheitsversorgung, dem 12.
Dezember, im Rahmen einer gemeinsamen Veranstaltung mit Brot für die Welt in
Berlin vorgestellt.
Deutschland hat 2015 die Ziele der Vereinten Nationen für nachhaltige
Entwicklung und im September 2019 eine Deklaration für allgemeine
Gesundheitsversorgung (Universal Health Coverage) unterzeichnet. Damit hat es
sich verpflichtet, allen Einwohner*innen die notwendigen medizinischen
Leistungen diskriminierungsfrei zugänglich zu machen. Der Bericht zeigt, dass
dieses Ziel in Deutschland noch lange nicht erreicht ist.
Die Veröffentlichung enthält einen Einleger zu einem Projekt von Ärzte der Welt
zur psychischen Versorgung von Asylsuchenden im sogenannten Ankerzentrum im
bayerischen Manching bei Ingolstadt. Ärzte der Welt konnte aufgrund der
katastrophalen Lebensbedingungen in der Unterkunft die Verantwortung für die
Gesundheit der Patient*innen nicht mehr tragen und musste seinen Einsatz daher
im Oktober vorzeitig beenden.
Bericht und Einleger sind online zu finden unter:
http://ots.de/BKNaPH
Pressekontakt:
Stephanie Kirchner
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Ärzte der Welt e.V.
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